Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.eine Abschrift, die sein Günstling. Graf Kurakin genommen, wurde unter Niko¬ Bald nach ihrer Ankunft verfiel Katharina in ein hitziges Fieber; bei eine Abschrift, die sein Günstling. Graf Kurakin genommen, wurde unter Niko¬ Bald nach ihrer Ankunft verfiel Katharina in ein hitziges Fieber; bei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107128"/> <p xml:id="ID_213" prev="#ID_212"> eine Abschrift, die sein Günstling. Graf Kurakin genommen, wurde unter Niko¬<lb/> laus constscirt. Eine neue Abschrift- wurde im März 1855 genommen und<lb/> von dieser stammt der vorliegende Abdruck. Die Echtheit kann hier nicht unter¬<lb/> sucht werden; innere Gründe sprechen sehr dafür. Sollte das Mnnuscript<lb/> gefälscht sein, so müßte es von einer wunderbar geschickten Hand herrühren.<lb/> Als Beleg für das Weiberregiment, das damals mit der gewaltigsten Mon¬<lb/> archie der Welt ein wunderliches Spiel trieb, theilen wir einige Züge daraus<lb/> mit. Katharina die Zweite war um 25. April 1729 (also gleichzeitig, mit<lb/> Lessing) geboren; ihr späterer Gemahl, der Großfürst Peter, den 9. Februar<lb/> 1728. Seine Mutter war bekanntlich eine Tochter Peter des Großen, sein<lb/> Vater ein Herzog von Holstein. Die Kinder sahen sich zum ersten Mal 1739<lb/> in Eutin. Nach der Thronbesteigung der Kaiserin Elisabeth wurde Peter zum<lb/> Thronfolger bestimmt, und als solcher in Nußland erzogen. Katharina als<lb/> seine Braut kam den 9. Februar 1744 in Moskau an. Der sechzehn¬<lb/> jährige Großfürst beschäftigte sich schon damals ausschließlich damit, ein paar<lb/> Bediente erxerciren zu lassen, und sie zu den höchsten Ehrenstellen der Armee<lb/> zu befördern, natürlich nur im Spiel. Er machte seiner Braut sofort die<lb/> Eröffnung, daß er in eine der Ehrendamen der Kaiserin verliebt sei und sehr<lb/> gewünscht habe, sie zu heirathen, daß er sich aber dem Willen seiner Tante<lb/> füge. „Ich hörte diese Mittheilungen erröthend an und dankte ihm für sein<lb/> Vertrauen; aber im Grund meines Herzens betrachtete ich mit Erstaunen seine<lb/> Unvorsichtigkeit."</p><lb/> <p xml:id="ID_214" next="#ID_215"> Bald nach ihrer Ankunft verfiel Katharina in ein hitziges Fieber; bei<lb/> ihrer Genesung im April 1744 legte sie auf Befehl der Kaiserin zuerst Schminke<lb/> an; ihre Mutter machte ihr und den andern höchsten Personen zuweilen arge<lb/> Scenen, Katharina wurde nicht selten geohrfeigt, und der junge Großfürst mußte<lb/> im August von ihr hören, er sei ein schlecht erzogener kleiner Junge. Die<lb/> Kaiserin war in ihrem Verdruß zuweilen nahe daran, die ganze Familie nach<lb/> Hause zu schicken. Katharina war zwar im Allgemeinen ihr Liebling, weil<lb/> sie sich sehr eifrig auf das Studium der russischen Sprache legte, die Religions¬<lb/> gebräuche sorgfältig erfüllte, und in der Fastenzeit kein Fleisch verlangte, doch<lb/> hatte sie auch an ihr manches auszusetzen, namentlich ihre Neigung zum Schul¬<lb/> denmachen. „Man hatte mir gesagt, daß man in Rußland gern Geschenke<lb/> empfange, und daß man sich durch Großmuth Freunde erwerbe." Unter der<lb/> Anleitung eines Grasen Gyllenburg beschäftigte sich Katharina schon damals<lb/> mit ernster Lectüre; während ihr Bräutigam mit Puppen spielte, las sie den Plu-<lb/> tarch und Montesquieu, und schrieb für ihren Lehrer einen Aufsatz, Porträt einer<lb/> fünfzehnjährigen Philosophin, den dieser natürlich sehr geistreich sand und mit<lb/> moralischen Anmerkungen begleitete. Uebrigens hielt man sie sehr streng und<lb/> die Kaiserin wetteiferte mit ihrer Mutter, allen ihren Neigungen entgegen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
eine Abschrift, die sein Günstling. Graf Kurakin genommen, wurde unter Niko¬
laus constscirt. Eine neue Abschrift- wurde im März 1855 genommen und
von dieser stammt der vorliegende Abdruck. Die Echtheit kann hier nicht unter¬
sucht werden; innere Gründe sprechen sehr dafür. Sollte das Mnnuscript
gefälscht sein, so müßte es von einer wunderbar geschickten Hand herrühren.
