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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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außer dem Bad der Bathseba. der Ecke, wo Jesus am ersten Palmsonntag
vom Esel stieg, der Stätte, wo Jacobus enthauptet wurde, auch den Ort. wo
Maria bei ihrer Himmelfahrt den Gürtel fallen ließ, das Haus des reichen
Mannes im Gleichniß und -- sicher ein schlechter Witz, der sich im Lauf
der Zeit buchstäblich petrificirte -- einen jener Steine zeigt, die schreien sollten,
wofern die Menschen schwiegen. Fürwahr, man muß sich wundern, daß
nicht auch noch der Laden, wo die fünf klugen Jungfrauen der Parabel ihr
Oel kauften, und der Stall des Kalbes, welches dem Verlornen Sohn bei sei'
ner Rückkehr -geschlachtet wurde, vorhanden ist und von andächtigen Pilgern
wie jener Stein geküßt wird!

Der Mittelpunkt aller dieser Raritäten ist die sogenannte Via Dolorosa
mit ihrem Endpunkt, dem Ort, wo Christus starb und begraben wurde,
oder, wie mein Freund aus dem Hospiz sich cillmälig zu sagen gewöhnte,
gestorben und begraben worden sein soll. Die Via Dolorosa ist eine Straße,
die an der Kaserne beginnt, wo der Pascha seine Amtswohnung hat, und in
ziemlich gerader Richtung nach der Grabeskirche hinaufläuft. Die Kaserne
bezeichnet die Stelle des Richthauses, wo das erste "Kreuzige ihn!" ertönte-
Weiterhin zeigen die Mönche den Ort. wo Jesu das Kreuz aufgelegt wurde!
dann folgt eine kleine Kapelle der Lateiner, die auf der Stätte erbaut ist, wo
man ihn geißelte. Ein Stück weiter überwölbt die Straße ein Spitzbogen
mit einem winzigen Häuschen -- es ist nach der Legende die Stelle, an welcher
der Pilatus der Vulgata das Le-co Homo ausrief. Dann kommen: der
Ort, wo Jesus unter der Last des Kreuzes zusammenbrechend sich an ein Ha"s
lehnte und hier -- selbstverständlich sür eine Mönchsphantasie -- den Eindruck
seiner Schulterblätter zurückließ, der Ort. wo ihm, dem abermals Fallenden,
die heilige Veronica ihr Taschentuch reichte, damit er sich den Schweiß ab¬
trockne, bei welcher Gelegenheit bekanntlich ein Porträt von ihm auf dem
Tuche zurückblieb, endlich der Ort, wo er zu den wehklagenden Frauen sprach'
Weinet nicht über mich, sondern über euch und eure Kinder. Alle diese Punkte
sind von der Andacht der Pilger mit Millionen von Küsten bedeckt, einige da¬
durch förmlich ausgetieft worden.

Die Grabeskirche ist um vieles schöner und großartiger, als mane
sich vorstellt. Sie besteht aus drei Abtheilungen, von denen die erste das
Grab, die zweite die Kreuzigungsstätte Christi, die dritte den Ort. wo Helen"
die Kreuze gefunden, umschließt. Vor dem Thor befindet sich ein mit gelb¬
lichen Steinplatten gepflasterter Platz, der rechts und links von den Mauer"
der Klöster eingefaßt ist. welche an die Kirche stoßen, und auf dem Händler
mit Wachslichtern, Jerichorosen, Rosenkränzen und allerlei Perlmuttersckn'l''
werk -- Nachkommen der Handelsleute, welche Christus aus dem Tempel
jagte --ihre Waaren anzupreisen Pflegen. Zwei Portale, von denen das eine


außer dem Bad der Bathseba. der Ecke, wo Jesus am ersten Palmsonntag
vom Esel stieg, der Stätte, wo Jacobus enthauptet wurde, auch den Ort. wo
Maria bei ihrer Himmelfahrt den Gürtel fallen ließ, das Haus des reichen
Mannes im Gleichniß und — sicher ein schlechter Witz, der sich im Lauf
der Zeit buchstäblich petrificirte — einen jener Steine zeigt, die schreien sollten,
wofern die Menschen schwiegen. Fürwahr, man muß sich wundern, daß
nicht auch noch der Laden, wo die fünf klugen Jungfrauen der Parabel ihr
Oel kauften, und der Stall des Kalbes, welches dem Verlornen Sohn bei sei'
ner Rückkehr -geschlachtet wurde, vorhanden ist und von andächtigen Pilgern
wie jener Stein geküßt wird!

