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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Thales das Grabmal der Gottesmutter, eine Kellerkirche, in welche achtund¬
vierzig Stufen hinabführen, und in der sich zugleich die Grabstätten der Eltern
Marias so wie das ihres Gatten, des heiligen Joseph befinden. Eine Menge
von Hängelampen, Straußeneiern an Faden. Leuchtern und ähnlichen Ge-
räthen schmücken auch diese Kirche, in der jeden Morgen schon in der Frühe
von verschiedenen Religionsparteien Messen gelesen und Hymnen gesungen
werden.

Nicht weit von hier ist die Grotte, in welcher Jesus in der Nacht seiner
Gefangennehmung Blut schwitzte, jetzt in eine Kapelle mit drei Altären ver¬
wandelt, in welcher die Franciscaner des Salvatorklosters allmorgens Messe
lesen. Hart daneben liegt der Garten Gethsemane, ein Stück Land, welches
die Lateiner, denen es gehört, mit einer Mauer umgeben haben, und auf
dem sich Beete mit Rosen, Rosmarin und andern Blumen, so wie mehre alte
Olivenbäume befinden. Einige Schritte von der Gartenthür werden die Steine
gezeigt, an denen Jesus die Jünger zurückließ, als er sich zum Gebet in die
Grotte begab, ein Stück hoher den Berg hinauf die Höhle, in der er sie bei
seiner Zurückkunft eingeschlafen fand, wieder eine Strecke von hier die Stelle,
wo Judas ihm den Verrätherkuß gab. Deutlich sieht man. wie die Inbrunst
der Pilger von den Felsblöcken hier das Moos abgeküßt hat.

Wir sind hier am Fuße des Oelberg, zu dessen Spitze mehre vielgewuw
denn Pfade emporführen. Die Seite des Berges ist mit einzelnen Oliven¬
bäumen und an den weniger steinigen Stellen mit Gerstenfeldern bedeckt.
Auf dem Gipfel befindet sich ein Dorf von etwa zwanzig ärmlichen Hütten-
eine Moschee, das Grab eines mohammedanischen Heiligen und eine Kirche-
in welcher man einen Stein zeigt, von dem sich Jesus gen Himmel aufschwang-
Wer daran zweifelt, die Stelle etwa nach der Bibel nach Bethanien verlege"
möchte, der wird sich eines Bessern belehrt finden, wenn ihm die Mönche vom
Salvatorkloster, dem die Kirche gehört, auf den Eindruck aufmerksam machen-
den der eine Fuß des Herrn hier zurückließ. Bei dem Dorfe hat man einige
Gärten mit Feigen- und Granatbäumen angelegt.

Die Aussicht vom Oelberg, der sich etwa fünfhundert Fuß über die Sohle
des Thales erhebt, ist umfassend. Im Westen sehen wir in klaren Farben u"d
Umrissen die weißgraue Stadt mit ihren Kuppeln und Minarets und mit den
beiden buntschimmernden Moscheen des Haram vor uns. während weiter hinaus
das Terebinthenthal und der spitze Hügel mit Samuels Grab sich zeigt. Im Nor¬
den erblicken wir die, Gebirge Samarias. Im Osten und Süden erscheinen
über den grauen Wüstenhügeln des Vordergrundes die schroffen Felsrücken
des Moabitergebirges, des Morgens rosenroth überhaucht mit lichtblauen
Schatten, am Tage in das einfache Graublau aller Ferne gekleidet. In
Tiefe unter ihnen zieht sich durch das gelbe Land fast in gerader Linie d-r


Thales das Grabmal der Gottesmutter, eine Kellerkirche, in welche achtund¬
vierzig Stufen hinabführen, und in der sich zugleich die Grabstätten der Eltern
Marias so wie das ihres Gatten, des heiligen Joseph befinden. Eine Menge
von Hängelampen, Straußeneiern an Faden. Leuchtern und ähnlichen Ge-
räthen schmücken auch diese Kirche, in der jeden Morgen schon in der Frühe
von verschiedenen Religionsparteien Messen gelesen und Hymnen gesungen
werden.

Nicht weit von hier ist die Grotte, in welcher Jesus in der Nacht seiner
Gefangennehmung Blut schwitzte, jetzt in eine Kapelle mit drei Altären ver¬
wandelt, in welcher die Franciscaner des Salvatorklosters allmorgens Messe
lesen. Hart daneben liegt der Garten Gethsemane, ein Stück Land, welches
die Lateiner, denen es gehört, mit einer Mauer umgeben haben, und auf
dem sich Beete mit Rosen, Rosmarin und andern Blumen, so wie mehre alte
Olivenbäume befinden. Einige Schritte von der Gartenthür werden die Steine
gezeigt, an denen Jesus die Jünger zurückließ, als er sich zum Gebet in die
Grotte begab, ein Stück hoher den Berg hinauf die Höhle, in der er sie bei
seiner Zurückkunft eingeschlafen fand, wieder eine Strecke von hier die Stelle,
wo Judas ihm den Verrätherkuß gab. Deutlich sieht man. wie die Inbrunst
der Pilger von den Felsblöcken hier das Moos abgeküßt hat.

