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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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verzagter Gewissenhaftigkeit beschäftigt gewesen, sich mit den Ständen zu ver¬
ständigen. Das Land wird dieser sieben Jahre der Verständigung immer ge¬
denken. Unter dem deutschen Bundesschutz wurde darauf hingearbeitet, die
Stände zur Annahme der Verfassung zu bringen, Auflösung der Kammern,
Ausschließung derjenigen Mitglieder, welche anderer Meinung waren, Criminal-
procefse und der ganze Apparat, der Hassenpflngs juristischem Talent im
gesetzlichen Sinn zu Gebote stand, ermüdeten die Stunde sieben Jahre lang
bis zur Erschöpfung. Das Ergebniß war, daß die zweite Kammer fast alles
zugab, und daß drei bis vier finanzielle Punkte schließlich noch von der ersten
Kammer verworfen wurden.

Die Verständigung ist also in Betreff dieser Finanzfragen und einer gro¬
ßen Reihe unbedeutender Punkte nicht erfolgt. Die kurhessische Regierung hat
endlich am 15. Juli 1858 angezeigt, daß es mit der Verständigung vorbei
sei. und die Bundesversammlung hat nun die Aufgabe, sich in eine Verfas¬
sung gebende zu verwandeln und das definitive Erkenntniß zu geben.

Der Bundesausschuß berichtete am 28. vorigen Monats, und lo
October wird der Beschluß gesaßt werden. Wehe dem Lande, wenn der Be¬
schluß dem Antrag entspricht, denn, wie verlautet, ist das Wesentlichste im
Antrag des Bundesausschusses, daß der Ausschuß von dem Princip ausgeht,
alle diejenigen Bestimmungen der Verfassung von 1852, "welche durch loyale
Verständigung von Regierung und Stünden bereits endgiltig festgestellt sind,"
seien von der Revision durch den Bundestag auszuscheiden. Der Bund so^
also die siebenjährigen Quälereien der Hassenpflug. Vilmnr, und wie diese
Herren sonst alle heißen, sanctioniren. die durch endlose Polizeiwillkür erzwungene
Einwilligung der Stände wird als genügend betrachtet, um ohne Untersuchung
ein definitives Recht anzunehmen.

Der Ausschuß des Bundes -- der badische Gesandte v. Marschall ist
dem Vernehmen nach Berichterstatter -- betrachtet dies als abgemachte Sache-
der Bundestag hat sich also nur mit denjenigen Bestimmungen zu beschäftigen,
welche die Regierung zu unbedeutend erachtete, um deshalb in die Stände noch
weiter zu dringen, oder in welchen die Stände voraussichtlich nicht zur Nach'
giebigkeit zu bringen waren.

Der Ausschuß hat also nur über diese Bestimmungen seine Meinung
ausgesprochen. Wie verlautet, hat er bald der Regierung, bald den Stän¬
den Recht gegeben, bald keinem von beiden. Die meisten noch streitigen Punkte
sind von einer merkwürdigen Unbedeutendheit, zum Theil Redactionssragen-
'

Jn den oben bezeichneten wichtigen finanziellen Fragen hat im Weftnt
lichen die Negierung Recht bekommen, namentlich in Betreff des Steuer-
bewilligungsrechtcs. Die Stände hatten hier schon das Möglichste geleistet,
sie hatten auf das periodische Steuerbewilligungsrecht verzichtet, nur neue


verzagter Gewissenhaftigkeit beschäftigt gewesen, sich mit den Ständen zu ver¬
ständigen. Das Land wird dieser sieben Jahre der Verständigung immer ge¬
denken. Unter dem deutschen Bundesschutz wurde darauf hingearbeitet, die
Stände zur Annahme der Verfassung zu bringen, Auflösung der Kammern,
Ausschließung derjenigen Mitglieder, welche anderer Meinung waren, Criminal-
procefse und der ganze Apparat, der Hassenpflngs juristischem Talent im
gesetzlichen Sinn zu Gebote stand, ermüdeten die Stunde sieben Jahre lang
bis zur Erschöpfung. Das Ergebniß war, daß die zweite Kammer fast alles
zugab, und daß drei bis vier finanzielle Punkte schließlich noch von der ersten
Kammer verworfen wurden.

Die Verständigung ist also in Betreff dieser Finanzfragen und einer gro¬
ßen Reihe unbedeutender Punkte nicht erfolgt. Die kurhessische Regierung hat
endlich am 15. Juli 1858 angezeigt, daß es mit der Verständigung vorbei
sei. und die Bundesversammlung hat nun die Aufgabe, sich in eine Verfas¬
sung gebende zu verwandeln und das definitive Erkenntniß zu geben.

