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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Von Ramleh nach Jerusalem reitet man im gewöhnlichen Karavanensckntt
ungefähr neun Stunden. Der Weg führt zunächst noch über ebenes Land,
das jedoch hier schon von tiefen Senkungen durchschnitten wird und nicht
mehr so gut angebaut ist. als im Westen. Ich war den übrigen voraus¬
geritten und betrachtete eben die Formen des vor mir sich erhebenden Ge¬
birges, welches noch in der Pracht des Morgens leuchtete, als ich an einer
Art Hohlweg, der in eine jener Senkungen hinabführte, ein Beduinenzelt und
vor demselben mehre Bewaffnete in Beduinentracht gewahr wurde, die einem
unten im Thal lagernden Trupp Zeichen gaben, worauf sie sich zu Pferde
setzten und zu beiden Seiten des Defil6s Stellung nahmen.

Unwillkürlich dachte ich an die Befürchtungen des Architekten von gestern,
an den Mohren und die Beni Saker. Die Bursche am Hohlweg konnten
einen Angriff beabsichtigen, uns in die Senkung hinabreiten lassen und dort
uns in den Rücken fallen, während ihre Kameraden uns von vorn attakirten,
Sie waren uns mindestens um das Dreifache überlegen, gut beritten und mit
Lanzen und Flinten bewaffnet. Von Widerstand hätte trotz unserer Revolver
schon der Damen wegen nicht wol die Rede sein können. Umkehren mochte
ich nicht, und so ritt ich mit der Gelassenheit, die sich dem Unvermeidlichen
gegenüber ziemt, auf den Hohlweg zu. Als ich noch etwa einen Flintenschuß
von den Beduinen entfernt war. vernahm ich ein Commando. worauf sich
ein Ton hören ließ, der Aehnlichkeit mit den taktmäßigen Hammerschlägen
einer Schmiede hatte, in der etwa ein Hufeisen geschmiedet wird -- vielleicht
das Signal, sich fertig zu machen. Als ich durch die wilden Gesellen tM
durchritt, geschah nichts, als daß der Pauker -- ein solcher nämlich war der
Urheber des klimpernden Tones -- seine kleinen straff gespannten Pauken kräf¬
tiger bearbeitete. Ein Stück in das Th-al hinabgekommen, blickte ich mich
um und sah, daß der Rest der Gesellschaft ebenfalls unbelästigt durchgelassen
worden war. Indeß breiteten sich jetzt die Beduinen halbmondförmig hinter
der Karavane aus, wie wenn sie uns im Verein mit den vor uns haltenden
Reitern zu umringen gedächten. Allein ich ritt auch durch diese letztern "n-
aufgehalten hindurch, und jetzt löste sich das Räthsel auf angenehme Weise-

Die vermeintlichen Beduinen waren Baschibosuks, zum Schutz der Straße
hier aufgestellt. Ihre Manöver hatten keinen andern Zweck, als den General-
consul zu ehren, ihm ihre Reiterkünste zu zeigen und ihm eine Strecke Weges
das Geleit zu geben. Während der Pauker, dessen Instrumente höchstens den
Durchmesser einer von unsern Untertassen hatten, ohne Unterlaß fortklimperte,
führten die übrigen, zusammen einundzwanzig Mann, allerlei Schwenkungen
aus. Zuerst stürmte der Halbmond hinter uns im vollen Carriere die Hot)°
herab, um sich mit den vor uns Stehenden zu vereinigen, -dann theilten sie
sich wieder in zwei Parteien, die sich mit Lanzen und Säbeln Scheintreffen


Von Ramleh nach Jerusalem reitet man im gewöhnlichen Karavanensckntt
ungefähr neun Stunden. Der Weg führt zunächst noch über ebenes Land,
das jedoch hier schon von tiefen Senkungen durchschnitten wird und nicht
mehr so gut angebaut ist. als im Westen. Ich war den übrigen voraus¬
geritten und betrachtete eben die Formen des vor mir sich erhebenden Ge¬
birges, welches noch in der Pracht des Morgens leuchtete, als ich an einer
Art Hohlweg, der in eine jener Senkungen hinabführte, ein Beduinenzelt und
vor demselben mehre Bewaffnete in Beduinentracht gewahr wurde, die einem
unten im Thal lagernden Trupp Zeichen gaben, worauf sie sich zu Pferde
setzten und zu beiden Seiten des Defil6s Stellung nahmen.

