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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Steinach standen und ihm die Scham ihres Körpers wiesen, gleichsam als
wären sie im Begriff sich zu baden", so wird man unwillkürlich an die Venus
^ Alten und ihr Gefolge erinnert, wie wir ihr als Personification des
^eldenthums auf den ziemlich gleichzeitigen aachncr Kanzelreliefs begegnen.
^ Götter der Alten waren ja zu Dämonen nach den Begriffen der nlt-
chnstlichen Zeit herabgesunken. Der Bcrgteufel, welcher den Wasserteufel
derselben Schrift gegen den heiligen Gallus zu Hilfe ruft, schmeckt sicher-
>es noch stark nach dem Pan und den Satyrn der alten Welt, wie sie in
'b'er antiken Gestalt auf denselben Reliefs zu den Füßen der als Juno dar¬
gestellten Personification der christlichen Kirche sich herumtummeln.

Wie in solchen Fällen die Anschauung der Alten gleichsam die Phantasie
^' Karolingischen Zeit gefangennahm und in Fesseln schlug, so hat dieselbe
^dcrweitig sogar direct die Hand der Zeichner und Former geleitet. Bei
überaus geringen Zahl der uns erhaltenen Kunstwerke jenes Zeitraumes
Wir zunächst und vorzugsweise auf die Miniaturen und die überaus be¬
bten Elfenbeinarbeiter angewiesen, ohne daraus irgendwie zu der Folge-
^ng berechtigt oder veranlaßt zusein: in andern Zweigen der Kunst sei dies in
gttmgevem Maße der Fall gewesen, als hier bei diesen Producten der Kleinkunst.

Der durchgängig angewendeten persönlichen Darstellung von Sonne und
"'"d als Apollo und Diana ist beiläufig wenigstens von mir schon Erwäh-
geschehen. Gewöhnlich fahren sie auf einem zwei- oder vierspännigen
.^Kw, jener mit Pferden, diese mit Kühen. Um ihr Haupt zieht sich der
Strahlenkranz; daß die Sonne in der modernen Zeit weiblichen und der
''"ut männlichen Geschlechts ist, also umgekehrt wie in der alten Welt, dar-
^ wird von dem Künstler gar keine Rücksicht genommen. Anderwärts er-
^'>nen sie auch vereinzelt mit dem Urtypus des modernen Heiligenscheines,
, ^ Nimbus der Alten um das Haupt, in einer Form, die er bereits auf
^'Vlnen Pompejanischen Gemälden, auf antiken Nasen und Terrakotten an¬
kommen hat. Diana trägt als Mondgöttin auch in Karolingischer Zeit noch
u und wieder den Halbmond auf de.in Haupt. Am Ausgang derselben sucht
Sonne und Mond den Typus von Christus und Maria aufzudrücken.
^ Flüsse sind in den Miniaturen und Schnitzereien noch jederzeit als antike
v ußgötter mit Vasen unter dem Arm oder zur Seite, aus denen ein Wasser-
^si hervorbricht, gezeichnet. Persönlich dargestellt wird nicht minder Erde
Meer. Wie die römische Kunst alle nur denkbaren Begriffe perscmificirte.
^ behielt auch die Karolingische, ihr verkümmerter aber gehorsamer Spröß-
g. diese Ausdrucksweise der Mutter bei oder stammelte sie ihr nach, indem
>>e d^r christlichen Kirche, dem Heidentyum, der Klugheit. Gerechtigkeit, Ver-
s^^edlen, ^ Sünde und ähnlichen Abstractionen, Gestalt und damit We-
' v (Schluß folgt.) erlieh. senhejj


Steinach standen und ihm die Scham ihres Körpers wiesen, gleichsam als
wären sie im Begriff sich zu baden", so wird man unwillkürlich an die Venus
^ Alten und ihr Gefolge erinnert, wie wir ihr als Personification des
^eldenthums auf den ziemlich gleichzeitigen aachncr Kanzelreliefs begegnen.
^ Götter der Alten waren ja zu Dämonen nach den Begriffen der nlt-
chnstlichen Zeit herabgesunken. Der Bcrgteufel, welcher den Wasserteufel
derselben Schrift gegen den heiligen Gallus zu Hilfe ruft, schmeckt sicher-
>es noch stark nach dem Pan und den Satyrn der alten Welt, wie sie in
'b'er antiken Gestalt auf denselben Reliefs zu den Füßen der als Juno dar¬
gestellten Personification der christlichen Kirche sich herumtummeln.

Wie in solchen Fällen die Anschauung der Alten gleichsam die Phantasie
^' Karolingischen Zeit gefangennahm und in Fesseln schlug, so hat dieselbe
^dcrweitig sogar direct die Hand der Zeichner und Former geleitet. Bei
überaus geringen Zahl der uns erhaltenen Kunstwerke jenes Zeitraumes
Wir zunächst und vorzugsweise auf die Miniaturen und die überaus be¬
bten Elfenbeinarbeiter angewiesen, ohne daraus irgendwie zu der Folge-
^ng berechtigt oder veranlaßt zusein: in andern Zweigen der Kunst sei dies in
gttmgevem Maße der Fall gewesen, als hier bei diesen Producten der Kleinkunst.

