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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Freilich hatten sich im Laufe des 23. wieder östreichische Detachcments am
rechten Ufer des Mincio gezeigt; aber, wie es im officiellen französischen Rap¬
port nicht ohne einen Anflug von Spott heißt, Napoleon meinte, das bedeute
nichts weiter als eine der zahlreichen Recognoscirungen, welche die Oestreicher
zu ihrer Sicherung so häusig zu machen pflegen. In der That, nachdem ein¬
mal die Oestreicher in den Schirm ihrer Festungen zurückgegangen waren,
mußte man annehmen, daß sie dies gethan hätten, um alle Vortheile der
Etsch-Minciogruppe auszunutzen. Dies konnten sie aber nicht wol an¬
ders, als wenn sie dem Feinde die Initiative überließen, um erst, sobald
diese sich ausgesprochen hätte, einen offensiven Gegenschlag zu thun. Doch,
wie sich herausstellte, hatten die Oestreicher vorausgesetzt, daß erst ein Theil
der Verbündeten am linken Ufer des Chiese sei und gehofft, diesen vereinzelt
schlagen und zurückwerfen zu können.

Die Positionen der Verbündeten, aus denen die einzelnen Corps am 24.
Morgens gegen den Mincio aufbrachen, lagen auf der Linie Mezzane (dieses
allein, wo das dritte Corps stand, noch am rechten Ufer des Chiese), Carpe-
nedolo, Esenta, Desenzano.

Der Befehl sagte, daß Ccmrobert auf Medole. Niet auf Guidizzolo, Mac
Mahon auf Capriana, Baraguay d'Hilliers auf Solferino, der König Victor
Emanuel in zwei Colonnen auf Pozzolengo und Peschiera marschire; dieser
ersten Linie sollte die Garde nebst zwei Linienreitcrdivisionen als Reserve von
Montechiaro, wo sich am 23. Napoleons Hauptquartier befand, auf Castig-
lione folgen.

Die ganze Entwickelungslinie, von Medole bis zum Gardasee, wie sie
ursprünglich im Plane lag, betrug 2V" deutsche Meilen oder etwa 23,000
Schritte; die französische Armee wird man zu einer Stärke von etwa 130,000,
die piemontesische zu 50,000 M. anschlagen können.

Baraguay d'Hilliers war mit seinem Corps wenig über Castiglione
delle Riviere hinausgekommen, als er auf den Feind stieß. Es war fünf
Uhr Morgens. Das Gefecht begann sogleich. Nur allmülig konnte Baraguay
gegen Solferino hin Terrain gewinnen; obgleich ihm augenblicklich nur die
Vortruppen, wahrscheinlich des fünften östreichischen Corps, gegenüberstanden,
war doch auch seine Colonne noch nicht zum Gefecht entwickelt.

Napoleon hörte zu Montechiaro den Kanonendonner in der Richtung von
Castiglione.

Er begab sich sofort dahin. Hier erhielt er verschiedene Berichte: der
Kampf war nach denselben auf der ganzen Linie entbrannt und auf einer viel
größeren Ausdehnung als er ursprünglich vermuthet.

Die Oestreicher waren mit ihrer ganzen durch Einziehung der Besatzungen
aus den aufgegebenen Festungen und Heranziehung neuer Truppen verstärkten


Freilich hatten sich im Laufe des 23. wieder östreichische Detachcments am
rechten Ufer des Mincio gezeigt; aber, wie es im officiellen französischen Rap¬
port nicht ohne einen Anflug von Spott heißt, Napoleon meinte, das bedeute
nichts weiter als eine der zahlreichen Recognoscirungen, welche die Oestreicher
zu ihrer Sicherung so häusig zu machen pflegen. In der That, nachdem ein¬
mal die Oestreicher in den Schirm ihrer Festungen zurückgegangen waren,
mußte man annehmen, daß sie dies gethan hätten, um alle Vortheile der
Etsch-Minciogruppe auszunutzen. Dies konnten sie aber nicht wol an¬
ders, als wenn sie dem Feinde die Initiative überließen, um erst, sobald
diese sich ausgesprochen hätte, einen offensiven Gegenschlag zu thun. Doch,
wie sich herausstellte, hatten die Oestreicher vorausgesetzt, daß erst ein Theil
der Verbündeten am linken Ufer des Chiese sei und gehofft, diesen vereinzelt
schlagen und zurückwerfen zu können.

Die Positionen der Verbündeten, aus denen die einzelnen Corps am 24.
Morgens gegen den Mincio aufbrachen, lagen auf der Linie Mezzane (dieses
allein, wo das dritte Corps stand, noch am rechten Ufer des Chiese), Carpe-
nedolo, Esenta, Desenzano.

