Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.man es als Kern des zukünftigen großen Staates an. Und nicht allein Na¬ Glaubte Oestreich damals diese Versprechungen erfüllen zu können oder Nichts desto weniger wäre es gewiß möglich gewesen, aus dem lombardisch- man es als Kern des zukünftigen großen Staates an. Und nicht allein Na¬ Glaubte Oestreich damals diese Versprechungen erfüllen zu können oder Nichts desto weniger wäre es gewiß möglich gewesen, aus dem lombardisch- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107120"/> <p xml:id="ID_191" prev="#ID_190"> man es als Kern des zukünftigen großen Staates an. Und nicht allein Na¬<lb/> poleon wandte sich an das nationale Gefühl, 1805 sagte der Erzherzog Jo¬<lb/> hann in einer Proclamation: „Das Königreich Italien ist nur ein Traum, ein<lb/> leerer Name, die wirklichen Thatsachen sind Aushebungen, Steuern, Tyrannei<lb/> in jeder Gestalt, Nichtigkeit der politischen Existenz. In diesem Zustande der<lb/> Erniedrigung könnt ihr weder geachtet noch in Frieden bleiben, noch Italiener<lb/> sein. Wollt ihr es wieder werden? Ich bin den Italienern von meinem Bruder,<lb/> dem Kaiser, geschickt, nicht um einem eiteln Eroberungsdurst zu stöhnen, sondern<lb/> um ihre Unabhängigkeit und die der andern Völker zu vertheidigen, und im<lb/> Namen des Kaisers eine Verfassung zu versprechen, die auf die natürlichen<lb/> Verhältnisse und eine aufrichtige Politik begründet sein wird." — Und am<lb/> 16. April 1815 machte der Marschall Bellegarde in Mailand ein Patent des<lb/> Kaisers Franz vom 7. April d. I. bekannt, wodurch derselbe getreu den Ge¬<lb/> fühlen der Vorliebe für seine italienischen „Besitzungen" dieselben zum lom-<lb/> bardisch-venetianischen Königreich erhob. Dieser Beschluß solle seinen italieni¬<lb/> schen Unterthanen jene Nationalität, aus welche sie mit Recht einen so hohen<lb/> Werth legten, erhalten. Ein Vicekönig soll den Kaiser repräsentiren und die<lb/> Organisation dieses Königreichs soll dem Charakter und den Sitten der Ita¬<lb/> liener entsprechend sein. —</p><lb/> <p xml:id="ID_192"> Glaubte Oestreich damals diese Versprechungen erfüllen zu können oder<lb/> ließ der lebhafte Wunsch des Besitzes vergessen, was doch Metternich selbst<lb/> bei dem treuen Tirol fühlte, daß es für Oestreich gefährlich sei, an nationale<lb/> Gefühle zu appelliren? Konnte es den Italienern mehr bieten, als einen<lb/> Wechsel in der Fremdherrschaft? An die Stelle der Franzosen traten die Kai¬<lb/> serlichen. Und dies war nicht mehr die patriarchalische Regierung Maria<lb/> Theresias und Firmians, welche Mailand durch Italiener und den Verhält¬<lb/> nissen nach liberal verwalteten, nicht mehr das aufklärende Eingreifen Jo¬<lb/> sefs des Zweiten, es war die Regierung eines fremden Herrscherhauses über<lb/> eine neu erworbene Provinz, von der viele bedeutende Theile, wie Bergamo,<lb/> Brescia, Crema, das Veltelin u. a. zuvor in keiner Verbindung mit Oest¬<lb/> reich gestanden hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_193" next="#ID_194"> Nichts desto weniger wäre es gewiß möglich gewesen, aus dem lombardisch-<lb/> venetianischen Königreich eine treue Provinz zu machen, wenn man den Muth<lb/> gehabt, es, wie jenes Patent verhieß, unabhängig und national zu constituiren<lb/> und nur die oberste Leitung dem wiener Cabinet vorzubehalten. Aber dazu<lb/> Hütte es allerdings einer Aenderung der östreichischen Staatsgrundsätze be¬<lb/> durft und dazu waren weder Zeit noch Menschen angethan, die europäische<lb/> Reaction hatte begonnen und ging in aufsteigender Linie, jede Mitwirkung<lb/> der Unterthanen bei der Regierung war als eine mißliebige betrachtet und<lb/> als eine Gefahr bezeichnet, der man sich nur im Nothfall zu fügen habe.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
