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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Pressenbuchdruck wetteifert, hat Chemnitz an Berlin und Eilenburg sehr gefähr¬
liche Mitbewerber, welche ihm den Baumwollendruck zum großen Theil ent¬
rissen haben. In gewissen Artikeln arbeitet jedoch Chemnitz noch immer
schwunghaft. Der Wolldruck hat seit mehren Jahren einen beträchtlichen Auf¬
schwung genommen. Für baumwollene und wollene Waaren hat Chcmuii,'
drei, für reine Wollenwaaren vier größere und zehn kleinere Druckereien.

Gleich wie in der Baumwollenindustrie hat Chemnitz auch in einem zwei¬
ten wichtigen Industriezweige, der hier für Sachsen zuerst Wurzel schlug, den
Vorrang im engern Vaterlande, nämlich in der Maschinenfabrikation. Der
große Bedarf der Umgegend an Spinn- und Webmaschinen mußte die CheM-
nitzer anreizen, die Herstellung derselben nicht für immer dem Ausland zu
überlassen. Die Anfänge der jungen Industrie sielen in eine ungünstige Zeit,
wo die Baumwollengewerbe flau gingen, und waren eher abschreckend als
ermuthigend. Um so größere Ehre macht es dem Talent und der Beharr¬
lichkeit der nicht mit großen Capitalien versehenen Unternehmer, daß sie die
junge schwache Pflanze zum kräftigen Baum erzogen. Chemnitz hat jetzt außer
22 kleineren 6 große Maschinenbananstalten. Die Zahl der Arbeiter seel^
bei voller Beschäftigung über 4000. Die größte und vielseitigste Anstalt ist
die des Herrn Hartmann.

Zur Hartmannschcn Fabrik zeigt dem Fremden jeder Chemnitzer den Weg
mit ebenso viel Heimathstolz, als ein Dresdner nach dem Museum hindeutet"
Selbst der Reisende, der an andern Orten größere Anstalten der Art gesehen-
kann seine Mußestunden nicht nützlicher und angenehmer ausfüllen, als dum
die Besichtigung dieser mit dankenswerther Gefälligkeit zugänglich gemachte"
Fabrik. Tritt man aus den stillen Räumen der Schreibstube oder der Zeichet
Säle in die Arbciterräume, so hat man sast die Empfindung, die ein Adjutant
haben muß, der, aus dem Zelte des Generalissimus hinweggeeilt, zu den r"
heißer Schlacht beschäftigten Batterien tritt. Das wimmelt und arbeitet,
in einem Ameisenhaufen. Jeder verrichtet >nur seine eigne, ganz besondere M
den, in der er sich Meisterschaft erwirbt, unbekümmert um das Geschäft des
Nachbars; und dennoch scheint es, wenn der Zusammensetzer all diese tau¬
senderlei Schrauben, Nägel, Stangen, Bleche, Walzen und Räder zu eine"'
Ganzen verbindet, als Hütte ein einziger Mann alles gearbeitet. In z>^
großen Schmiedesälen sind je achtzig Essen in Glut, und vor je achtzig AM'
boßen schwingen zwei kräftige Arbeiter die Hammer. In den Schuppe
worin die Dampfkessel vermietet und fertig gemacht werden, könnte s'^
ein Seecadett die Ohren für die Breitseitensalven des Kriegsschiffs harten-
Die gewaltigen Krahne der Gießereien führen riesige Löffel voll glutrothcN
Eisens in das Mundloch der Formen. In den Schlvssersälen surren un
sausen allerlei sinnreiche Apparate, welche das Eisen so leicht bearbeite".


Pressenbuchdruck wetteifert, hat Chemnitz an Berlin und Eilenburg sehr gefähr¬
liche Mitbewerber, welche ihm den Baumwollendruck zum großen Theil ent¬
rissen haben. In gewissen Artikeln arbeitet jedoch Chemnitz noch immer
schwunghaft. Der Wolldruck hat seit mehren Jahren einen beträchtlichen Auf¬
schwung genommen. Für baumwollene und wollene Waaren hat Chcmuii,'
drei, für reine Wollenwaaren vier größere und zehn kleinere Druckereien.

Gleich wie in der Baumwollenindustrie hat Chemnitz auch in einem zwei¬
ten wichtigen Industriezweige, der hier für Sachsen zuerst Wurzel schlug, den
Vorrang im engern Vaterlande, nämlich in der Maschinenfabrikation. Der
große Bedarf der Umgegend an Spinn- und Webmaschinen mußte die CheM-
nitzer anreizen, die Herstellung derselben nicht für immer dem Ausland zu
überlassen. Die Anfänge der jungen Industrie sielen in eine ungünstige Zeit,
wo die Baumwollengewerbe flau gingen, und waren eher abschreckend als
ermuthigend. Um so größere Ehre macht es dem Talent und der Beharr¬
lichkeit der nicht mit großen Capitalien versehenen Unternehmer, daß sie die
junge schwache Pflanze zum kräftigen Baum erzogen. Chemnitz hat jetzt außer
22 kleineren 6 große Maschinenbananstalten. Die Zahl der Arbeiter seel^
bei voller Beschäftigung über 4000. Die größte und vielseitigste Anstalt ist
die des Herrn Hartmann.

