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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Wst kühne und entschlossene Politik treibt, bei welcher allerdings Gefahren
"ut in den Kauf genommen sein wollen.

Preußens wahre Politik wird immer eine revolutionäre sein müssen.
Das Wort bringt allen ehrbaren Philistern eine Gänsehaut auf den Leib.
U"d doch bewundern dieselben Philister die Politik des großen Kurfürsten, des
großen Königs und des Jahres 1813! War diese etwa eine andere als
w'e revolutionäre? Oder ist es etwa nur revolutionär, wenn einige tausend
betrunkene Kerle ein paar Dutzend Barrikaden bauen, und nicht revolutionär,
wenn ein deutscher König dem deutschen Kaiser den Throuschemel unter dem
Hinteren fortzieht? Lasse man darum die Gänsehaut weg; denke man um die
Thatsachen und Thaten und fürchte man sich weniger vor den Worten.

Eine revolutionäre Politik wäre es z. B. gewesen, wenn der Prinz von
Pmißcn Anfang Juli dieses Jahres die Ernennung zum Bnndesoberfeldherrn
angenommen hätte, aber mit dem Vorbehalt, sie so zu benutzen, wie es Deutsch¬
land und mit diesem dann auch Preußen convenirte, wohlgemerkt nicht mit
^nem laut ausgesprochenen. sondern mit einen, stillen Vorbehalt, der sich von
^U'se verstand.' So hätte der alte Fritz gehandelt.

Aber wir glauben, daß der Prinz von Preußen diese Würde allerdings
'"ehr aus Mißtrauen in seine Fähigkeit als aus andern Gründen abgelehnt hat.

In der That, wir sind bisweilen erstaunt gewesen, wenn wir den Priu-
s°n für einen großen Feldherrn erklären hörten. Es liegt hier ein Punkt
^r. auf den wir wol noch öfter werden zurückkommen müssen, den wir wahr-
^ ungern berühren, der aber nothwendig im Interesse der Sache berührt
werden'muß. Die Leute in Preußen lächeln und spotten über das Giulay-
ihun, bei den Oestreichern -- machen sie es aber besser?

Der Prinz von Preußen war vor 1848 als ein ehrlicher Charakter, und
l°dann als ein Soldatenfreund und Liebhaber des Soldatenwesens bekannt.
hielt ihn für einen verständigen Mann. Aber außerordentliche Fähig¬
sten schrieb ihm niemand zu. Man sand, daß er derjenige der Söhne Frie-
^>es Wilhelms des Dritten sei, welcher die meiste Aehnlichkeit mit seinem
^der habe. Unserer Meinung nach war dieses Urtheil vollkommen richtig,
^'d wir möchten heute noch Hunderte von Menschen, die ihn vielleicht seit
Jahren zu einem halben oder auch ganzen Gott haben machen wollen.
"Uff Gewissen fragen, ob sich ihr Urtheil wirtlich geändert hat. Wir sind
^"zeugt. daß der Prinz selbst das. was wir hier sagen, nnterschreivcn wurde.
U"d stehen um so weniger an es auszusprechen. als jetzt wieder einmal eine
^ze Frist gegeben ist. in welcher die Leiter Preußens in sich gehen und man-
abstellen können, was in Berlin um kein Haar besser ist als >n Wien.

Im Jahr 1848 hängte sich die Reactionspartei -- wir unterscheiden die
damalige ministerielle Novemverpartci und die der Kreuzzeitung absolut nicht


Grenzboten III. 18S9. ^

Wst kühne und entschlossene Politik treibt, bei welcher allerdings Gefahren
"ut in den Kauf genommen sein wollen.

Preußens wahre Politik wird immer eine revolutionäre sein müssen.
Das Wort bringt allen ehrbaren Philistern eine Gänsehaut auf den Leib.
U"d doch bewundern dieselben Philister die Politik des großen Kurfürsten, des
großen Königs und des Jahres 1813! War diese etwa eine andere als
w'e revolutionäre? Oder ist es etwa nur revolutionär, wenn einige tausend
betrunkene Kerle ein paar Dutzend Barrikaden bauen, und nicht revolutionär,
wenn ein deutscher König dem deutschen Kaiser den Throuschemel unter dem
Hinteren fortzieht? Lasse man darum die Gänsehaut weg; denke man um die
Thatsachen und Thaten und fürchte man sich weniger vor den Worten.

Eine revolutionäre Politik wäre es z. B. gewesen, wenn der Prinz von
Pmißcn Anfang Juli dieses Jahres die Ernennung zum Bnndesoberfeldherrn
angenommen hätte, aber mit dem Vorbehalt, sie so zu benutzen, wie es Deutsch¬
land und mit diesem dann auch Preußen convenirte, wohlgemerkt nicht mit
^nem laut ausgesprochenen. sondern mit einen, stillen Vorbehalt, der sich von
^U'se verstand.' So hätte der alte Fritz gehandelt.

Aber wir glauben, daß der Prinz von Preußen diese Würde allerdings
'"ehr aus Mißtrauen in seine Fähigkeit als aus andern Gründen abgelehnt hat.