Wir sind hier am Fuße des Oelberg, zu dessen Spitze mehre vielgewuw
denn Pfade emporführen. Die Seite des Berges ist mit einzelnen Oliven¬
bäumen und an den weniger steinigen Stellen mit Gerstenfeldern bedeckt.
Auf dem Gipfel befindet sich ein Dorf von etwa zwanzig ärmlichen Hütten-
eine Moschee, das Grab eines mohammedanischen Heiligen und eine Kirche-
in welcher man einen Stein zeigt, von dem sich Jesus gen Himmel aufschwang-
Wer daran zweifelt, die Stelle etwa nach der Bibel nach Bethanien verlege"
möchte, der wird sich eines Bessern belehrt finden, wenn ihm die Mönche vom
Salvatorkloster, dem die Kirche gehört, auf den Eindruck aufmerksam machen-
den der eine Fuß des Herrn hier zurückließ. Bei dem Dorfe hat man einige
Gärten mit Feigen- und Granatbäumen angelegt.

Die Aussicht vom Oelberg, der sich etwa fünfhundert Fuß über die Sohle
des Thales erhebt, ist umfassend. Im Westen sehen wir in klaren Farben u"d
Umrissen die weißgraue Stadt mit ihren Kuppeln und Minarets und mit den
beiden buntschimmernden Moscheen des Haram vor uns. während weiter hinaus
das Terebinthenthal und der spitze Hügel mit Samuels Grab sich zeigt. Im Nor¬
den erblicken wir die, Gebirge Samarias. Im Osten und Süden erscheinen
über den grauen Wüstenhügeln des Vordergrundes die schroffen Felsrücken
des Moabitergebirges, des Morgens rosenroth überhaucht mit lichtblauen
Schatten, am Tage in das einfache Graublau aller Ferne gekleidet. In
Tiefe unter ihnen zieht sich durch das gelbe Land fast in gerader Linie d-r


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[0314] Thales das Grabmal der Gottesmutter, eine Kellerkirche, in welche achtund¬ vierzig Stufen hinabführen, und in der sich zugleich die Grabstätten der Eltern Marias so wie das ihres Gatten, des heiligen Joseph befinden. Eine Menge von Hängelampen, Straußeneiern an Faden. Leuchtern und ähnlichen Ge- räthen schmücken auch diese Kirche, in der jeden Morgen schon in der Frühe von verschiedenen Religionsparteien Messen gelesen und Hymnen gesungen werden. Nicht weit von hier ist die Grotte, in welcher Jesus in der Nacht seiner Gefangennehmung Blut schwitzte, jetzt in eine Kapelle mit drei Altären ver¬ wandelt, in welcher die Franciscaner des Salvatorklosters allmorgens Messe lesen. Hart daneben liegt der Garten Gethsemane, ein Stück Land, welches die Lateiner, denen es gehört, mit einer Mauer umgeben haben, und auf dem sich Beete mit Rosen, Rosmarin und andern Blumen, so wie mehre alte Olivenbäume befinden. Einige Schritte von der Gartenthür werden die Steine gezeigt, an denen Jesus die Jünger zurückließ, als er sich zum Gebet in die Grotte begab, ein Stück hoher den Berg hinauf die Höhle, in der er sie bei seiner Zurückkunft eingeschlafen fand, wieder eine Strecke von hier die Stelle, wo Judas ihm den Verrätherkuß gab. Deutlich sieht man. wie die Inbrunst der Pilger von den Felsblöcken hier das Moos abgeküßt hat. Wir sind hier am Fuße des Oelberg, zu dessen Spitze mehre vielgewuw denn Pfade emporführen. Die Seite des Berges ist mit einzelnen Oliven¬ bäumen und an den weniger steinigen Stellen mit Gerstenfeldern bedeckt. Auf dem Gipfel befindet sich ein Dorf von etwa zwanzig ärmlichen Hütten- eine Moschee, das Grab eines mohammedanischen Heiligen und eine Kirche- in welcher man einen Stein zeigt, von dem sich Jesus gen Himmel aufschwang- Wer daran zweifelt, die Stelle etwa nach der Bibel nach Bethanien verlege" möchte, der wird sich eines Bessern belehrt finden, wenn ihm die Mönche vom Salvatorkloster, dem die Kirche gehört, auf den Eindruck aufmerksam machen- den der eine Fuß des Herrn hier zurückließ. Bei dem Dorfe hat man einige Gärten mit Feigen- und Granatbäumen angelegt. Die Aussicht vom Oelberg, der sich etwa fünfhundert Fuß über die Sohle des Thales erhebt, ist umfassend. Im Westen sehen wir in klaren Farben u"d Umrissen die weißgraue Stadt mit ihren Kuppeln und Minarets und mit den beiden buntschimmernden Moscheen des Haram vor uns. während weiter hinaus das Terebinthenthal und der spitze Hügel mit Samuels Grab sich zeigt. Im Nor¬ den erblicken wir die, Gebirge Samarias. Im Osten und Süden erscheinen über den grauen Wüstenhügeln des Vordergrundes die schroffen Felsrücken des Moabitergebirges, des Morgens rosenroth überhaucht mit lichtblauen Schatten, am Tage in das einfache Graublau aller Ferne gekleidet. In Tiefe unter ihnen zieht sich durch das gelbe Land fast in gerader Linie d-r

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/314>, abgerufen am 23.07.2024.