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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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tiefen Gassen und Höfen, ihren ungetünchten Kalkquadermauern!, ihren war¬
men Farben und ihren brennenden, blendenden Lichtern. Hier und da schwoll
eine Weiße Kuppel aus dem grauen Würfel heraus, den hier jedes Haus dar¬
stellt. Da und dort hingen an den Mauern fchrankartige Maschrebijeh, Er¬
ker von geschnitztem Gitterwerk, roth oder blau angestrichen. In einiger Ent-
sermmg war der oberste Stock eines Hauses- zu eurer offnen Spitzbogenhalle
durchbrochen. In die Brüstungen der platten Dächer sah ich musterartig über¬
einander gelegte Röhren eingelassen, deren Mündungen, Reihen von Dreiecken
bildend, den Luftzug vermitteln und zugleich als Taubenwohnungen dienen.
Mitten in dem starren Gemäuer erhob sich aus einem Hofe eine Palme mit
^)rer grünen schwankenden Federkrone, und aus einigen Wänden wuchs blü¬
hendes Strauchwerk hervor.

Auf den Dächern gingen Frauen hin und her, um Wäsche zum Trocknen
aufzuhängen. Auf dem einen stieg von einem flackernden Kochseuer eine blaue
Rauchsäule empor. Aus einem andern flocht unter einem schwarzen Zelt ein
Gauner Turbanträger Bastkörbe. Auf einem dritten konnte man die anmu¬
tige Einfalt von Tauben und die Keckheit von Sperlingen studiren. Wieder
"uf einem andern strich mit leisem Tritt und wedelndem Schwanz eine Katze
^n, um den Mausen aufzulauern, die hier im Mondschein ihre Tänze auf¬
führen.

Aus den Gassen und Höfen in der Tiefe scholl das betäubende Stimmen-
Keroirr arabischer Städte herauf: gellendes Kindergeschrei, näselnder Gesang,
wildes Aufjauchzen, Gekreisch junger, Gekrächz alter Weiber, rauhtönende
Rufe Männern, dazwischen das Uaha von geprügelten Eseln, das Wie-
se>n von Hengsten und das weithinschallende Gebrüll ankommender Kameel-
^ravanen.

Am Nachmittag machte ich einen Ausflug durch und um die Stadt,
^uffa hat über 10,000 Einwohner, die außer den Mönchen der drei Klöster,
einigen Familien griechischer und arabischer Christen und gegen 400 Juden
^Amtlich Mohammedaner sind. Der Handel ist unbedeutend, dagegen wirst
Anbau von Citronen- und Orangengärten jährlich beträchtliche Summen
"b, und nicht unerheblich soll die Production der hiesigen Gerbereien und
Seifenfabriken sein. Der Bazar ist ziemlich lebhaft. Um die Landseite laufen
Festungswerke, die indeß keinen Sturm aushalten: der Graben ist trocken,
^e Mauer zum Theil verfallen, aus den Schießscharten blickt da und dort eine
^ferne, mit Grünspan überlaufene Kanone, verlegen, als ob sie nicht wüßte,
°b sie noch losgehen würde. Da Jaffa in der Bibel wiederholt erwähnt wird,
hat "s die Mönchsphantasie auch mit heiligen Alterthümern ausgestattet. In
^ Kapelle des Franciscanerklosters sehen gläubige Pilger das Haus des
Berbers Simon, bei dem Petrus einige Zeit wohnte, in einigen Trümmern


tiefen Gassen und Höfen, ihren ungetünchten Kalkquadermauern!, ihren war¬
men Farben und ihren brennenden, blendenden Lichtern. Hier und da schwoll
eine Weiße Kuppel aus dem grauen Würfel heraus, den hier jedes Haus dar¬
stellt. Da und dort hingen an den Mauern fchrankartige Maschrebijeh, Er¬
ker von geschnitztem Gitterwerk, roth oder blau angestrichen. In einiger Ent-
sermmg war der oberste Stock eines Hauses- zu eurer offnen Spitzbogenhalle
durchbrochen. In die Brüstungen der platten Dächer sah ich musterartig über¬
einander gelegte Röhren eingelassen, deren Mündungen, Reihen von Dreiecken
bildend, den Luftzug vermitteln und zugleich als Taubenwohnungen dienen.
Mitten in dem starren Gemäuer erhob sich aus einem Hofe eine Palme mit
^)rer grünen schwankenden Federkrone, und aus einigen Wänden wuchs blü¬
hendes Strauchwerk hervor.

Auf den Dächern gingen Frauen hin und her, um Wäsche zum Trocknen
aufzuhängen. Auf dem einen stieg von einem flackernden Kochseuer eine blaue
Rauchsäule empor. Aus einem andern flocht unter einem schwarzen Zelt ein
Gauner Turbanträger Bastkörbe. Auf einem dritten konnte man die anmu¬
tige Einfalt von Tauben und die Keckheit von Sperlingen studiren. Wieder
"uf einem andern strich mit leisem Tritt und wedelndem Schwanz eine Katze
^n, um den Mausen aufzulauern, die hier im Mondschein ihre Tänze auf¬
führen.