In der That, wir sind bisweilen erstaunt gewesen, wenn wir den Priu-
s°n für einen großen Feldherrn erklären hörten. Es liegt hier ein Punkt
^r. auf den wir wol noch öfter werden zurückkommen müssen, den wir wahr-
^ ungern berühren, der aber nothwendig im Interesse der Sache berührt
werden'muß. Die Leute in Preußen lächeln und spotten über das Giulay-
ihun, bei den Oestreichern — machen sie es aber besser?

Der Prinz von Preußen war vor 1848 als ein ehrlicher Charakter, und
l°dann als ein Soldatenfreund und Liebhaber des Soldatenwesens bekannt.
hielt ihn für einen verständigen Mann. Aber außerordentliche Fähig¬
sten schrieb ihm niemand zu. Man sand, daß er derjenige der Söhne Frie-
^>es Wilhelms des Dritten sei, welcher die meiste Aehnlichkeit mit seinem
^der habe. Unserer Meinung nach war dieses Urtheil vollkommen richtig,
^'d wir möchten heute noch Hunderte von Menschen, die ihn vielleicht seit
Jahren zu einem halben oder auch ganzen Gott haben machen wollen.
"Uff Gewissen fragen, ob sich ihr Urtheil wirtlich geändert hat. Wir sind
^"zeugt. daß der Prinz selbst das. was wir hier sagen, nnterschreivcn wurde.
U"d stehen um so weniger an es auszusprechen. als jetzt wieder einmal eine
^ze Frist gegeben ist. in welcher die Leiter Preußens in sich gehen und man-
abstellen können, was in Berlin um kein Haar besser ist als >n Wien.

Im Jahr 1848 hängte sich die Reactionspartei — wir unterscheiden die
damalige ministerielle Novemverpartci und die der Kreuzzeitung absolut nicht


Grenzboten III. 18S9. ^
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[0279] Wst kühne und entschlossene Politik treibt, bei welcher allerdings Gefahren "ut in den Kauf genommen sein wollen. Preußens wahre Politik wird immer eine revolutionäre sein müssen. Das Wort bringt allen ehrbaren Philistern eine Gänsehaut auf den Leib. U"d doch bewundern dieselben Philister die Politik des großen Kurfürsten, des großen Königs und des Jahres 1813! War diese etwa eine andere als w'e revolutionäre? Oder ist es etwa nur revolutionär, wenn einige tausend betrunkene Kerle ein paar Dutzend Barrikaden bauen, und nicht revolutionär, wenn ein deutscher König dem deutschen Kaiser den Throuschemel unter dem Hinteren fortzieht? Lasse man darum die Gänsehaut weg; denke man um die Thatsachen und Thaten und fürchte man sich weniger vor den Worten. Eine revolutionäre Politik wäre es z. B. gewesen, wenn der Prinz von Pmißcn Anfang Juli dieses Jahres die Ernennung zum Bnndesoberfeldherrn angenommen hätte, aber mit dem Vorbehalt, sie so zu benutzen, wie es Deutsch¬ land und mit diesem dann auch Preußen convenirte, wohlgemerkt nicht mit ^nem laut ausgesprochenen. sondern mit einen, stillen Vorbehalt, der sich von ^U'se verstand.' So hätte der alte Fritz gehandelt. Aber wir glauben, daß der Prinz von Preußen diese Würde allerdings '"ehr aus Mißtrauen in seine Fähigkeit als aus andern Gründen abgelehnt hat. In der That, wir sind bisweilen erstaunt gewesen, wenn wir den Priu- s°n für einen großen Feldherrn erklären hörten. Es liegt hier ein Punkt ^r. auf den wir wol noch öfter werden zurückkommen müssen, den wir wahr- ^ ungern berühren, der aber nothwendig im Interesse der Sache berührt werden'muß. Die Leute in Preußen lächeln und spotten über das Giulay- ihun, bei den Oestreichern — machen sie es aber besser? Der Prinz von Preußen war vor 1848 als ein ehrlicher Charakter, und l°dann als ein Soldatenfreund und Liebhaber des Soldatenwesens bekannt. hielt ihn für einen verständigen Mann. Aber außerordentliche Fähig¬ sten schrieb ihm niemand zu. Man sand, daß er derjenige der Söhne Frie- ^>es Wilhelms des Dritten sei, welcher die meiste Aehnlichkeit mit seinem ^der habe. Unserer Meinung nach war dieses Urtheil vollkommen richtig, ^'d wir möchten heute noch Hunderte von Menschen, die ihn vielleicht seit Jahren zu einem halben oder auch ganzen Gott haben machen wollen. "Uff Gewissen fragen, ob sich ihr Urtheil wirtlich geändert hat. Wir sind ^"zeugt. daß der Prinz selbst das. was wir hier sagen, nnterschreivcn wurde. U"d stehen um so weniger an es auszusprechen. als jetzt wieder einmal eine ^ze Frist gegeben ist. in welcher die Leiter Preußens in sich gehen und man- abstellen können, was in Berlin um kein Haar besser ist als >n Wien. Im Jahr 1848 hängte sich die Reactionspartei — wir unterscheiden die damalige ministerielle Novemverpartci und die der Kreuzzeitung absolut nicht Grenzboten III. 18S9. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/279>, abgerufen am 23.07.2024.