man es als Kern des zukünftigen großen Staates an. Und nicht allein Na¬
poleon wandte sich an das nationale Gefühl, 1805 sagte der Erzherzog Jo¬
hann in einer Proclamation: „Das Königreich Italien ist nur ein Traum, ein
leerer Name, die wirklichen Thatsachen sind Aushebungen, Steuern, Tyrannei
in jeder Gestalt, Nichtigkeit der politischen Existenz. In diesem Zustande der
Erniedrigung könnt ihr weder geachtet noch in Frieden bleiben, noch Italiener
sein. Wollt ihr es wieder werden? Ich bin den Italienern von meinem Bruder,
dem Kaiser, geschickt, nicht um einem eiteln Eroberungsdurst zu stöhnen, sondern
um ihre Unabhängigkeit und die der andern Völker zu vertheidigen, und im
Namen des Kaisers eine Verfassung zu versprechen, die auf die natürlichen
Verhältnisse und eine aufrichtige Politik begründet sein wird." — Und am
16. April 1815 machte der Marschall Bellegarde in Mailand ein Patent des
Kaisers Franz vom 7. April d. I. bekannt, wodurch derselbe getreu den Ge¬
fühlen der Vorliebe für seine italienischen „Besitzungen" dieselben zum lom-
bardisch-venetianischen Königreich erhob. Dieser Beschluß solle seinen italieni¬
schen Unterthanen jene Nationalität, aus welche sie mit Recht einen so hohen
Werth legten, erhalten. Ein Vicekönig soll den Kaiser repräsentiren und die
Organisation dieses Königreichs soll dem Charakter und den Sitten der Ita¬
liener entsprechend sein. —
Glaubte Oestreich damals diese Versprechungen erfüllen zu können oder
ließ der lebhafte Wunsch des Besitzes vergessen, was doch Metternich selbst
bei dem treuen Tirol fühlte, daß es für Oestreich gefährlich sei, an nationale
Gefühle zu appelliren? Konnte es den Italienern mehr bieten, als einen
Wechsel in der Fremdherrschaft? An die Stelle der Franzosen traten die Kai¬
serlichen. Und dies war nicht mehr die patriarchalische Regierung Maria
Theresias und Firmians, welche Mailand durch Italiener und den Verhält¬
nissen nach liberal verwalteten, nicht mehr das aufklärende Eingreifen Jo¬
sefs des Zweiten, es war die Regierung eines fremden Herrscherhauses über
eine neu erworbene Provinz, von der viele bedeutende Theile, wie Bergamo,
Brescia, Crema, das Veltelin u. a. zuvor in keiner Verbindung mit Oest¬
reich gestanden hatten.
Nichts desto weniger wäre es gewiß möglich gewesen, aus dem lombardisch-
venetianischen Königreich eine treue Provinz zu machen, wenn man den Muth
gehabt, es, wie jenes Patent verhieß, unabhängig und national zu constituiren
und nur die oberste Leitung dem wiener Cabinet vorzubehalten. Aber dazu
Hütte es allerdings einer Aenderung der östreichischen Staatsgrundsätze be¬
durft und dazu waren weder Zeit noch Menschen angethan, die europäische
Reaction hatte begonnen und ging in aufsteigender Linie, jede Mitwirkung
der Unterthanen bei der Regierung war als eine mißliebige betrachtet und
als eine Gefahr bezeichnet, der man sich nur im Nothfall zu fügen habe.
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