Aus den Gassen und Höfen in der Tiefe scholl das betäubende Stimmen-
Keroirr arabischer Städte herauf: gellendes Kindergeschrei, näselnder Gesang,
wildes Aufjauchzen, Gekreisch junger, Gekrächz alter Weiber, rauhtönende
Rufe Männern, dazwischen das Uaha von geprügelten Eseln, das Wie-
se>n von Hengsten und das weithinschallende Gebrüll ankommender Kameel-
^ravanen.

Am Nachmittag machte ich einen Ausflug durch und um die Stadt,
^uffa hat über 10,000 Einwohner, die außer den Mönchen der drei Klöster,
einigen Familien griechischer und arabischer Christen und gegen 400 Juden
^Amtlich Mohammedaner sind. Der Handel ist unbedeutend, dagegen wirst
Anbau von Citronen- und Orangengärten jährlich beträchtliche Summen
"b, und nicht unerheblich soll die Production der hiesigen Gerbereien und
Seifenfabriken sein. Der Bazar ist ziemlich lebhaft. Um die Landseite laufen
Festungswerke, die indeß keinen Sturm aushalten: der Graben ist trocken,
^e Mauer zum Theil verfallen, aus den Schießscharten blickt da und dort eine
^ferne, mit Grünspan überlaufene Kanone, verlegen, als ob sie nicht wüßte,
°b sie noch losgehen würde. Da Jaffa in der Bibel wiederholt erwähnt wird,
hat «s die Mönchsphantasie auch mit heiligen Alterthümern ausgestattet. In
^ Kapelle des Franciscanerklosters sehen gläubige Pilger das Haus des
Berbers Simon, bei dem Petrus einige Zeit wohnte, in einigen Trümmern


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[0261] tiefen Gassen und Höfen, ihren ungetünchten Kalkquadermauern!, ihren war¬ men Farben und ihren brennenden, blendenden Lichtern. Hier und da schwoll eine Weiße Kuppel aus dem grauen Würfel heraus, den hier jedes Haus dar¬ stellt. Da und dort hingen an den Mauern fchrankartige Maschrebijeh, Er¬ ker von geschnitztem Gitterwerk, roth oder blau angestrichen. In einiger Ent- sermmg war der oberste Stock eines Hauses- zu eurer offnen Spitzbogenhalle durchbrochen. In die Brüstungen der platten Dächer sah ich musterartig über¬ einander gelegte Röhren eingelassen, deren Mündungen, Reihen von Dreiecken bildend, den Luftzug vermitteln und zugleich als Taubenwohnungen dienen. Mitten in dem starren Gemäuer erhob sich aus einem Hofe eine Palme mit ^)rer grünen schwankenden Federkrone, und aus einigen Wänden wuchs blü¬ hendes Strauchwerk hervor. Auf den Dächern gingen Frauen hin und her, um Wäsche zum Trocknen aufzuhängen. Auf dem einen stieg von einem flackernden Kochseuer eine blaue Rauchsäule empor. Aus einem andern flocht unter einem schwarzen Zelt ein Gauner Turbanträger Bastkörbe. Auf einem dritten konnte man die anmu¬ tige Einfalt von Tauben und die Keckheit von Sperlingen studiren. Wieder "uf einem andern strich mit leisem Tritt und wedelndem Schwanz eine Katze ^n, um den Mausen aufzulauern, die hier im Mondschein ihre Tänze auf¬ führen. Aus den Gassen und Höfen in der Tiefe scholl das betäubende Stimmen- Keroirr arabischer Städte herauf: gellendes Kindergeschrei, näselnder Gesang, wildes Aufjauchzen, Gekreisch junger, Gekrächz alter Weiber, rauhtönende Rufe Männern, dazwischen das Uaha von geprügelten Eseln, das Wie- se>n von Hengsten und das weithinschallende Gebrüll ankommender Kameel- ^ravanen. Am Nachmittag machte ich einen Ausflug durch und um die Stadt, ^uffa hat über 10,000 Einwohner, die außer den Mönchen der drei Klöster, einigen Familien griechischer und arabischer Christen und gegen 400 Juden ^Amtlich Mohammedaner sind. Der Handel ist unbedeutend, dagegen wirst Anbau von Citronen- und Orangengärten jährlich beträchtliche Summen "b, und nicht unerheblich soll die Production der hiesigen Gerbereien und Seifenfabriken sein. Der Bazar ist ziemlich lebhaft. Um die Landseite laufen Festungswerke, die indeß keinen Sturm aushalten: der Graben ist trocken, ^e Mauer zum Theil verfallen, aus den Schießscharten blickt da und dort eine ^ferne, mit Grünspan überlaufene Kanone, verlegen, als ob sie nicht wüßte, °b sie noch losgehen würde. Da Jaffa in der Bibel wiederholt erwähnt wird, hat «s die Mönchsphantasie auch mit heiligen Alterthümern ausgestattet. In ^ Kapelle des Franciscanerklosters sehen gläubige Pilger das Haus des Berbers Simon, bei dem Petrus einige Zeit wohnte, in einigen Trümmern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/261>, abgerufen am 23.07.2024.