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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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färben und drucken. Sachsen zählt nach den neuesten Aufstellungen 135 Spin¬
nereien mit 600,000 Spindeln (mehr als doppelt so viel als Preußen), welche
zwanzig Millionen Pfund Garn, im Gesamnüwerthe von sechs Millionen Thalern
herstellen. Von diesen Spinnereien kommen etwa ^ aus den erzgebirger Be¬
zirk, der Chemnitz als seinen Mittelpunkt anerkennt; die meisten liegen längs
der wasserreichen Zschopau, welche gegen 150,000 Spindeln treibt; der Wilisch-
bach bei Chemnitz dreht 50,000 Spindeln. Etwa V° dieser Anstalten benutzt
neben der unbeständigen Wasserkraft den Dampf als Hilfsalbeiter, ungefähr
V-° derselben braucht den Dampf als alleinige Triebkraft. Manche Spinnfabriken
zählen nur 120, die meisten durchschnittlich 4000, die größten 20--22,000
Spindeln und die letztern beschäftigen an 500 Menschen unter einem Dache"
Die allergrößte wird die noch unvollendete Actienspinncrei werden, deren palast¬
artiges Gebäude sich neben dem Bahnhofe'von Chemnitz erhebt; sie ist auf
50,000 Spindeln berechnet. Den kleinen Anstalten wird es mit der Zeit im¬
mer schwerer werden, mit den großen Schritt zu halten, und es wird sich wol
unter den Fabriken derselbe Kampf erheben, wie zwischen Großbetrieb und
Handwerk. Die Statistiker geben an, daß eine Feinspindel in Sachsen ein
Anlagecapital von fast zehn Thalern und ein Betriebscapital von ungefähr
fünf Thalern erfordere, und daß zur Bedienung von 1000 Spindeln im Mittel
zwanzig Arbeiter und ein Beamter erforderlich seien; ferner daß auf eine Spin'
del 1 Thlr. 18 Ngr. jährliches Salär und Arbeitslohn komme, und daß eine
Feinspindel im Jahre durchschnittlich ein Gespinnst von 9Vs Thlr. liefere!
endlich daß im Jahre 1855/56 die Zahl der bei den Spinnereien angestellten
Beamten 276, die der männlichen Arbeiter 4216, die der weiblichen 477?'
der Knaben 1487, der Mädchen 940 betrug, daß also beim Baumwollespinnen
im Ganzen 11.696 (im Jahre 1846 nur 8320) Menschen beschäftigt waren-
die einen Verdienst von 906,800 Thaler hatten.

Vor der Einführung der Spinnmaschine spannen auf dem Erzgebirg und
im Voigtlande gegen 18,000 Menschen Baumwolle auf Handmaschinen, ^
je zehn bis dreißig Spulen zählten. Die heutige Spinnerei ernährt uralte^
bar fast ebenso viel Menschen, und zwar besser, als die sonstige Handspinnere'-
mittelbar aber dreimal so viel. Möchte es dem beklagenswerthen Erfinder
der vom Pöbel mit Steinwürfen verfolgt wurde und im Armenhause se"^'
möchte es doch dem genialen Hargrave vergönnt sein, sich an dem Anschaut
der Wirkungen seines Strebens zu erfreuen! Die erste Bildsäule, welche Chew'
unz errichtet, sollte ihm geweiht sein.'

Die Löhne der sächsischen Spinner sind, besonders im Vergleich zu Eng
land, nicht hoch. Von 1839--55 betrug der durchschnittliche Wochenlohn eine
Spinners 2 Thlr. 13'/- Ngr., der des Vvrspinners 2 Thlr. 20 Ngr., der Lop


färben und drucken. Sachsen zählt nach den neuesten Aufstellungen 135 Spin¬
nereien mit 600,000 Spindeln (mehr als doppelt so viel als Preußen), welche
zwanzig Millionen Pfund Garn, im Gesamnüwerthe von sechs Millionen Thalern
herstellen. Von diesen Spinnereien kommen etwa ^ aus den erzgebirger Be¬
zirk, der Chemnitz als seinen Mittelpunkt anerkennt; die meisten liegen längs
der wasserreichen Zschopau, welche gegen 150,000 Spindeln treibt; der Wilisch-
bach bei Chemnitz dreht 50,000 Spindeln. Etwa V° dieser Anstalten benutzt
neben der unbeständigen Wasserkraft den Dampf als Hilfsalbeiter, ungefähr
V-° derselben braucht den Dampf als alleinige Triebkraft. Manche Spinnfabriken
zählen nur 120, die meisten durchschnittlich 4000, die größten 20—22,000
Spindeln und die letztern beschäftigen an 500 Menschen unter einem Dache«
Die allergrößte wird die noch unvollendete Actienspinncrei werden, deren palast¬
artiges Gebäude sich neben dem Bahnhofe'von Chemnitz erhebt; sie ist auf
50,000 Spindeln berechnet. Den kleinen Anstalten wird es mit der Zeit im¬
mer schwerer werden, mit den großen Schritt zu halten, und es wird sich wol
unter den Fabriken derselbe Kampf erheben, wie zwischen Großbetrieb und
Handwerk. Die Statistiker geben an, daß eine Feinspindel in Sachsen ein
Anlagecapital von fast zehn Thalern und ein Betriebscapital von ungefähr
fünf Thalern erfordere, und daß zur Bedienung von 1000 Spindeln im Mittel
zwanzig Arbeiter und ein Beamter erforderlich seien; ferner daß auf eine Spin'
del 1 Thlr. 18 Ngr. jährliches Salär und Arbeitslohn komme, und daß eine
Feinspindel im Jahre durchschnittlich ein Gespinnst von 9Vs Thlr. liefere!
endlich daß im Jahre 1855/56 die Zahl der bei den Spinnereien angestellten
Beamten 276, die der männlichen Arbeiter 4216, die der weiblichen 477?'
der Knaben 1487, der Mädchen 940 betrug, daß also beim Baumwollespinnen
im Ganzen 11.696 (im Jahre 1846 nur 8320) Menschen beschäftigt waren-
die einen Verdienst von 906,800 Thaler hatten.

Vor der Einführung der Spinnmaschine spannen auf dem Erzgebirg und
im Voigtlande gegen 18,000 Menschen Baumwolle auf Handmaschinen, ^
je zehn bis dreißig Spulen zählten. Die heutige Spinnerei ernährt uralte^
bar fast ebenso viel Menschen, und zwar besser, als die sonstige Handspinnere'-
mittelbar aber dreimal so viel. Möchte es dem beklagenswerthen Erfinder
der vom Pöbel mit Steinwürfen verfolgt wurde und im Armenhause se"^'
möchte es doch dem genialen Hargrave vergönnt sein, sich an dem Anschaut
der Wirkungen seines Strebens zu erfreuen! Die erste Bildsäule, welche Chew'
unz errichtet, sollte ihm geweiht sein.'

Die Löhne der sächsischen Spinner sind, besonders im Vergleich zu Eng
land, nicht hoch. Von 1839—55 betrug der durchschnittliche Wochenlohn eine
Spinners 2 Thlr. 13'/- Ngr., der des Vvrspinners 2 Thlr. 20 Ngr., der Lop


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/188>, abgerufen am 23.07.2024.