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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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sekiang benutzt werden können. Außerdem aber müßte sich durch Verträge
Deutschlands mit China auch die deutsche Ausfuhr erheblich steigern.

In China, diesem stark bevölkerten und bis auf die unfruchtbarsten
Strecken angebauten Lande gibt es nur wenig Raum für den Betrieb der
Schaf- und Ziegenzucht. Die Dreifelderwirthschaft ist unbekannt, zu keiner
Zeit bleibt ein Acker brach liegen. Ferner sind südlich vom gelben Fluß fast
alle Wälder und mit ihnen das Hochwild ausgerottet. China ist deshalb in
Betreff wollener Stoffe so wie der Rauchwaaren beinahe ganz vom Ausland
abhängig, und da es bei dem Klima Ostasiens, welches unter gleichen Breiten
drei bis vier Grad kälter als das europäische ist. warmer Kleider dringend
bedarf, so waren jene Stoffe und Waaren vom Beginn des Verkehrs mit
Europa der Haupteinfuhrartikel. Namentlich waren feine Tuche gesucht, indem
gröbere aus Tibet und andern Nachbarländern geliefert wurden^ Jetzt, bei
der großen Ermäßigung der Einfuhrzölle, können auch grobe Wollenwaaren
mit Vortheil eingeführt werden. Es würde dadurch der russische Handel über
Kiächta voraussichtlich einen Stoß erhalten. "Seitdem nämlich," sagt Neu¬
mann, "die russische Regierung ihr Land hermetisch verschlossen hält und mit
Gewalt ein industrieller, alles fabricirender Staat werden will, sind die Chi¬
nesen mit den Waaren, welche die Russen zu Markte bringen, obgleich ihnen
die herkömmlichen deutschen Fabrikzeichen ankleben, höchst unzufrieden. Nament¬
lich ist dies bei den Tüchern der Fall. Die Tucheinfuhr hat selbst in Kanton,
infolge der Unzufriedenheit mit den russischen Wollwarcn, während der letzten
Jahrzehnte sehr zugenommen. Niederländische Camelote und die Gattungen
Tuches, welche von den Engländern Longells oder Longcloth genannt werden,
sind am leichtesten verkäuflich."

Ebenfalls sehr bedeutend ist die Einfuhr roher und zu Garn oder
Zeugen verarbeiteter Baumwolle. Die Baumwollenstaude ist zwar schon seit
Urzeiten in China heimisch, ihr Anbau beschränkt sich jedoch auf einen ver¬
hältnißmäßig kleinen Kreis, und da dieser nicht genug producirt. so führten
die Engländer schon 1770 große Massen ein. Die Einfuhr mußte sich nach
Einrichtung der Maschinen steigern, da die chinesischen Handspinner trotz ihrer
Wohlfeilheit mit den Fabriken des Westens nicht wetteifern konnten und eine
Neuerung wie die Einführung von Maschinen in dem starren China ebenso zu
den Unmöglichkeiten gehörte, wie die Einführung des Baumwollenbaus in
Strichen, welche bis dahin nur Getreide gebaut. Im Handelsjahr 1836 auf
1837 betrug die.Einfuhr von roher und verarbeiteter Baumwolle schon fünf¬
undsiebzig Millionen Pfund, und man kann annehmen, daß sie jetzt hundert
Millionen Pfund beträgt.

Wie in vielen Dingen sind die Chinesen auch in der Gewinnung und
Bearbeitung der Metalle hinter den Bewohnern des Westens weit zurückgeblie-


sekiang benutzt werden können. Außerdem aber müßte sich durch Verträge
Deutschlands mit China auch die deutsche Ausfuhr erheblich steigern.

In China, diesem stark bevölkerten und bis auf die unfruchtbarsten
Strecken angebauten Lande gibt es nur wenig Raum für den Betrieb der
Schaf- und Ziegenzucht. Die Dreifelderwirthschaft ist unbekannt, zu keiner
Zeit bleibt ein Acker brach liegen. Ferner sind südlich vom gelben Fluß fast
alle Wälder und mit ihnen das Hochwild ausgerottet. China ist deshalb in
Betreff wollener Stoffe so wie der Rauchwaaren beinahe ganz vom Ausland
abhängig, und da es bei dem Klima Ostasiens, welches unter gleichen Breiten
drei bis vier Grad kälter als das europäische ist. warmer Kleider dringend
bedarf, so waren jene Stoffe und Waaren vom Beginn des Verkehrs mit
Europa der Haupteinfuhrartikel. Namentlich waren feine Tuche gesucht, indem
gröbere aus Tibet und andern Nachbarländern geliefert wurden^ Jetzt, bei
der großen Ermäßigung der Einfuhrzölle, können auch grobe Wollenwaaren
mit Vortheil eingeführt werden. Es würde dadurch der russische Handel über
Kiächta voraussichtlich einen Stoß erhalten. „Seitdem nämlich," sagt Neu¬
mann, „die russische Regierung ihr Land hermetisch verschlossen hält und mit
Gewalt ein industrieller, alles fabricirender Staat werden will, sind die Chi¬
nesen mit den Waaren, welche die Russen zu Markte bringen, obgleich ihnen
die herkömmlichen deutschen Fabrikzeichen ankleben, höchst unzufrieden. Nament¬
lich ist dies bei den Tüchern der Fall. Die Tucheinfuhr hat selbst in Kanton,
infolge der Unzufriedenheit mit den russischen Wollwarcn, während der letzten
Jahrzehnte sehr zugenommen. Niederländische Camelote und die Gattungen
Tuches, welche von den Engländern Longells oder Longcloth genannt werden,
sind am leichtesten verkäuflich."