Der Befehl sagte, daß Ccmrobert auf Medole. Niet auf Guidizzolo, Mac
Mahon auf Capriana, Baraguay d'Hilliers auf Solferino, der König Victor
Emanuel in zwei Colonnen auf Pozzolengo und Peschiera marschire; dieser
ersten Linie sollte die Garde nebst zwei Linienreitcrdivisionen als Reserve von
Montechiaro, wo sich am 23. Napoleons Hauptquartier befand, auf Castig-
lione folgen.

Die ganze Entwickelungslinie, von Medole bis zum Gardasee, wie sie
ursprünglich im Plane lag, betrug 2V» deutsche Meilen oder etwa 23,000
Schritte; die französische Armee wird man zu einer Stärke von etwa 130,000,
die piemontesische zu 50,000 M. anschlagen können.

Baraguay d'Hilliers war mit seinem Corps wenig über Castiglione
delle Riviere hinausgekommen, als er auf den Feind stieß. Es war fünf
Uhr Morgens. Das Gefecht begann sogleich. Nur allmülig konnte Baraguay
gegen Solferino hin Terrain gewinnen; obgleich ihm augenblicklich nur die
Vortruppen, wahrscheinlich des fünften östreichischen Corps, gegenüberstanden,
war doch auch seine Colonne noch nicht zum Gefecht entwickelt.

Napoleon hörte zu Montechiaro den Kanonendonner in der Richtung von
Castiglione.

Er begab sich sofort dahin. Hier erhielt er verschiedene Berichte: der
Kampf war nach denselben auf der ganzen Linie entbrannt und auf einer viel
größeren Ausdehnung als er ursprünglich vermuthet.

Die Oestreicher waren mit ihrer ganzen durch Einziehung der Besatzungen
aus den aufgegebenen Festungen und Heranziehung neuer Truppen verstärkten


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[0124] Freilich hatten sich im Laufe des 23. wieder östreichische Detachcments am rechten Ufer des Mincio gezeigt; aber, wie es im officiellen französischen Rap¬ port nicht ohne einen Anflug von Spott heißt, Napoleon meinte, das bedeute nichts weiter als eine der zahlreichen Recognoscirungen, welche die Oestreicher zu ihrer Sicherung so häusig zu machen pflegen. In der That, nachdem ein¬ mal die Oestreicher in den Schirm ihrer Festungen zurückgegangen waren, mußte man annehmen, daß sie dies gethan hätten, um alle Vortheile der Etsch-Minciogruppe auszunutzen. Dies konnten sie aber nicht wol an¬ ders, als wenn sie dem Feinde die Initiative überließen, um erst, sobald diese sich ausgesprochen hätte, einen offensiven Gegenschlag zu thun. Doch, wie sich herausstellte, hatten die Oestreicher vorausgesetzt, daß erst ein Theil der Verbündeten am linken Ufer des Chiese sei und gehofft, diesen vereinzelt schlagen und zurückwerfen zu können. Die Positionen der Verbündeten, aus denen die einzelnen Corps am 24. Morgens gegen den Mincio aufbrachen, lagen auf der Linie Mezzane (dieses allein, wo das dritte Corps stand, noch am rechten Ufer des Chiese), Carpe- nedolo, Esenta, Desenzano. Der Befehl sagte, daß Ccmrobert auf Medole. Niet auf Guidizzolo, Mac Mahon auf Capriana, Baraguay d'Hilliers auf Solferino, der König Victor Emanuel in zwei Colonnen auf Pozzolengo und Peschiera marschire; dieser ersten Linie sollte die Garde nebst zwei Linienreitcrdivisionen als Reserve von Montechiaro, wo sich am 23. Napoleons Hauptquartier befand, auf Castig- lione folgen. Die ganze Entwickelungslinie, von Medole bis zum Gardasee, wie sie ursprünglich im Plane lag, betrug 2V» deutsche Meilen oder etwa 23,000 Schritte; die französische Armee wird man zu einer Stärke von etwa 130,000, die piemontesische zu 50,000 M. anschlagen können. Baraguay d'Hilliers war mit seinem Corps wenig über Castiglione delle Riviere hinausgekommen, als er auf den Feind stieß. Es war fünf Uhr Morgens. Das Gefecht begann sogleich. Nur allmülig konnte Baraguay gegen Solferino hin Terrain gewinnen; obgleich ihm augenblicklich nur die Vortruppen, wahrscheinlich des fünften östreichischen Corps, gegenüberstanden, war doch auch seine Colonne noch nicht zum Gefecht entwickelt. Napoleon hörte zu Montechiaro den Kanonendonner in der Richtung von Castiglione. Er begab sich sofort dahin. Hier erhielt er verschiedene Berichte: der Kampf war nach denselben auf der ganzen Linie entbrannt und auf einer viel größeren Ausdehnung als er ursprünglich vermuthet. Die Oestreicher waren mit ihrer ganzen durch Einziehung der Besatzungen aus den aufgegebenen Festungen und Heranziehung neuer Truppen verstärkten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/124>, abgerufen am 22.07.2024.