Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

setzt, weil sie von der Bedeutung und Verbreitung der Antike zur Zeit der
Karolinger noch keinen rechten Begriff hatten. Seiner ganzen Gestalt "^1
ist dieser Bau nur die ziemlich treue Copie eines antiken Sarkophages. Wir
finden daran noch die ganze antike Gliederung. Das komposite Kapital aus
zwei Körben bestehend, den Eier- und Perlenstab daran und darüber die Vo¬
luten ist am unteren Geschoß angewendet, während an dem oberen Stockwerk
ionische Pilaster stehen, die noch ziemlich regelrechte Voluten und Kannelüren
haben; Kragsteine tragen die Gesimse; Bogen sind nach römischer Weise zwi¬
schen den Halbsäulen eingespannt und schließlich sogar die nur den römische"
Sarkophagen ganz speciell eigenen Spitzgiebel zur Verbindung der Säule"
untereinander anstatt der sonst üblichen Architrave verwendet. Wir haben
somit durchaus keine Ursache, die Angabe einer gleichzeitigen Chronik zu be-
zweifeln oder an ihr herumzumäkeln, die von der Abtei zu Lorsch und ihrer
im achten Jahrhundert erbauten Kirche berichtet: "sie sei nach Art und Weise
der Alten und mit Nachahmung derselben errichtet."

Römische Künstler und römische Baustücke kamen in den Tagen Karl des
Großen nach Aachen. Sein Münster daselbst, welcher zugleich seine Grabkirche
werden sollte, hat. wenn auch im Innern bereits stark verändert, im Aeuhc-
ren wenigstens noch die Form des römischen Grabtempels ziemlich treu bei¬
behalten. Die runde und polygonale Tempelform, welche erst um die Zeit
Konstantins aus dem Heidenthum in den Gebrauch der Christen überging,
wurde von Karl dem Großen mit Vorliebe gepflegt und war nahe daran, die
oblonge oder basilikenartige Kirchenform, die bei weitem mehr als jene el"
Product des christlichen Geistes war, zu verdrängen. Sogar bei der BasiM
schloß man sich, beim Detail wenigstens, möglichst treu an das römische Her¬
kommen an.

Jene giebelförmige Säulenverbindung an der Grabkirche zu Lorsch erscheint
an einem der östlichen Thürme der Kirche zu Gernrode noch am Ende des
zehnten Jahrhunderts. An der Bartholomäuskapelle zu Paderborn aus dem
Anfang des elften Jahrhunderts ist das korinthische Kapitäl. sind sogar Zahn¬
schnitte noch angewendet und an dem noch dem Ende des neunten Jahrhun¬
derts angehörigen Theil der Klosterkirche zu Corvey ist die Form des korinthi¬
schen Kapitäls noch so treu, wenn gleich unbeholfen nachgebildet, daß selbst
die Kapseln der Stengel wiedergegeben sind; zwischen dem Kapitäl und dein
Gewölbeansatz daselbst befindet sich sogar ein das antike Gebälk in sei""
Dreitheilung nachahmender Aufsatz mit' dem Perlenstab verziert, während das
Gesims durch Zahnschnittc gegliedert ist.

Noch bei weitem enger war der Anschluß an die antike Bauweise in
jener Zeit im Süden Frankreichs. So konnte es geschehen, daß man dieser
Periode angehörige Werke in einer kunstgeschichtlich weniger geschulten Ze"


setzt, weil sie von der Bedeutung und Verbreitung der Antike zur Zeit der
Karolinger noch keinen rechten Begriff hatten. Seiner ganzen Gestalt "^1
ist dieser Bau nur die ziemlich treue Copie eines antiken Sarkophages. Wir
finden daran noch die ganze antike Gliederung. Das komposite Kapital aus
zwei Körben bestehend, den Eier- und Perlenstab daran und darüber die Vo¬
luten ist am unteren Geschoß angewendet, während an dem oberen Stockwerk
ionische Pilaster stehen, die noch ziemlich regelrechte Voluten und Kannelüren
haben; Kragsteine tragen die Gesimse; Bogen sind nach römischer Weise zwi¬
schen den Halbsäulen eingespannt und schließlich sogar die nur den römische»
Sarkophagen ganz speciell eigenen Spitzgiebel zur Verbindung der Säule»
untereinander anstatt der sonst üblichen Architrave verwendet. Wir haben
somit durchaus keine Ursache, die Angabe einer gleichzeitigen Chronik zu be-
zweifeln oder an ihr herumzumäkeln, die von der Abtei zu Lorsch und ihrer
im achten Jahrhundert erbauten Kirche berichtet: „sie sei nach Art und Weise
der Alten und mit Nachahmung derselben errichtet."