Ebenfalls sehr bedeutend ist die Einfuhr roher und zu Garn oder
Zeugen verarbeiteter Baumwolle. Die Baumwollenstaude ist zwar schon seit
Urzeiten in China heimisch, ihr Anbau beschränkt sich jedoch auf einen ver¬
hältnißmäßig kleinen Kreis, und da dieser nicht genug producirt. so führten
die Engländer schon 1770 große Massen ein. Die Einfuhr mußte sich nach
Einrichtung der Maschinen steigern, da die chinesischen Handspinner trotz ihrer
Wohlfeilheit mit den Fabriken des Westens nicht wetteifern konnten und eine
Neuerung wie die Einführung von Maschinen in dem starren China ebenso zu
den Unmöglichkeiten gehörte, wie die Einführung des Baumwollenbaus in
Strichen, welche bis dahin nur Getreide gebaut. Im Handelsjahr 1836 auf
1837 betrug die.Einfuhr von roher und verarbeiteter Baumwolle schon fünf¬
undsiebzig Millionen Pfund, und man kann annehmen, daß sie jetzt hundert
Millionen Pfund beträgt.

Wie in vielen Dingen sind die Chinesen auch in der Gewinnung und
Bearbeitung der Metalle hinter den Bewohnern des Westens weit zurückgeblie-


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[0064] sekiang benutzt werden können. Außerdem aber müßte sich durch Verträge Deutschlands mit China auch die deutsche Ausfuhr erheblich steigern. In China, diesem stark bevölkerten und bis auf die unfruchtbarsten Strecken angebauten Lande gibt es nur wenig Raum für den Betrieb der Schaf- und Ziegenzucht. Die Dreifelderwirthschaft ist unbekannt, zu keiner Zeit bleibt ein Acker brach liegen. Ferner sind südlich vom gelben Fluß fast alle Wälder und mit ihnen das Hochwild ausgerottet. China ist deshalb in Betreff wollener Stoffe so wie der Rauchwaaren beinahe ganz vom Ausland abhängig, und da es bei dem Klima Ostasiens, welches unter gleichen Breiten drei bis vier Grad kälter als das europäische ist. warmer Kleider dringend bedarf, so waren jene Stoffe und Waaren vom Beginn des Verkehrs mit Europa der Haupteinfuhrartikel. Namentlich waren feine Tuche gesucht, indem gröbere aus Tibet und andern Nachbarländern geliefert wurden^ Jetzt, bei der großen Ermäßigung der Einfuhrzölle, können auch grobe Wollenwaaren mit Vortheil eingeführt werden. Es würde dadurch der russische Handel über Kiächta voraussichtlich einen Stoß erhalten. „Seitdem nämlich," sagt Neu¬ mann, „die russische Regierung ihr Land hermetisch verschlossen hält und mit Gewalt ein industrieller, alles fabricirender Staat werden will, sind die Chi¬ nesen mit den Waaren, welche die Russen zu Markte bringen, obgleich ihnen die herkömmlichen deutschen Fabrikzeichen ankleben, höchst unzufrieden. Nament¬ lich ist dies bei den Tüchern der Fall. Die Tucheinfuhr hat selbst in Kanton, infolge der Unzufriedenheit mit den russischen Wollwarcn, während der letzten Jahrzehnte sehr zugenommen. Niederländische Camelote und die Gattungen Tuches, welche von den Engländern Longells oder Longcloth genannt werden, sind am leichtesten verkäuflich." Ebenfalls sehr bedeutend ist die Einfuhr roher und zu Garn oder Zeugen verarbeiteter Baumwolle. Die Baumwollenstaude ist zwar schon seit Urzeiten in China heimisch, ihr Anbau beschränkt sich jedoch auf einen ver¬ hältnißmäßig kleinen Kreis, und da dieser nicht genug producirt. so führten die Engländer schon 1770 große Massen ein. Die Einfuhr mußte sich nach Einrichtung der Maschinen steigern, da die chinesischen Handspinner trotz ihrer Wohlfeilheit mit den Fabriken des Westens nicht wetteifern konnten und eine Neuerung wie die Einführung von Maschinen in dem starren China ebenso zu den Unmöglichkeiten gehörte, wie die Einführung des Baumwollenbaus in Strichen, welche bis dahin nur Getreide gebaut. Im Handelsjahr 1836 auf 1837 betrug die.Einfuhr von roher und verarbeiteter Baumwolle schon fünf¬ undsiebzig Millionen Pfund, und man kann annehmen, daß sie jetzt hundert Millionen Pfund beträgt. Wie in vielen Dingen sind die Chinesen auch in der Gewinnung und Bearbeitung der Metalle hinter den Bewohnern des Westens weit zurückgeblie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/64>, abgerufen am 22.12.2024.