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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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oder gar nicht gepflastert, voll Unrath und schäbige Hunde. Häufig geht
man durch dunkle, dumpfige Gewölbe. Ost schreitet man an Trümmern einsti¬
ger Prachtbauten vorüber, aus denen Gras, Gesträuch und plumper Kaktus
wächst. Statt unsrer hellen Fensterreihen sehen aus den Mauern die unregel¬
mäßig vertheilten vergitterten Holzkasten der Maschrebijeh herab, welche die
Häuser wie Gefängnisse erscheinen lassen. Schmale niedrige Thüren machen
den Eindruck des Gedruckten und Gebückten. Verräucherte Kaffeescheuke",
düstre Bazars und Sackgassen, stallartige Erdgeschosse, in denen Pferdemühle"
ihre melancholische Melodie herstöhnen, oder Kinderschulen ihre Lection mur¬
meln, der Mangel an geräumigen Plätzen, die Einsamkeit aller Straße",
welche nicht zu den Hauptdurchgängen gehören, vollenden das trübselige Bild
der Stadt, die ohnedies, wie alle diese Städte mit ungetünchten Mauern und
flachen Dächern, auf das abendländische Auge wie eine Ruine wirkt. Noch
übler als dem Auge, welches über die fahle Farbe und die unschöne Gestalt
der Wohnungen durch die bunte Tracht, das wimmelnde Roth. Blau. Weiß
und Braun des Gedränges auf den belebteren Gassen getröstet wird, ergeht
es dem Geruchssinn. Nimm einen Pferdestall, an den ein Ziegenstall stößt,
und an dem ein langsamer Wind die Gerüche eines Gewürzkrams vorbeiweht,
wirf ein Dutzend Orangen, einen Korb voll alte Wäsche und einen verendete"
Hund oder Esel hinzu, klare das Gebräu mit einem Oxthoft von Knoblauchs¬
geist ab und blas zum Schluß eine Oellampe darüber aus. so hast Du Can
de Jerusalem. Eine Dosis Kcllerdumpfhcit und der Odem eines alten Röhr-
trogs machen's noch natürlicher. Es ist wahr, der Schutt und Kehricht wird
gelegentlich weggeschafft, aber nur wenn ein ausdrücklicher Befehl des Pascht
unter Androhung eines Piasters Strafe für jedes Pfund Unrath, welches die
Kawaschen finden, dies befiehlt, und der Pascha ist auch ein Orientale ohne
Geruchsnerven und Ordnungssinn. Er befiehlt es nur. wenn er Strafgelder
braucht.

Im Innern der Häuser sieht es besser aus. Das orientalische Haus ist
eine in sich gekehrte Natur, schon des Haremsgeheimnisses wegen. Man trifft
in den Höfen nicht selten noch Spuren des altsarazenischen Sinnes für archi¬
tektonischen Schmuck. Die kleinen freundlichen Gärten mit Lauben und Spring'
brunnen aber, welche im Rücken der Häuser von Kairo grünen und blühen-
sucht man hier, da es am nöthigen Wasser fehlt, vergebens. Nur der preu¬
ßische Consul hat die Mühe und die Kosten nicht gescheut, welche die PsM
solcher Anlagen erfordert. Dafür lohnten ihm aber auch die Dryaden mit
Granatblüten, Orangenduft, zwei stolzen Cypressen und einer Fülle von prach'
eigen Blumen und Trauben.

Die belebtesten Straßen sind die Suk- oder Bazarstraßen, welcheme
überwölbt sind, dann die, welche zum Damascusthor führt, und die Christe"'


oder gar nicht gepflastert, voll Unrath und schäbige Hunde. Häufig geht
man durch dunkle, dumpfige Gewölbe. Ost schreitet man an Trümmern einsti¬
ger Prachtbauten vorüber, aus denen Gras, Gesträuch und plumper Kaktus
wächst. Statt unsrer hellen Fensterreihen sehen aus den Mauern die unregel¬
mäßig vertheilten vergitterten Holzkasten der Maschrebijeh herab, welche die
Häuser wie Gefängnisse erscheinen lassen. Schmale niedrige Thüren machen
den Eindruck des Gedruckten und Gebückten. Verräucherte Kaffeescheuke",
düstre Bazars und Sackgassen, stallartige Erdgeschosse, in denen Pferdemühle"
ihre melancholische Melodie herstöhnen, oder Kinderschulen ihre Lection mur¬
meln, der Mangel an geräumigen Plätzen, die Einsamkeit aller Straße",
welche nicht zu den Hauptdurchgängen gehören, vollenden das trübselige Bild
der Stadt, die ohnedies, wie alle diese Städte mit ungetünchten Mauern und
flachen Dächern, auf das abendländische Auge wie eine Ruine wirkt. Noch
übler als dem Auge, welches über die fahle Farbe und die unschöne Gestalt
der Wohnungen durch die bunte Tracht, das wimmelnde Roth. Blau. Weiß
und Braun des Gedränges auf den belebteren Gassen getröstet wird, ergeht
es dem Geruchssinn. Nimm einen Pferdestall, an den ein Ziegenstall stößt,
und an dem ein langsamer Wind die Gerüche eines Gewürzkrams vorbeiweht,
wirf ein Dutzend Orangen, einen Korb voll alte Wäsche und einen verendete"
Hund oder Esel hinzu, klare das Gebräu mit einem Oxthoft von Knoblauchs¬
geist ab und blas zum Schluß eine Oellampe darüber aus. so hast Du Can
de Jerusalem. Eine Dosis Kcllerdumpfhcit und der Odem eines alten Röhr-
trogs machen's noch natürlicher. Es ist wahr, der Schutt und Kehricht wird
gelegentlich weggeschafft, aber nur wenn ein ausdrücklicher Befehl des Pascht
unter Androhung eines Piasters Strafe für jedes Pfund Unrath, welches die
Kawaschen finden, dies befiehlt, und der Pascha ist auch ein Orientale ohne
Geruchsnerven und Ordnungssinn. Er befiehlt es nur. wenn er Strafgelder
braucht.