Römische Künstler und römische Baustücke kamen in den Tagen Karl des
Großen nach Aachen. Sein Münster daselbst, welcher zugleich seine Grabkirche
werden sollte, hat. wenn auch im Innern bereits stark verändert, im Aeuhc-
ren wenigstens noch die Form des römischen Grabtempels ziemlich treu bei¬
behalten. Die runde und polygonale Tempelform, welche erst um die Zeit
Konstantins aus dem Heidenthum in den Gebrauch der Christen überging,
wurde von Karl dem Großen mit Vorliebe gepflegt und war nahe daran, die
oblonge oder basilikenartige Kirchenform, die bei weitem mehr als jene el»
Product des christlichen Geistes war, zu verdrängen. Sogar bei der BasiM
schloß man sich, beim Detail wenigstens, möglichst treu an das römische Her¬
kommen an.

Jene giebelförmige Säulenverbindung an der Grabkirche zu Lorsch erscheint
an einem der östlichen Thürme der Kirche zu Gernrode noch am Ende des
zehnten Jahrhunderts. An der Bartholomäuskapelle zu Paderborn aus dem
Anfang des elften Jahrhunderts ist das korinthische Kapitäl. sind sogar Zahn¬
schnitte noch angewendet und an dem noch dem Ende des neunten Jahrhun¬
derts angehörigen Theil der Klosterkirche zu Corvey ist die Form des korinthi¬
schen Kapitäls noch so treu, wenn gleich unbeholfen nachgebildet, daß selbst
die Kapseln der Stengel wiedergegeben sind; zwischen dem Kapitäl und dein
Gewölbeansatz daselbst befindet sich sogar ein das antike Gebälk in sei""
Dreitheilung nachahmender Aufsatz mit' dem Perlenstab verziert, während das
Gesims durch Zahnschnittc gegliedert ist.