Unwillkürlich dachte ich an die Befürchtungen des Architekten von gestern,
an den Mohren und die Beni Saker. Die Bursche am Hohlweg konnten
einen Angriff beabsichtigen, uns in die Senkung hinabreiten lassen und dort
uns in den Rücken fallen, während ihre Kameraden uns von vorn attakirten,
Sie waren uns mindestens um das Dreifache überlegen, gut beritten und mit
Lanzen und Flinten bewaffnet. Von Widerstand hätte trotz unserer Revolver
schon der Damen wegen nicht wol die Rede sein können. Umkehren mochte
ich nicht, und so ritt ich mit der Gelassenheit, die sich dem Unvermeidlichen
gegenüber ziemt, auf den Hohlweg zu. Als ich noch etwa einen Flintenschuß
von den Beduinen entfernt war. vernahm ich ein Commando. worauf sich
ein Ton hören ließ, der Aehnlichkeit mit den taktmäßigen Hammerschlägen
einer Schmiede hatte, in der etwa ein Hufeisen geschmiedet wird — vielleicht
das Signal, sich fertig zu machen. Als ich durch die wilden Gesellen tM
durchritt, geschah nichts, als daß der Pauker — ein solcher nämlich war der
Urheber des klimpernden Tones — seine kleinen straff gespannten Pauken kräf¬
tiger bearbeitete. Ein Stück in das Th-al hinabgekommen, blickte ich mich
um und sah, daß der Rest der Gesellschaft ebenfalls unbelästigt durchgelassen
worden war. Indeß breiteten sich jetzt die Beduinen halbmondförmig hinter
der Karavane aus, wie wenn sie uns im Verein mit den vor uns haltenden
Reitern zu umringen gedächten. Allein ich ritt auch durch diese letztern »n-
aufgehalten hindurch, und jetzt löste sich das Räthsel auf angenehme Weise-

Die vermeintlichen Beduinen waren Baschibosuks, zum Schutz der Straße
hier aufgestellt. Ihre Manöver hatten keinen andern Zweck, als den General-
consul zu ehren, ihm ihre Reiterkünste zu zeigen und ihm eine Strecke Weges
das Geleit zu geben. Während der Pauker, dessen Instrumente höchstens den
Durchmesser einer von unsern Untertassen hatten, ohne Unterlaß fortklimperte,
führten die übrigen, zusammen einundzwanzig Mann, allerlei Schwenkungen
aus. Zuerst stürmte der Halbmond hinter uns im vollen Carriere die Hot)°
herab, um sich mit den vor uns Stehenden zu vereinigen, -dann theilten sie
sich wieder in zwei Parteien, die sich mit Lanzen und Säbeln Scheintreffen


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[0272] Von Ramleh nach Jerusalem reitet man im gewöhnlichen Karavanensckntt ungefähr neun Stunden. Der Weg führt zunächst noch über ebenes Land, das jedoch hier schon von tiefen Senkungen durchschnitten wird und nicht mehr so gut angebaut ist. als im Westen. Ich war den übrigen voraus¬ geritten und betrachtete eben die Formen des vor mir sich erhebenden Ge¬ birges, welches noch in der Pracht des Morgens leuchtete, als ich an einer Art Hohlweg, der in eine jener Senkungen hinabführte, ein Beduinenzelt und vor demselben mehre Bewaffnete in Beduinentracht gewahr wurde, die einem unten im Thal lagernden Trupp Zeichen gaben, worauf sie sich zu Pferde setzten und zu beiden Seiten des Defil6s Stellung nahmen. Unwillkürlich dachte ich an die Befürchtungen des Architekten von gestern, an den Mohren und die Beni Saker. Die Bursche am Hohlweg konnten einen Angriff beabsichtigen, uns in die Senkung hinabreiten lassen und dort uns in den Rücken fallen, während ihre Kameraden uns von vorn attakirten, Sie waren uns mindestens um das Dreifache überlegen, gut beritten und mit Lanzen und Flinten bewaffnet. Von Widerstand hätte trotz unserer Revolver schon der Damen wegen nicht wol die Rede sein können. Umkehren mochte ich nicht, und so ritt ich mit der Gelassenheit, die sich dem Unvermeidlichen gegenüber ziemt, auf den Hohlweg zu. Als ich noch etwa einen Flintenschuß von den Beduinen entfernt war. vernahm ich ein Commando. worauf sich ein Ton hören ließ, der Aehnlichkeit mit den taktmäßigen Hammerschlägen einer Schmiede hatte, in der etwa ein Hufeisen geschmiedet wird — vielleicht das Signal, sich fertig zu machen. Als ich durch die wilden Gesellen tM durchritt, geschah nichts, als daß der Pauker — ein solcher nämlich war der Urheber des klimpernden Tones — seine kleinen straff gespannten Pauken kräf¬ tiger bearbeitete. Ein Stück in das Th-al hinabgekommen, blickte ich mich um und sah, daß der Rest der Gesellschaft ebenfalls unbelästigt durchgelassen worden war. Indeß breiteten sich jetzt die Beduinen halbmondförmig hinter der Karavane aus, wie wenn sie uns im Verein mit den vor uns haltenden Reitern zu umringen gedächten. Allein ich ritt auch durch diese letztern »n- aufgehalten hindurch, und jetzt löste sich das Räthsel auf angenehme Weise- Die vermeintlichen Beduinen waren Baschibosuks, zum Schutz der Straße hier aufgestellt. Ihre Manöver hatten keinen andern Zweck, als den General- consul zu ehren, ihm ihre Reiterkünste zu zeigen und ihm eine Strecke Weges das Geleit zu geben. Während der Pauker, dessen Instrumente höchstens den Durchmesser einer von unsern Untertassen hatten, ohne Unterlaß fortklimperte, führten die übrigen, zusammen einundzwanzig Mann, allerlei Schwenkungen aus. Zuerst stürmte der Halbmond hinter uns im vollen Carriere die Hot)° herab, um sich mit den vor uns Stehenden zu vereinigen, -dann theilten sie sich wieder in zwei Parteien, die sich mit Lanzen und Säbeln Scheintreffen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/272>, abgerufen am 23.07.2024.