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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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die bergmännische Bevölkerung dieser Gegend auf 60,000 Seelen geschähe, sie
-macht also über ein Achtel der Gesammtbevölkerung. Im frciberger Revier
wohnen allein über achttausend Bergleute. Der Bergmannssohn ergreift in
der Regel den Beruf seines Vaters. Bereits als Kind erfreut er sich einer
Wohlthat der Genossenschaft, welcher er durch die Geburt angehört. Er be¬
kommt in der Knappschaftsschule unentgeltlich Unterricht. Schon früh lernt
das Kind des Bergmanns arbeiten: es sammelt Holz. Beeren und Pilze und
beginnt, oft schon vor dem siebenten Jahre, zu klöppeln. Nachdem es die
Schule hinter sich hat, wird es "Scheidejunge", legt die Standestracht, den
schwarzen Grubenkittel, an, und verdient durch Zerklopfen der Erze mit acht¬
stündiger Arbeit -- "Schicht" --> täglich drei bis vier Neugroschen. Etwas
älter und stärker geworden avcmcirt der angehende Bergmann zum "Gruben¬
jungen", als welcher er bei etwas höherem Lohn "vor Ort" die abgesprengten
Gestcinbrocken wegschafft, bergmännisch "Berge säubert" oder als "Hundejunge"
die Erzstücken in Karren bis an den Fördcrschacht fährt. Ungefähr mit dem
sechzehnten Jahre erklimmt er die dritte Lehrstuse, die des "Ausläufers", als
welcher er entweder auf der Halde Schutt fährt oder bei den Pochwerken oder
auch als Haspelknecht verwendet wird. Die Schicht wird ihm jetzt mit
5,2 Neugroschen bezahlt. Hat der junge Bergmann drei Jahre lang für-
diesen Lohn gearbeitet, so rückt er in die Classe der "Lchrhäuer" oder "Berg¬
knechte" empor und erhält den "Gülden Lohn." Mit dem vierundzwanzigsten
Jahre, bisweilen etwas früher, steht er sich bei fünf Wochenschichtcn auf einen
Thaler; wenn er täglich noch eine "ledige" (d. h. eine überzählige) Schicht
verfährt, bringt er es auf eine Wocheneinnahme von 1 Thlr. 24 Ngr. Das
Abzeichen dieser Rangstufe ist ein im Gürtel steckendes Messer, der "Tscherpcr",
ihre Verrichtung besteht in Losarbeiten der Fels- und Erzmasscn. Als Häuer
dient der Bergmann sieben Jahr. Um sich auf die höchste Stufe, die dew
gemeinen Mann zugänglich ist, emporzuschwingen, hat der Lehrhäuer ein
"Probegeding" zu bestehen. Er muß bei einer mehrwochentlichen "Gebirg"
arbeit" (Accordarbeit) sieben Neugroschen Schichtlohn verdienen. Gelingt ihm
dies, so wird er "Doppclhäuer" oder "Knappe", erhält fortan den Lohn, dessen
er sich bei der Probearbeit würdig gezeigt, und darf als Auszeichnung zwei
Tscherper im Gürtel tragen. Als Knappe verheirathet er sich auch in der
Regel.

Daß für einen solchen Familienvater, der im günstigsten Fall wöchentlich
zwei Thaler.verdient, die strengste Sparsamkeit erforderlich ist, um mit Ehren
zu bestehen, liegt auf der Hand. Er bezahlt jährlich mindestens acht Thaler
Miethe, das Brennholz ist verhältnißmäßig theuer, die Lebensmittel sind mit
Ausnahme der Kartoffeln nicht so wohlfeil wie un Flachland. Ist es irgend
möglich, so sucht sich der Bergmann nach verfahrener Schicht einen Neben'


die bergmännische Bevölkerung dieser Gegend auf 60,000 Seelen geschähe, sie
-macht also über ein Achtel der Gesammtbevölkerung. Im frciberger Revier
wohnen allein über achttausend Bergleute. Der Bergmannssohn ergreift in
der Regel den Beruf seines Vaters. Bereits als Kind erfreut er sich einer
Wohlthat der Genossenschaft, welcher er durch die Geburt angehört. Er be¬
kommt in der Knappschaftsschule unentgeltlich Unterricht. Schon früh lernt
das Kind des Bergmanns arbeiten: es sammelt Holz. Beeren und Pilze und
beginnt, oft schon vor dem siebenten Jahre, zu klöppeln. Nachdem es die
Schule hinter sich hat, wird es „Scheidejunge", legt die Standestracht, den
schwarzen Grubenkittel, an, und verdient durch Zerklopfen der Erze mit acht¬
stündiger Arbeit — „Schicht" —> täglich drei bis vier Neugroschen. Etwas
älter und stärker geworden avcmcirt der angehende Bergmann zum „Gruben¬
jungen", als welcher er bei etwas höherem Lohn „vor Ort" die abgesprengten
Gestcinbrocken wegschafft, bergmännisch „Berge säubert" oder als „Hundejunge"
die Erzstücken in Karren bis an den Fördcrschacht fährt. Ungefähr mit dem
sechzehnten Jahre erklimmt er die dritte Lehrstuse, die des „Ausläufers", als
welcher er entweder auf der Halde Schutt fährt oder bei den Pochwerken oder
auch als Haspelknecht verwendet wird. Die Schicht wird ihm jetzt mit
5,2 Neugroschen bezahlt. Hat der junge Bergmann drei Jahre lang für-
diesen Lohn gearbeitet, so rückt er in die Classe der „Lchrhäuer" oder „Berg¬
knechte" empor und erhält den „Gülden Lohn." Mit dem vierundzwanzigsten
Jahre, bisweilen etwas früher, steht er sich bei fünf Wochenschichtcn auf einen
Thaler; wenn er täglich noch eine „ledige" (d. h. eine überzählige) Schicht
verfährt, bringt er es auf eine Wocheneinnahme von 1 Thlr. 24 Ngr. Das
Abzeichen dieser Rangstufe ist ein im Gürtel steckendes Messer, der „Tscherpcr",
ihre Verrichtung besteht in Losarbeiten der Fels- und Erzmasscn. Als Häuer
dient der Bergmann sieben Jahr. Um sich auf die höchste Stufe, die dew
gemeinen Mann zugänglich ist, emporzuschwingen, hat der Lehrhäuer ein
„Probegeding" zu bestehen. Er muß bei einer mehrwochentlichen „Gebirg"
arbeit" (Accordarbeit) sieben Neugroschen Schichtlohn verdienen. Gelingt ihm
dies, so wird er „Doppclhäuer" oder „Knappe", erhält fortan den Lohn, dessen
er sich bei der Probearbeit würdig gezeigt, und darf als Auszeichnung zwei
Tscherper im Gürtel tragen. Als Knappe verheirathet er sich auch in der
Regel.