Noch bei weitem enger war der Anschluß an die antike Bauweise in
jener Zeit im Süden Frankreichs. So konnte es geschehen, daß man dieser
Periode angehörige Werke in einer kunstgeschichtlich weniger geschulten Ze"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107908"/>
          <p xml:id="ID_1062" prev="#ID_1061"> setzt, weil sie von der Bedeutung und Verbreitung der Antike zur Zeit der<lb/>
Karolinger noch keinen rechten Begriff hatten. Seiner ganzen Gestalt "^1<lb/>
ist dieser Bau nur die ziemlich treue Copie eines antiken Sarkophages. Wir<lb/>
finden daran noch die ganze antike Gliederung. Das komposite Kapital aus<lb/>
zwei Körben bestehend, den Eier- und Perlenstab daran und darüber die Vo¬<lb/>
luten ist am unteren Geschoß angewendet, während an dem oberen Stockwerk<lb/>
ionische Pilaster stehen, die noch ziemlich regelrechte Voluten und Kannelüren<lb/>
haben; Kragsteine tragen die Gesimse; Bogen sind nach römischer Weise zwi¬<lb/>
schen den Halbsäulen eingespannt und schließlich sogar die nur den römische»<lb/>
Sarkophagen ganz speciell eigenen Spitzgiebel zur Verbindung der Säule»<lb/>
untereinander anstatt der sonst üblichen Architrave verwendet. Wir haben<lb/>
somit durchaus keine Ursache, die Angabe einer gleichzeitigen Chronik zu be-<lb/>
zweifeln oder an ihr herumzumäkeln, die von der Abtei zu Lorsch und ihrer<lb/>
im achten Jahrhundert erbauten Kirche berichtet: &#x201E;sie sei nach Art und Weise<lb/>
der Alten und mit Nachahmung derselben errichtet."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1063"> Römische Künstler und römische Baustücke kamen in den Tagen Karl des<lb/>
Großen nach Aachen. Sein Münster daselbst, welcher zugleich seine Grabkirche<lb/>
werden sollte, hat. wenn auch im Innern bereits stark verändert, im Aeuhc-<lb/>
ren wenigstens noch die Form des römischen Grabtempels ziemlich treu bei¬<lb/>
behalten. Die runde und polygonale Tempelform, welche erst um die Zeit<lb/>
Konstantins aus dem Heidenthum in den Gebrauch der Christen überging,<lb/>
wurde von Karl dem Großen mit Vorliebe gepflegt und war nahe daran, die<lb/>
oblonge oder basilikenartige Kirchenform, die bei weitem mehr als jene el»<lb/>
Product des christlichen Geistes war, zu verdrängen. Sogar bei der BasiM<lb/>
schloß man sich, beim Detail wenigstens, möglichst treu an das römische Her¬<lb/>
kommen an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1064"> Jene giebelförmige Säulenverbindung an der Grabkirche zu Lorsch erscheint<lb/>
an einem der östlichen Thürme der Kirche zu Gernrode noch am Ende des<lb/>
zehnten Jahrhunderts. An der Bartholomäuskapelle zu Paderborn aus dem<lb/>
Anfang des elften Jahrhunderts ist das korinthische Kapitäl. sind sogar Zahn¬<lb/>
schnitte noch angewendet und an dem noch dem Ende des neunten Jahrhun¬<lb/>
derts angehörigen Theil der Klosterkirche zu Corvey ist die Form des korinthi¬<lb/>
schen Kapitäls noch so treu, wenn gleich unbeholfen nachgebildet, daß selbst<lb/>
die Kapseln der Stengel wiedergegeben sind; zwischen dem Kapitäl und dein<lb/>
Gewölbeansatz daselbst befindet sich sogar ein das antike Gebälk in sei""<lb/>
Dreitheilung nachahmender Aufsatz mit' dem Perlenstab verziert, während das<lb/>
Gesims durch Zahnschnittc gegliedert ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1065" next="#ID_1066"> Noch bei weitem enger war der Anschluß an die antike Bauweise in<lb/>
jener Zeit im Süden Frankreichs. So konnte es geschehen, daß man dieser<lb/>
Periode angehörige Werke in einer kunstgeschichtlich weniger geschulten Ze"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] setzt, weil sie von der Bedeutung und Verbreitung der Antike zur Zeit der Karolinger noch keinen rechten Begriff hatten. Seiner ganzen Gestalt "^1 ist dieser Bau nur die ziemlich treue Copie eines antiken Sarkophages. Wir finden daran noch die ganze antike Gliederung. Das komposite Kapital aus zwei Körben bestehend, den Eier- und Perlenstab daran und darüber die Vo¬ luten ist am unteren Geschoß angewendet, während an dem oberen Stockwerk ionische Pilaster stehen, die noch ziemlich regelrechte Voluten und Kannelüren haben; Kragsteine tragen die Gesimse; Bogen sind nach römischer Weise zwi¬ schen den Halbsäulen eingespannt und schließlich sogar die nur den römische» Sarkophagen ganz speciell eigenen Spitzgiebel zur Verbindung der Säule» untereinander anstatt der sonst üblichen Architrave verwendet. Wir haben somit durchaus keine Ursache, die Angabe einer gleichzeitigen Chronik zu be- zweifeln oder an ihr herumzumäkeln, die von der Abtei zu Lorsch und ihrer im achten Jahrhundert erbauten Kirche berichtet: „sie sei nach Art und Weise der Alten und mit Nachahmung derselben errichtet." Römische Künstler und römische Baustücke kamen in den Tagen Karl des Großen nach Aachen. Sein Münster daselbst, welcher zugleich seine Grabkirche werden sollte, hat. wenn auch im Innern bereits stark verändert, im Aeuhc- ren wenigstens noch die Form des römischen Grabtempels ziemlich treu bei¬ behalten. Die runde und polygonale Tempelform, welche erst um die Zeit Konstantins aus dem Heidenthum in den Gebrauch der Christen überging, wurde von Karl dem Großen mit Vorliebe gepflegt und war nahe daran, die oblonge oder basilikenartige Kirchenform, die bei weitem mehr als jene el» Product des christlichen Geistes war, zu verdrängen. Sogar bei der BasiM schloß man sich, beim Detail wenigstens, möglichst treu an das römische Her¬ kommen an. Jene giebelförmige Säulenverbindung an der Grabkirche zu Lorsch erscheint an einem der östlichen Thürme der Kirche zu Gernrode noch am Ende des zehnten Jahrhunderts. An der Bartholomäuskapelle zu Paderborn aus dem Anfang des elften Jahrhunderts ist das korinthische Kapitäl. sind sogar Zahn¬ schnitte noch angewendet und an dem noch dem Ende des neunten Jahrhun¬ derts angehörigen Theil der Klosterkirche zu Corvey ist die Form des korinthi¬ schen Kapitäls noch so treu, wenn gleich unbeholfen nachgebildet, daß selbst die Kapseln der Stengel wiedergegeben sind; zwischen dem Kapitäl und dein Gewölbeansatz daselbst befindet sich sogar ein das antike Gebälk in sei"" Dreitheilung nachahmender Aufsatz mit' dem Perlenstab verziert, während das Gesims durch Zahnschnittc gegliedert ist. Noch bei weitem enger war der Anschluß an die antike Bauweise in jener Zeit im Süden Frankreichs. So konnte es geschehen, daß man dieser Periode angehörige Werke in einer kunstgeschichtlich weniger geschulten Ze"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/322>, abgerufen am 23.07.2024.