Als Beleg für das Weiberregiment, das damals mit der gewaltigsten Mon¬
archie der Welt ein wunderliches Spiel trieb, theilen wir einige Züge daraus
mit. Katharina die Zweite war um 25. April 1729 (also gleichzeitig, mit
Lessing) geboren; ihr späterer Gemahl, der Großfürst Peter, den 9. Februar
1728. Seine Mutter war bekanntlich eine Tochter Peter des Großen, sein
Vater ein Herzog von Holstein. Die Kinder sahen sich zum ersten Mal 1739
in Eutin. Nach der Thronbesteigung der Kaiserin Elisabeth wurde Peter zum
Thronfolger bestimmt, und als solcher in Nußland erzogen. Katharina als
seine Braut kam den 9. Februar 1744 in Moskau an. Der sechzehn¬
jährige Großfürst beschäftigte sich schon damals ausschließlich damit, ein paar
Bediente erxerciren zu lassen, und sie zu den höchsten Ehrenstellen der Armee
zu befördern, natürlich nur im Spiel. Er machte seiner Braut sofort die
Eröffnung, daß er in eine der Ehrendamen der Kaiserin verliebt sei und sehr
gewünscht habe, sie zu heirathen, daß er sich aber dem Willen seiner Tante
füge. „Ich hörte diese Mittheilungen erröthend an und dankte ihm für sein
Vertrauen; aber im Grund meines Herzens betrachtete ich mit Erstaunen seine
Unvorsichtigkeit."
Bald nach ihrer Ankunft verfiel Katharina in ein hitziges Fieber; bei
ihrer Genesung im April 1744 legte sie auf Befehl der Kaiserin zuerst Schminke
an; ihre Mutter machte ihr und den andern höchsten Personen zuweilen arge
Scenen, Katharina wurde nicht selten geohrfeigt, und der junge Großfürst mußte
im August von ihr hören, er sei ein schlecht erzogener kleiner Junge. Die
Kaiserin war in ihrem Verdruß zuweilen nahe daran, die ganze Familie nach
Hause zu schicken. Katharina war zwar im Allgemeinen ihr Liebling, weil
sie sich sehr eifrig auf das Studium der russischen Sprache legte, die Religions¬
gebräuche sorgfältig erfüllte, und in der Fastenzeit kein Fleisch verlangte, doch
hatte sie auch an ihr manches auszusetzen, namentlich ihre Neigung zum Schul¬
denmachen. „Man hatte mir gesagt, daß man in Rußland gern Geschenke
empfange, und daß man sich durch Großmuth Freunde erwerbe." Unter der
Anleitung eines Grasen Gyllenburg beschäftigte sich Katharina schon damals
mit ernster Lectüre; während ihr Bräutigam mit Puppen spielte, las sie den Plu-
tarch und Montesquieu, und schrieb für ihren Lehrer einen Aufsatz, Porträt einer
fünfzehnjährigen Philosophin, den dieser natürlich sehr geistreich sand und mit
moralischen Anmerkungen begleitete. Uebrigens hielt man sie sehr streng und
die Kaiserin wetteiferte mit ihrer Mutter, allen ihren Neigungen entgegen-
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