Der Mittelpunkt aller dieser Raritäten ist die sogenannte Via Dolorosa
mit ihrem Endpunkt, dem Ort, wo Christus starb und begraben wurde,
oder, wie mein Freund aus dem Hospiz sich cillmälig zu sagen gewöhnte,
gestorben und begraben worden sein soll. Die Via Dolorosa ist eine Straße,
die an der Kaserne beginnt, wo der Pascha seine Amtswohnung hat, und in
ziemlich gerader Richtung nach der Grabeskirche hinaufläuft. Die Kaserne
bezeichnet die Stelle des Richthauses, wo das erste „Kreuzige ihn!" ertönte-
Weiterhin zeigen die Mönche den Ort. wo Jesu das Kreuz aufgelegt wurde!
dann folgt eine kleine Kapelle der Lateiner, die auf der Stätte erbaut ist, wo
man ihn geißelte. Ein Stück weiter überwölbt die Straße ein Spitzbogen
mit einem winzigen Häuschen — es ist nach der Legende die Stelle, an welcher
der Pilatus der Vulgata das Le-co Homo ausrief. Dann kommen: der
Ort, wo Jesus unter der Last des Kreuzes zusammenbrechend sich an ein Ha»s
lehnte und hier — selbstverständlich sür eine Mönchsphantasie — den Eindruck
seiner Schulterblätter zurückließ, der Ort. wo ihm, dem abermals Fallenden,
die heilige Veronica ihr Taschentuch reichte, damit er sich den Schweiß ab¬
trockne, bei welcher Gelegenheit bekanntlich ein Porträt von ihm auf dem
Tuche zurückblieb, endlich der Ort, wo er zu den wehklagenden Frauen sprach'
Weinet nicht über mich, sondern über euch und eure Kinder. Alle diese Punkte
sind von der Andacht der Pilger mit Millionen von Küsten bedeckt, einige da¬
durch förmlich ausgetieft worden.

Die Grabeskirche ist um vieles schöner und großartiger, als mane
sich vorstellt. Sie besteht aus drei Abtheilungen, von denen die erste das
Grab, die zweite die Kreuzigungsstätte Christi, die dritte den Ort. wo Helen"
die Kreuze gefunden, umschließt. Vor dem Thor befindet sich ein mit gelb¬
lichen Steinplatten gepflasterter Platz, der rechts und links von den Mauer»
der Klöster eingefaßt ist. welche an die Kirche stoßen, und auf dem Händler
mit Wachslichtern, Jerichorosen, Rosenkränzen und allerlei Perlmuttersckn'l''
werk — Nachkommen der Handelsleute, welche Christus aus dem Tempel
jagte —ihre Waaren anzupreisen Pflegen. Zwei Portale, von denen das eine


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[0304] außer dem Bad der Bathseba. der Ecke, wo Jesus am ersten Palmsonntag vom Esel stieg, der Stätte, wo Jacobus enthauptet wurde, auch den Ort. wo Maria bei ihrer Himmelfahrt den Gürtel fallen ließ, das Haus des reichen Mannes im Gleichniß und — sicher ein schlechter Witz, der sich im Lauf der Zeit buchstäblich petrificirte — einen jener Steine zeigt, die schreien sollten, wofern die Menschen schwiegen. Fürwahr, man muß sich wundern, daß nicht auch noch der Laden, wo die fünf klugen Jungfrauen der Parabel ihr Oel kauften, und der Stall des Kalbes, welches dem Verlornen Sohn bei sei' ner Rückkehr -geschlachtet wurde, vorhanden ist und von andächtigen Pilgern wie jener Stein geküßt wird! Der Mittelpunkt aller dieser Raritäten ist die sogenannte Via Dolorosa mit ihrem Endpunkt, dem Ort, wo Christus starb und begraben wurde, oder, wie mein Freund aus dem Hospiz sich cillmälig zu sagen gewöhnte, gestorben und begraben worden sein soll. Die Via Dolorosa ist eine Straße, die an der Kaserne beginnt, wo der Pascha seine Amtswohnung hat, und in ziemlich gerader Richtung nach der Grabeskirche hinaufläuft. Die Kaserne bezeichnet die Stelle des Richthauses, wo das erste „Kreuzige ihn!" ertönte- Weiterhin zeigen die Mönche den Ort. wo Jesu das Kreuz aufgelegt wurde! dann folgt eine kleine Kapelle der Lateiner, die auf der Stätte erbaut ist, wo man ihn geißelte. Ein Stück weiter überwölbt die Straße ein Spitzbogen mit einem winzigen Häuschen — es ist nach der Legende die Stelle, an welcher der Pilatus der Vulgata das Le-co Homo ausrief. Dann kommen: der Ort, wo Jesus unter der Last des Kreuzes zusammenbrechend sich an ein Ha»s lehnte und hier — selbstverständlich sür eine Mönchsphantasie — den Eindruck seiner Schulterblätter zurückließ, der Ort. wo ihm, dem abermals Fallenden, die heilige Veronica ihr Taschentuch reichte, damit er sich den Schweiß ab¬ trockne, bei welcher Gelegenheit bekanntlich ein Porträt von ihm auf dem Tuche zurückblieb, endlich der Ort, wo er zu den wehklagenden Frauen sprach' Weinet nicht über mich, sondern über euch und eure Kinder. Alle diese Punkte sind von der Andacht der Pilger mit Millionen von Küsten bedeckt, einige da¬ durch förmlich ausgetieft worden. Die Grabeskirche ist um vieles schöner und großartiger, als mane sich vorstellt. Sie besteht aus drei Abtheilungen, von denen die erste das Grab, die zweite die Kreuzigungsstätte Christi, die dritte den Ort. wo Helen" die Kreuze gefunden, umschließt. Vor dem Thor befindet sich ein mit gelb¬ lichen Steinplatten gepflasterter Platz, der rechts und links von den Mauer» der Klöster eingefaßt ist. welche an die Kirche stoßen, und auf dem Händler mit Wachslichtern, Jerichorosen, Rosenkränzen und allerlei Perlmuttersckn'l'' werk — Nachkommen der Handelsleute, welche Christus aus dem Tempel jagte —ihre Waaren anzupreisen Pflegen. Zwei Portale, von denen das eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/304>, abgerufen am 23.07.2024.