Der Bundesausschuß berichtete am 28. vorigen Monats, und lo
October wird der Beschluß gesaßt werden. Wehe dem Lande, wenn der Be¬
schluß dem Antrag entspricht, denn, wie verlautet, ist das Wesentlichste im
Antrag des Bundesausschusses, daß der Ausschuß von dem Princip ausgeht,
alle diejenigen Bestimmungen der Verfassung von 1852, „welche durch loyale
Verständigung von Regierung und Stünden bereits endgiltig festgestellt sind,"
seien von der Revision durch den Bundestag auszuscheiden. Der Bund so^
also die siebenjährigen Quälereien der Hassenpflug. Vilmnr, und wie diese
Herren sonst alle heißen, sanctioniren. die durch endlose Polizeiwillkür erzwungene
Einwilligung der Stände wird als genügend betrachtet, um ohne Untersuchung
ein definitives Recht anzunehmen.

Der Ausschuß des Bundes — der badische Gesandte v. Marschall ist
dem Vernehmen nach Berichterstatter — betrachtet dies als abgemachte Sache-
der Bundestag hat sich also nur mit denjenigen Bestimmungen zu beschäftigen,
welche die Regierung zu unbedeutend erachtete, um deshalb in die Stände noch
weiter zu dringen, oder in welchen die Stände voraussichtlich nicht zur Nach'
giebigkeit zu bringen waren.

Der Ausschuß hat also nur über diese Bestimmungen seine Meinung
ausgesprochen. Wie verlautet, hat er bald der Regierung, bald den Stän¬
den Recht gegeben, bald keinem von beiden. Die meisten noch streitigen Punkte
sind von einer merkwürdigen Unbedeutendheit, zum Theil Redactionssragen-
'

Jn den oben bezeichneten wichtigen finanziellen Fragen hat im Weftnt
lichen die Negierung Recht bekommen, namentlich in Betreff des Steuer-
bewilligungsrechtcs. Die Stände hatten hier schon das Möglichste geleistet,
sie hatten auf das periodische Steuerbewilligungsrecht verzichtet, nur neue


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[0256] verzagter Gewissenhaftigkeit beschäftigt gewesen, sich mit den Ständen zu ver¬ ständigen. Das Land wird dieser sieben Jahre der Verständigung immer ge¬ denken. Unter dem deutschen Bundesschutz wurde darauf hingearbeitet, die Stände zur Annahme der Verfassung zu bringen, Auflösung der Kammern, Ausschließung derjenigen Mitglieder, welche anderer Meinung waren, Criminal- procefse und der ganze Apparat, der Hassenpflngs juristischem Talent im gesetzlichen Sinn zu Gebote stand, ermüdeten die Stunde sieben Jahre lang bis zur Erschöpfung. Das Ergebniß war, daß die zweite Kammer fast alles zugab, und daß drei bis vier finanzielle Punkte schließlich noch von der ersten Kammer verworfen wurden. Die Verständigung ist also in Betreff dieser Finanzfragen und einer gro¬ ßen Reihe unbedeutender Punkte nicht erfolgt. Die kurhessische Regierung hat endlich am 15. Juli 1858 angezeigt, daß es mit der Verständigung vorbei sei. und die Bundesversammlung hat nun die Aufgabe, sich in eine Verfas¬ sung gebende zu verwandeln und das definitive Erkenntniß zu geben. Der Bundesausschuß berichtete am 28. vorigen Monats, und lo October wird der Beschluß gesaßt werden. Wehe dem Lande, wenn der Be¬ schluß dem Antrag entspricht, denn, wie verlautet, ist das Wesentlichste im Antrag des Bundesausschusses, daß der Ausschuß von dem Princip ausgeht, alle diejenigen Bestimmungen der Verfassung von 1852, „welche durch loyale Verständigung von Regierung und Stünden bereits endgiltig festgestellt sind," seien von der Revision durch den Bundestag auszuscheiden. Der Bund so^ also die siebenjährigen Quälereien der Hassenpflug. Vilmnr, und wie diese Herren sonst alle heißen, sanctioniren. die durch endlose Polizeiwillkür erzwungene Einwilligung der Stände wird als genügend betrachtet, um ohne Untersuchung ein definitives Recht anzunehmen. Der Ausschuß des Bundes — der badische Gesandte v. Marschall ist dem Vernehmen nach Berichterstatter — betrachtet dies als abgemachte Sache- der Bundestag hat sich also nur mit denjenigen Bestimmungen zu beschäftigen, welche die Regierung zu unbedeutend erachtete, um deshalb in die Stände noch weiter zu dringen, oder in welchen die Stände voraussichtlich nicht zur Nach' giebigkeit zu bringen waren. Der Ausschuß hat also nur über diese Bestimmungen seine Meinung ausgesprochen. Wie verlautet, hat er bald der Regierung, bald den Stän¬ den Recht gegeben, bald keinem von beiden. Die meisten noch streitigen Punkte sind von einer merkwürdigen Unbedeutendheit, zum Theil Redactionssragen- ' Jn den oben bezeichneten wichtigen finanziellen Fragen hat im Weftnt lichen die Negierung Recht bekommen, namentlich in Betreff des Steuer- bewilligungsrechtcs. Die Stände hatten hier schon das Möglichste geleistet, sie hatten auf das periodische Steuerbewilligungsrecht verzichtet, nur neue

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/256>, abgerufen am 22.07.2024.