Im Innern der Häuser sieht es besser aus. Das orientalische Haus ist
eine in sich gekehrte Natur, schon des Haremsgeheimnisses wegen. Man trifft
in den Höfen nicht selten noch Spuren des altsarazenischen Sinnes für archi¬
tektonischen Schmuck. Die kleinen freundlichen Gärten mit Lauben und Spring'
brunnen aber, welche im Rücken der Häuser von Kairo grünen und blühen-
sucht man hier, da es am nöthigen Wasser fehlt, vergebens. Nur der preu¬
ßische Consul hat die Mühe und die Kosten nicht gescheut, welche die PsM
solcher Anlagen erfordert. Dafür lohnten ihm aber auch die Dryaden mit
Granatblüten, Orangenduft, zwei stolzen Cypressen und einer Fülle von prach'
eigen Blumen und Trauben.

Die belebtesten Straßen sind die Suk- oder Bazarstraßen, welcheme
überwölbt sind, dann die, welche zum Damascusthor führt, und die Christe»'


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[0300] oder gar nicht gepflastert, voll Unrath und schäbige Hunde. Häufig geht man durch dunkle, dumpfige Gewölbe. Ost schreitet man an Trümmern einsti¬ ger Prachtbauten vorüber, aus denen Gras, Gesträuch und plumper Kaktus wächst. Statt unsrer hellen Fensterreihen sehen aus den Mauern die unregel¬ mäßig vertheilten vergitterten Holzkasten der Maschrebijeh herab, welche die Häuser wie Gefängnisse erscheinen lassen. Schmale niedrige Thüren machen den Eindruck des Gedruckten und Gebückten. Verräucherte Kaffeescheuke", düstre Bazars und Sackgassen, stallartige Erdgeschosse, in denen Pferdemühle" ihre melancholische Melodie herstöhnen, oder Kinderschulen ihre Lection mur¬ meln, der Mangel an geräumigen Plätzen, die Einsamkeit aller Straße", welche nicht zu den Hauptdurchgängen gehören, vollenden das trübselige Bild der Stadt, die ohnedies, wie alle diese Städte mit ungetünchten Mauern und flachen Dächern, auf das abendländische Auge wie eine Ruine wirkt. Noch übler als dem Auge, welches über die fahle Farbe und die unschöne Gestalt der Wohnungen durch die bunte Tracht, das wimmelnde Roth. Blau. Weiß und Braun des Gedränges auf den belebteren Gassen getröstet wird, ergeht es dem Geruchssinn. Nimm einen Pferdestall, an den ein Ziegenstall stößt, und an dem ein langsamer Wind die Gerüche eines Gewürzkrams vorbeiweht, wirf ein Dutzend Orangen, einen Korb voll alte Wäsche und einen verendete" Hund oder Esel hinzu, klare das Gebräu mit einem Oxthoft von Knoblauchs¬ geist ab und blas zum Schluß eine Oellampe darüber aus. so hast Du Can de Jerusalem. Eine Dosis Kcllerdumpfhcit und der Odem eines alten Röhr- trogs machen's noch natürlicher. Es ist wahr, der Schutt und Kehricht wird gelegentlich weggeschafft, aber nur wenn ein ausdrücklicher Befehl des Pascht unter Androhung eines Piasters Strafe für jedes Pfund Unrath, welches die Kawaschen finden, dies befiehlt, und der Pascha ist auch ein Orientale ohne Geruchsnerven und Ordnungssinn. Er befiehlt es nur. wenn er Strafgelder braucht. Im Innern der Häuser sieht es besser aus. Das orientalische Haus ist eine in sich gekehrte Natur, schon des Haremsgeheimnisses wegen. Man trifft in den Höfen nicht selten noch Spuren des altsarazenischen Sinnes für archi¬ tektonischen Schmuck. Die kleinen freundlichen Gärten mit Lauben und Spring' brunnen aber, welche im Rücken der Häuser von Kairo grünen und blühen- sucht man hier, da es am nöthigen Wasser fehlt, vergebens. Nur der preu¬ ßische Consul hat die Mühe und die Kosten nicht gescheut, welche die PsM solcher Anlagen erfordert. Dafür lohnten ihm aber auch die Dryaden mit Granatblüten, Orangenduft, zwei stolzen Cypressen und einer Fülle von prach' eigen Blumen und Trauben. Die belebtesten Straßen sind die Suk- oder Bazarstraßen, welcheme überwölbt sind, dann die, welche zum Damascusthor führt, und die Christe»'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/300>, abgerufen am 23.07.2024.