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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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"is wir. des Gezänks überdrüssig, uns in den Garten begaben, folgte er uns
"ach und erfüllte die Luft mit Toben und Schelten gegen unsern Wirth, den
jetzt für die Prügelsucht des Kawaschen verantwortlich zu machen schien.
Ein letzter Versuch, die Streitenden zu beruhigen, wurde von dem Popen ge-
'"acht, und es war, als sollte er von Erfolg sein. Die Parteien umarmten
und küßten sich. Aber schon im nächsten Augenblick runzelte Chowadschi Jssa
so hieß der zornmüthige Nachbar -- von neuem die Stirn, und wir ent¬
gingen einem neuen Gewitter seines Grimms nur dadurch, daß wir uns rasch
"u Pferde setzten und das Gehöft verließen.

Als wir nach Hause ritten, wehte der Wind mit großer Heftigkeit vom
Meere her. und die Brandung tobte an den Riffen mit solcher Gewalt, daß
sämmtliche Fahrzeuge der Rhede das hohe Meer zu suchen genöthigt waren.
Tausende von Pilgern, die sich, zur Einschiffung bereit, am Landungsplatz
versammelt hatten, wurden dadurch gezwungen, die Nacht auf der Straße zu¬
zubringen, wo die Regenschauer, die gegen Morgen herabranschten. ihnen den
Aufenthalt unangenehm genug gemacht haben mögen.

Um Mittag des nächsten Tages war es noch ungewiß, ob wir die erforder¬
lichen Thiere zur Reise bekommen würden, und ich begann jetzt ernstlich un¬
geduldig zu werden. Der Orient ist die Welt der UnPünktlichkeit, der Lässig-
keit und Ungewißheit. Stets hat man zu befürchten, daß man sein Ziel aus
kleinlichen Ursachen nicht erreicht. So begrüßte ich die Meldung, daß die
Kameele und Pferde cndlick eingetroffen seien, als Erlösungsbotschaft, eilte
"c>es dem Sammelplatz unsrer Karavane. bestieg meinen Gaul und war, nach¬
dem ich mit den Uebrigen glücklich durch die knietiefen Kothlachen des Bazars
klänge, endlich wirklich und wahrhaftig auf dem Wege nach Jerusalem.
Unsere Reisegesellschaft glich der vom vorigen Nachmittag, nur war sie um ein
Maulthier, welches in einem mit buntem Kattun überspannten Tragsessel die
Gemahlin, das Kindermädchen und die Tochter des Herrn von Pizzamcmo
W>g. und um ein Eselein. auf dem die Schwester saß. vermehrt. Voran ritten
die Kawaschen mit den Silbcrstäben. dann ein Theil der Herren von gestern,
'"it Flinten und Pistolen bewaffnet, hierauf die Damen, zuletzt als Nachtrab
^e übrigen Männer. Als wir über die Gärten hinauskamen, schloß sich uns
"user Wirth vom vergangnen Tage mit seinen beiden Kawaschen an. Die
Kcimeele mit dem Gepäck hatten einen bequemern Weg eingeschlagen.

Noch im Bereich der Gurten passirten wir ein Grabmal von weißem Ge-
stein mit mehren kleinen Kuppeln, und weiter hin trafen wir aus ein zweites
"lreres. welches die Gebeine des Pascha Abu Nabud einschließt und mit einem
Irinnen lebendigen Wassers, der aus seiner Seite springt, an die schöne
Sitte des Sarazenenlandes erinnert, auch im Tode dem Wanderer gastfrei
""d hilfreich zu sein. Dann betraten wir die große Ebne Saron. die sich


"is wir. des Gezänks überdrüssig, uns in den Garten begaben, folgte er uns
"ach und erfüllte die Luft mit Toben und Schelten gegen unsern Wirth, den
jetzt für die Prügelsucht des Kawaschen verantwortlich zu machen schien.
Ein letzter Versuch, die Streitenden zu beruhigen, wurde von dem Popen ge-
'"acht, und es war, als sollte er von Erfolg sein. Die Parteien umarmten
und küßten sich. Aber schon im nächsten Augenblick runzelte Chowadschi Jssa
so hieß der zornmüthige Nachbar — von neuem die Stirn, und wir ent¬
gingen einem neuen Gewitter seines Grimms nur dadurch, daß wir uns rasch
»u Pferde setzten und das Gehöft verließen.

Als wir nach Hause ritten, wehte der Wind mit großer Heftigkeit vom
Meere her. und die Brandung tobte an den Riffen mit solcher Gewalt, daß
sämmtliche Fahrzeuge der Rhede das hohe Meer zu suchen genöthigt waren.
Tausende von Pilgern, die sich, zur Einschiffung bereit, am Landungsplatz
versammelt hatten, wurden dadurch gezwungen, die Nacht auf der Straße zu¬
zubringen, wo die Regenschauer, die gegen Morgen herabranschten. ihnen den
Aufenthalt unangenehm genug gemacht haben mögen.

Um Mittag des nächsten Tages war es noch ungewiß, ob wir die erforder¬
lichen Thiere zur Reise bekommen würden, und ich begann jetzt ernstlich un¬
geduldig zu werden. Der Orient ist die Welt der UnPünktlichkeit, der Lässig-
keit und Ungewißheit. Stets hat man zu befürchten, daß man sein Ziel aus
kleinlichen Ursachen nicht erreicht. So begrüßte ich die Meldung, daß die
Kameele und Pferde cndlick eingetroffen seien, als Erlösungsbotschaft, eilte
"c>es dem Sammelplatz unsrer Karavane. bestieg meinen Gaul und war, nach¬
dem ich mit den Uebrigen glücklich durch die knietiefen Kothlachen des Bazars
klänge, endlich wirklich und wahrhaftig auf dem Wege nach Jerusalem.
Unsere Reisegesellschaft glich der vom vorigen Nachmittag, nur war sie um ein
Maulthier, welches in einem mit buntem Kattun überspannten Tragsessel die
Gemahlin, das Kindermädchen und die Tochter des Herrn von Pizzamcmo
W>g. und um ein Eselein. auf dem die Schwester saß. vermehrt. Voran ritten
die Kawaschen mit den Silbcrstäben. dann ein Theil der Herren von gestern,
'"it Flinten und Pistolen bewaffnet, hierauf die Damen, zuletzt als Nachtrab
^e übrigen Männer. Als wir über die Gärten hinauskamen, schloß sich uns
"user Wirth vom vergangnen Tage mit seinen beiden Kawaschen an. Die
Kcimeele mit dem Gepäck hatten einen bequemern Weg eingeschlagen.

Noch im Bereich der Gurten passirten wir ein Grabmal von weißem Ge-
stein mit mehren kleinen Kuppeln, und weiter hin trafen wir aus ein zweites
"lreres. welches die Gebeine des Pascha Abu Nabud einschließt und mit einem
Irinnen lebendigen Wassers, der aus seiner Seite springt, an die schöne
Sitte des Sarazenenlandes erinnert, auch im Tode dem Wanderer gastfrei
""d hilfreich zu sein. Dann betraten wir die große Ebne Saron. die sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/267>, abgerufen am 23.07.2024.