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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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"Also aus der Heimath des heiligen Johannes von Nepomuk, den ich
ganz besonders verehre. Herrlich! herrlich! Eines Heiligen von den größten
Verdiensten! Eines Märtyrers für das Sacrament der Beichte! Herrlich! herr¬
lich! Gute Katholiken, natürlich, -- ich lese nur Gutes in Ihren Gesichtern!
Vielleicht auch auf dem Wege nach Rom?"

"Nein, leider nicht!"

"Mich erwartet dies Glück! Ja noch mehr: ich werde den heiligen Va¬
ter sprechen! Ich habe Briefe vom Univers, ich habe Verbindungen, ich
werde dem heiligen Vater der Christenheit vorgestellt werden und seinen Se¬
gen erhalten! Sie wissen, als gute Katholiken, was das heißt, in der Hoff¬
nung leben, den heiligen Vater zu sehen, daher erblicken Sie mich in dieser
Aufregung! Gestern habe ich Marseille verlassen, in drei Tagen bin ich in
der ewigen Stadt! O schade, daß Sie nicht auch nach Rom gehn! Wollen
Sie mit mir durch Genua fahren?"

"Danke, danke, wir haben Geschäfte!"

"Schade! Wir würden die Kirchen besuchen, in der Maria del' Anunziata
unsere Andacht verrichten, in der Kathedrale das Gefäß sehen, dessen sich un¬
ser Heiland bei seinem letzten Nachtmahl bediente. Es ist Ihnen gewiß nicht
unbekannt, daß der Sagro Catino sich in Genua befindet. Wollen Sie mit
mir gegen sechs Uhr im Kloster......zu Tische speisen?"

"Wir müssen wiederholt für Ihre Freundlichkeit danken. Wir haben
wichtige Gänge."

"Nun dann leben Sie wohl, der Herr sei mit Ihnen! Ich reise morgen
mit dem Frühesten nach Rom. Empfehlen Sie mich, wenn Sie daheim sind,
im Gebete Ihrem erhabenen Landespatron. Auch ich werde Ihrer gedenken!
Adieu! Adieu!"

Er flog sturmgleich, wie er hereingekommen, wieder hinaus.

"veve esser matto!" sagte der Kellner, der dabei gestanden und fran¬
zösisch verstand. Er hat übrigens mit einigen Freunden unten sehr reichlich
dejeunirt. Geht nach Rom! Ein Jesuit!"

Wir gingen die Marmortreppen des Hotels de France hinab und traten
jus Freie. Es war ungefähr zwei Uhr. Der Meeresspiegel blendete so. daß
man die Augen kaum öffnen konnte, die Sonne brannte wi,e toll auf Berge,
Stadt und Meer. Es ist die Art der genueser Sonne, so toll zu brennen.
Sie hat die Berge versengt und ihnen die Farben der Dürre gegeben, sie hat
den Marmor der Paläste gebrannt und ihr Mauerwerk zerklüftet, die Lust
selbst scheint wie die einer Esse zu vibriren. Von dieser Sonne wird der
Kupferbeschlag der Schiffe glühend und die Schiffswand so heiß, daß man
sich nicht an sie lehnen kann. Kein zarter Frauenfuß wagt es, in dieser Mit-
agszeit die Marmordielen des Quais zu betreten. Die Rosen, die sich mor-
'"


„Also aus der Heimath des heiligen Johannes von Nepomuk, den ich
ganz besonders verehre. Herrlich! herrlich! Eines Heiligen von den größten
Verdiensten! Eines Märtyrers für das Sacrament der Beichte! Herrlich! herr¬
lich! Gute Katholiken, natürlich, — ich lese nur Gutes in Ihren Gesichtern!
Vielleicht auch auf dem Wege nach Rom?"

„Nein, leider nicht!"

„Mich erwartet dies Glück! Ja noch mehr: ich werde den heiligen Va¬
ter sprechen! Ich habe Briefe vom Univers, ich habe Verbindungen, ich
werde dem heiligen Vater der Christenheit vorgestellt werden und seinen Se¬
gen erhalten! Sie wissen, als gute Katholiken, was das heißt, in der Hoff¬
nung leben, den heiligen Vater zu sehen, daher erblicken Sie mich in dieser
Aufregung! Gestern habe ich Marseille verlassen, in drei Tagen bin ich in
der ewigen Stadt! O schade, daß Sie nicht auch nach Rom gehn! Wollen
Sie mit mir durch Genua fahren?"

„Danke, danke, wir haben Geschäfte!"

„Schade! Wir würden die Kirchen besuchen, in der Maria del' Anunziata
unsere Andacht verrichten, in der Kathedrale das Gefäß sehen, dessen sich un¬
ser Heiland bei seinem letzten Nachtmahl bediente. Es ist Ihnen gewiß nicht
unbekannt, daß der Sagro Catino sich in Genua befindet. Wollen Sie mit
mir gegen sechs Uhr im Kloster......zu Tische speisen?"

„Wir müssen wiederholt für Ihre Freundlichkeit danken. Wir haben
wichtige Gänge."

„Nun dann leben Sie wohl, der Herr sei mit Ihnen! Ich reise morgen
mit dem Frühesten nach Rom. Empfehlen Sie mich, wenn Sie daheim sind,
im Gebete Ihrem erhabenen Landespatron. Auch ich werde Ihrer gedenken!
Adieu! Adieu!"

Er flog sturmgleich, wie er hereingekommen, wieder hinaus.

„veve esser matto!" sagte der Kellner, der dabei gestanden und fran¬
zösisch verstand. Er hat übrigens mit einigen Freunden unten sehr reichlich
dejeunirt. Geht nach Rom! Ein Jesuit!"

Wir gingen die Marmortreppen des Hotels de France hinab und traten
jus Freie. Es war ungefähr zwei Uhr. Der Meeresspiegel blendete so. daß
man die Augen kaum öffnen konnte, die Sonne brannte wi,e toll auf Berge,
Stadt und Meer. Es ist die Art der genueser Sonne, so toll zu brennen.
Sie hat die Berge versengt und ihnen die Farben der Dürre gegeben, sie hat
den Marmor der Paläste gebrannt und ihr Mauerwerk zerklüftet, die Lust
selbst scheint wie die einer Esse zu vibriren. Von dieser Sonne wird der
Kupferbeschlag der Schiffe glühend und die Schiffswand so heiß, daß man
sich nicht an sie lehnen kann. Kein zarter Frauenfuß wagt es, in dieser Mit-
agszeit die Marmordielen des Quais zu betreten. Die Rosen, die sich mor-
'"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/516>, abgerufen am 22.12.2024.