Daß für einen solchen Familienvater, der im günstigsten Fall wöchentlich
zwei Thaler.verdient, die strengste Sparsamkeit erforderlich ist, um mit Ehren
zu bestehen, liegt auf der Hand. Er bezahlt jährlich mindestens acht Thaler
Miethe, das Brennholz ist verhältnißmäßig theuer, die Lebensmittel sind mit
Ausnahme der Kartoffeln nicht so wohlfeil wie un Flachland. Ist es irgend
möglich, so sucht sich der Bergmann nach verfahrener Schicht einen Neben'


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[0162] die bergmännische Bevölkerung dieser Gegend auf 60,000 Seelen geschähe, sie -macht also über ein Achtel der Gesammtbevölkerung. Im frciberger Revier wohnen allein über achttausend Bergleute. Der Bergmannssohn ergreift in der Regel den Beruf seines Vaters. Bereits als Kind erfreut er sich einer Wohlthat der Genossenschaft, welcher er durch die Geburt angehört. Er be¬ kommt in der Knappschaftsschule unentgeltlich Unterricht. Schon früh lernt das Kind des Bergmanns arbeiten: es sammelt Holz. Beeren und Pilze und beginnt, oft schon vor dem siebenten Jahre, zu klöppeln. Nachdem es die Schule hinter sich hat, wird es „Scheidejunge", legt die Standestracht, den schwarzen Grubenkittel, an, und verdient durch Zerklopfen der Erze mit acht¬ stündiger Arbeit — „Schicht" —> täglich drei bis vier Neugroschen. Etwas älter und stärker geworden avcmcirt der angehende Bergmann zum „Gruben¬ jungen", als welcher er bei etwas höherem Lohn „vor Ort" die abgesprengten Gestcinbrocken wegschafft, bergmännisch „Berge säubert" oder als „Hundejunge" die Erzstücken in Karren bis an den Fördcrschacht fährt. Ungefähr mit dem sechzehnten Jahre erklimmt er die dritte Lehrstuse, die des „Ausläufers", als welcher er entweder auf der Halde Schutt fährt oder bei den Pochwerken oder auch als Haspelknecht verwendet wird. Die Schicht wird ihm jetzt mit 5,2 Neugroschen bezahlt. Hat der junge Bergmann drei Jahre lang für- diesen Lohn gearbeitet, so rückt er in die Classe der „Lchrhäuer" oder „Berg¬ knechte" empor und erhält den „Gülden Lohn." Mit dem vierundzwanzigsten Jahre, bisweilen etwas früher, steht er sich bei fünf Wochenschichtcn auf einen Thaler; wenn er täglich noch eine „ledige" (d. h. eine überzählige) Schicht verfährt, bringt er es auf eine Wocheneinnahme von 1 Thlr. 24 Ngr. Das Abzeichen dieser Rangstufe ist ein im Gürtel steckendes Messer, der „Tscherpcr", ihre Verrichtung besteht in Losarbeiten der Fels- und Erzmasscn. Als Häuer dient der Bergmann sieben Jahr. Um sich auf die höchste Stufe, die dew gemeinen Mann zugänglich ist, emporzuschwingen, hat der Lehrhäuer ein „Probegeding" zu bestehen. Er muß bei einer mehrwochentlichen „Gebirg" arbeit" (Accordarbeit) sieben Neugroschen Schichtlohn verdienen. Gelingt ihm dies, so wird er „Doppclhäuer" oder „Knappe", erhält fortan den Lohn, dessen er sich bei der Probearbeit würdig gezeigt, und darf als Auszeichnung zwei Tscherper im Gürtel tragen. Als Knappe verheirathet er sich auch in der Regel. Daß für einen solchen Familienvater, der im günstigsten Fall wöchentlich zwei Thaler.verdient, die strengste Sparsamkeit erforderlich ist, um mit Ehren zu bestehen, liegt auf der Hand. Er bezahlt jährlich mindestens acht Thaler Miethe, das Brennholz ist verhältnißmäßig theuer, die Lebensmittel sind mit Ausnahme der Kartoffeln nicht so wohlfeil wie un Flachland. Ist es irgend möglich, so sucht sich der Bergmann nach verfahrener Schicht einen Neben'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/162>, abgerufen am 25.08.2024.