Der durchgängig angewendeten persönlichen Darstellung von Sonne und
"'"d als Apollo und Diana ist beiläufig wenigstens von mir schon Erwäh-
geschehen. Gewöhnlich fahren sie auf einem zwei- oder vierspännigen
.^Kw, jener mit Pferden, diese mit Kühen. Um ihr Haupt zieht sich der
Strahlenkranz; daß die Sonne in der modernen Zeit weiblichen und der
''"ut männlichen Geschlechts ist, also umgekehrt wie in der alten Welt, dar-
^ wird von dem Künstler gar keine Rücksicht genommen. Anderwärts er-
^'>nen sie auch vereinzelt mit dem Urtypus des modernen Heiligenscheines,
, ^ Nimbus der Alten um das Haupt, in einer Form, die er bereits auf
^'Vlnen Pompejanischen Gemälden, auf antiken Nasen und Terrakotten an¬
kommen hat. Diana trägt als Mondgöttin auch in Karolingischer Zeit noch
u und wieder den Halbmond auf de.in Haupt. Am Ausgang derselben sucht
Sonne und Mond den Typus von Christus und Maria aufzudrücken.
^ Flüsse sind in den Miniaturen und Schnitzereien noch jederzeit als antike
v ußgötter mit Vasen unter dem Arm oder zur Seite, aus denen ein Wasser-
^si hervorbricht, gezeichnet. Persönlich dargestellt wird nicht minder Erde
Meer. Wie die römische Kunst alle nur denkbaren Begriffe perscmificirte.
^ behielt auch die Karolingische, ihr verkümmerter aber gehorsamer Spröß-
g. diese Ausdrucksweise der Mutter bei oder stammelte sie ihr nach, indem
>>e d^r christlichen Kirche, dem Heidentyum, der Klugheit. Gerechtigkeit, Ver-
s^^edlen, ^ Sünde und ähnlichen Abstractionen, Gestalt und damit We-
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[0293] Steinach standen und ihm die Scham ihres Körpers wiesen, gleichsam als wären sie im Begriff sich zu baden", so wird man unwillkürlich an die Venus ^ Alten und ihr Gefolge erinnert, wie wir ihr als Personification des ^eldenthums auf den ziemlich gleichzeitigen aachncr Kanzelreliefs begegnen. ^ Götter der Alten waren ja zu Dämonen nach den Begriffen der nlt- chnstlichen Zeit herabgesunken. Der Bcrgteufel, welcher den Wasserteufel derselben Schrift gegen den heiligen Gallus zu Hilfe ruft, schmeckt sicher- >es noch stark nach dem Pan und den Satyrn der alten Welt, wie sie in 'b'er antiken Gestalt auf denselben Reliefs zu den Füßen der als Juno dar¬ gestellten Personification der christlichen Kirche sich herumtummeln. Wie in solchen Fällen die Anschauung der Alten gleichsam die Phantasie ^' Karolingischen Zeit gefangennahm und in Fesseln schlug, so hat dieselbe ^dcrweitig sogar direct die Hand der Zeichner und Former geleitet. Bei überaus geringen Zahl der uns erhaltenen Kunstwerke jenes Zeitraumes Wir zunächst und vorzugsweise auf die Miniaturen und die überaus be¬ bten Elfenbeinarbeiter angewiesen, ohne daraus irgendwie zu der Folge- ^ng berechtigt oder veranlaßt zusein: in andern Zweigen der Kunst sei dies in gttmgevem Maße der Fall gewesen, als hier bei diesen Producten der Kleinkunst. Der durchgängig angewendeten persönlichen Darstellung von Sonne und "'"d als Apollo und Diana ist beiläufig wenigstens von mir schon Erwäh- geschehen. Gewöhnlich fahren sie auf einem zwei- oder vierspännigen .^Kw, jener mit Pferden, diese mit Kühen. Um ihr Haupt zieht sich der Strahlenkranz; daß die Sonne in der modernen Zeit weiblichen und der ''"ut männlichen Geschlechts ist, also umgekehrt wie in der alten Welt, dar- ^ wird von dem Künstler gar keine Rücksicht genommen. Anderwärts er- ^'>nen sie auch vereinzelt mit dem Urtypus des modernen Heiligenscheines, , ^ Nimbus der Alten um das Haupt, in einer Form, die er bereits auf ^'Vlnen Pompejanischen Gemälden, auf antiken Nasen und Terrakotten an¬ kommen hat. Diana trägt als Mondgöttin auch in Karolingischer Zeit noch u und wieder den Halbmond auf de.in Haupt. Am Ausgang derselben sucht Sonne und Mond den Typus von Christus und Maria aufzudrücken. ^ Flüsse sind in den Miniaturen und Schnitzereien noch jederzeit als antike v ußgötter mit Vasen unter dem Arm oder zur Seite, aus denen ein Wasser- ^si hervorbricht, gezeichnet. Persönlich dargestellt wird nicht minder Erde Meer. Wie die römische Kunst alle nur denkbaren Begriffe perscmificirte. ^ behielt auch die Karolingische, ihr verkümmerter aber gehorsamer Spröß- g. diese Ausdrucksweise der Mutter bei oder stammelte sie ihr nach, indem >>e d^r christlichen Kirche, dem Heidentyum, der Klugheit. Gerechtigkeit, Ver- s^^edlen, ^ Sünde und ähnlichen Abstractionen, Gestalt und damit We- ' v (Schluß folgt.) erlieh. senhejj

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/293>, abgerufen am 22.07.2024.