Zur Hartmannschcn Fabrik zeigt dem Fremden jeder Chemnitzer den Weg
mit ebenso viel Heimathstolz, als ein Dresdner nach dem Museum hindeutet«
Selbst der Reisende, der an andern Orten größere Anstalten der Art gesehen-
kann seine Mußestunden nicht nützlicher und angenehmer ausfüllen, als dum
die Besichtigung dieser mit dankenswerther Gefälligkeit zugänglich gemachte"
Fabrik. Tritt man aus den stillen Räumen der Schreibstube oder der Zeichet
Säle in die Arbciterräume, so hat man sast die Empfindung, die ein Adjutant
haben muß, der, aus dem Zelte des Generalissimus hinweggeeilt, zu den r»
heißer Schlacht beschäftigten Batterien tritt. Das wimmelt und arbeitet,
in einem Ameisenhaufen. Jeder verrichtet >nur seine eigne, ganz besondere M
den, in der er sich Meisterschaft erwirbt, unbekümmert um das Geschäft des
Nachbars; und dennoch scheint es, wenn der Zusammensetzer all diese tau¬
senderlei Schrauben, Nägel, Stangen, Bleche, Walzen und Räder zu eine»'
Ganzen verbindet, als Hütte ein einziger Mann alles gearbeitet. In z>^
großen Schmiedesälen sind je achtzig Essen in Glut, und vor je achtzig AM'
boßen schwingen zwei kräftige Arbeiter die Hammer. In den Schuppe
worin die Dampfkessel vermietet und fertig gemacht werden, könnte s'^
ein Seecadett die Ohren für die Breitseitensalven des Kriegsschiffs harten-
Die gewaltigen Krahne der Gießereien führen riesige Löffel voll glutrothcN
Eisens in das Mundloch der Formen. In den Schlvssersälen surren un
sausen allerlei sinnreiche Apparate, welche das Eisen so leicht bearbeite".


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[0190] Pressenbuchdruck wetteifert, hat Chemnitz an Berlin und Eilenburg sehr gefähr¬ liche Mitbewerber, welche ihm den Baumwollendruck zum großen Theil ent¬ rissen haben. In gewissen Artikeln arbeitet jedoch Chemnitz noch immer schwunghaft. Der Wolldruck hat seit mehren Jahren einen beträchtlichen Auf¬ schwung genommen. Für baumwollene und wollene Waaren hat Chcmuii,' drei, für reine Wollenwaaren vier größere und zehn kleinere Druckereien. Gleich wie in der Baumwollenindustrie hat Chemnitz auch in einem zwei¬ ten wichtigen Industriezweige, der hier für Sachsen zuerst Wurzel schlug, den Vorrang im engern Vaterlande, nämlich in der Maschinenfabrikation. Der große Bedarf der Umgegend an Spinn- und Webmaschinen mußte die CheM- nitzer anreizen, die Herstellung derselben nicht für immer dem Ausland zu überlassen. Die Anfänge der jungen Industrie sielen in eine ungünstige Zeit, wo die Baumwollengewerbe flau gingen, und waren eher abschreckend als ermuthigend. Um so größere Ehre macht es dem Talent und der Beharr¬ lichkeit der nicht mit großen Capitalien versehenen Unternehmer, daß sie die junge schwache Pflanze zum kräftigen Baum erzogen. Chemnitz hat jetzt außer 22 kleineren 6 große Maschinenbananstalten. Die Zahl der Arbeiter seel^ bei voller Beschäftigung über 4000. Die größte und vielseitigste Anstalt ist die des Herrn Hartmann. Zur Hartmannschcn Fabrik zeigt dem Fremden jeder Chemnitzer den Weg mit ebenso viel Heimathstolz, als ein Dresdner nach dem Museum hindeutet« Selbst der Reisende, der an andern Orten größere Anstalten der Art gesehen- kann seine Mußestunden nicht nützlicher und angenehmer ausfüllen, als dum die Besichtigung dieser mit dankenswerther Gefälligkeit zugänglich gemachte" Fabrik. Tritt man aus den stillen Räumen der Schreibstube oder der Zeichet Säle in die Arbciterräume, so hat man sast die Empfindung, die ein Adjutant haben muß, der, aus dem Zelte des Generalissimus hinweggeeilt, zu den r» heißer Schlacht beschäftigten Batterien tritt. Das wimmelt und arbeitet, in einem Ameisenhaufen. Jeder verrichtet >nur seine eigne, ganz besondere M den, in der er sich Meisterschaft erwirbt, unbekümmert um das Geschäft des Nachbars; und dennoch scheint es, wenn der Zusammensetzer all diese tau¬ senderlei Schrauben, Nägel, Stangen, Bleche, Walzen und Räder zu eine»' Ganzen verbindet, als Hütte ein einziger Mann alles gearbeitet. In z>^ großen Schmiedesälen sind je achtzig Essen in Glut, und vor je achtzig AM' boßen schwingen zwei kräftige Arbeiter die Hammer. In den Schuppe worin die Dampfkessel vermietet und fertig gemacht werden, könnte s'^ ein Seecadett die Ohren für die Breitseitensalven des Kriegsschiffs harten- Die gewaltigen Krahne der Gießereien führen riesige Löffel voll glutrothcN Eisens in das Mundloch der Formen. In den Schlvssersälen surren un sausen allerlei sinnreiche Apparate, welche das Eisen so leicht bearbeite".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/190>, abgerufen am 29.12.2024.