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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Jahre lang war er ein friedlicher Kauffahrercapitän, der die Küsten aller Welt¬
theile besuchte. Ende 1858 finden wir ihn aber wieder in Piemont und so¬
bald die Dinge in Italien sich dergestalt verwickelten, daß der Ausbruch des
Krieges fast unzweifelhaft geworden war, ward auch sein Name in inniger
Verbindung mit ihnen vielfach genannt.

Garibaldi formirte jenes Corps der Alpenjäger, welches sich aus ganz
Italien rekrutirte und dessen Auflösung die Oestreicher in allen Verhandlungen
in erster Linie verlangten. Die drei Regimenter dieses Corps nebst einer Ab¬
theilung Scharfschützen und einem kleinen Corps Ordonanzreiterei wurden um
die Mitte Mai zu etwa 5000 Mann angeschlagen. Garibaldi hatte sie un¬
ter dem Schutz der piemontesischen Regierung und mit dem Titel eines sar¬
dinischen Generals, den er annahm, gebildet. Ueberzeugt, daß Italien vor
allem einer starken und wohlorganisirten Heeresmacht bedürfe, um die Herr¬
schaft der Oestreich" abzuwehren, ging er den für ihn etwas sonderbaren
Bund mit der piemontesischen Dynastie und Ludwig Napoleon ein, immer je¬
doch mit dem stillen Vorbehalt, sich wo irgend möglich zu emancipiren, aus
eigne Faust zu handeln, möglicherweise mit dem weiteren seine Stunde gegen
die gleichen Leute wahrzunehmen, an deren Seite er vorerst kämpfte, die
weder seine Erinnerungen im Herzen trugen noch mit seiner Uneigennützig-
keit für die Befreiung Italiens auftraten.

Alpenjäger hatte er seine Streiter getauft und an den Fuß der Alpen
führte er sie, sobald der Krieg ausbrach. Biella war der Punkt, von wel¬
chem seine Operationen ausgingen.

In den Tagen der unbedeutenden ersten Kämpfe an den Ufern der un¬
tern Sesia zwischen den Piemontesen und den Oestreichern brach Garibaldi
von Biella auf; sich stets an den Fuß der Alpen haltend erreichte er über
Gattinara und Borgomanero, wo er an das linke User der Sesia überging,
welches sich damals noch in festem, wenn auch bestrittenen Besitz der Oest¬
reicher befand, am 23. Mai Sesto Calende, am Ausfluß des Tessin aus dem
großen Reservoir des Langensees (Lago maggiore) und bereits aus lombar¬
dischem, östreichischen Boden weiter abwärts vorschreitend schien er zuerst direct
nach Mailand ziehen zu wollen, doch auf die Nachricht vom Anzug öst¬
reichischer Abtheilungen schlug er sich alsbald aus der Gegend von Gallarate
auf Varese und gegen die Berge zurück. Am 24. stand er in Varese, welche
Stadt sich sogleich für Victor Emanuel und Piemont erklärte. Am 25. und
26. hatte er hier Kämpfe mit einzelnen, zusammen etwa 3000 Mann starken
östreichischen Abtheilungen zu bestehen, welche aus den lombardischen Garni¬
sonen gegen ihn entsendet waren. Er ging siegreich aus diesen Kämpfen her¬
vor und drang unter mehrfachen Gefechten nach Como, in welche Stadt er
am 27. einzog, von wo aus er seine Vorposten auf die Straße nach Mai-


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Jahre lang war er ein friedlicher Kauffahrercapitän, der die Küsten aller Welt¬
theile besuchte. Ende 1858 finden wir ihn aber wieder in Piemont und so¬
bald die Dinge in Italien sich dergestalt verwickelten, daß der Ausbruch des
Krieges fast unzweifelhaft geworden war, ward auch sein Name in inniger
Verbindung mit ihnen vielfach genannt.

Garibaldi formirte jenes Corps der Alpenjäger, welches sich aus ganz
Italien rekrutirte und dessen Auflösung die Oestreicher in allen Verhandlungen
in erster Linie verlangten. Die drei Regimenter dieses Corps nebst einer Ab¬
theilung Scharfschützen und einem kleinen Corps Ordonanzreiterei wurden um
die Mitte Mai zu etwa 5000 Mann angeschlagen. Garibaldi hatte sie un¬
ter dem Schutz der piemontesischen Regierung und mit dem Titel eines sar¬
dinischen Generals, den er annahm, gebildet. Ueberzeugt, daß Italien vor
allem einer starken und wohlorganisirten Heeresmacht bedürfe, um die Herr¬
schaft der Oestreich« abzuwehren, ging er den für ihn etwas sonderbaren
Bund mit der piemontesischen Dynastie und Ludwig Napoleon ein, immer je¬
doch mit dem stillen Vorbehalt, sich wo irgend möglich zu emancipiren, aus
eigne Faust zu handeln, möglicherweise mit dem weiteren seine Stunde gegen
die gleichen Leute wahrzunehmen, an deren Seite er vorerst kämpfte, die
weder seine Erinnerungen im Herzen trugen noch mit seiner Uneigennützig-
keit für die Befreiung Italiens auftraten.

Alpenjäger hatte er seine Streiter getauft und an den Fuß der Alpen
führte er sie, sobald der Krieg ausbrach. Biella war der Punkt, von wel¬
chem seine Operationen ausgingen.

In den Tagen der unbedeutenden ersten Kämpfe an den Ufern der un¬
tern Sesia zwischen den Piemontesen und den Oestreichern brach Garibaldi
von Biella auf; sich stets an den Fuß der Alpen haltend erreichte er über
Gattinara und Borgomanero, wo er an das linke User der Sesia überging,
welches sich damals noch in festem, wenn auch bestrittenen Besitz der Oest¬
reicher befand, am 23. Mai Sesto Calende, am Ausfluß des Tessin aus dem
großen Reservoir des Langensees (Lago maggiore) und bereits aus lombar¬
dischem, östreichischen Boden weiter abwärts vorschreitend schien er zuerst direct
nach Mailand ziehen zu wollen, doch auf die Nachricht vom Anzug öst¬
reichischer Abtheilungen schlug er sich alsbald aus der Gegend von Gallarate
auf Varese und gegen die Berge zurück. Am 24. stand er in Varese, welche
Stadt sich sogleich für Victor Emanuel und Piemont erklärte. Am 25. und
26. hatte er hier Kämpfe mit einzelnen, zusammen etwa 3000 Mann starken
östreichischen Abtheilungen zu bestehen, welche aus den lombardischen Garni¬
sonen gegen ihn entsendet waren. Er ging siegreich aus diesen Kämpfen her¬
vor und drang unter mehrfachen Gefechten nach Como, in welche Stadt er
am 27. einzog, von wo aus er seine Vorposten auf die Straße nach Mai-


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[0493] Jahre lang war er ein friedlicher Kauffahrercapitän, der die Küsten aller Welt¬ theile besuchte. Ende 1858 finden wir ihn aber wieder in Piemont und so¬ bald die Dinge in Italien sich dergestalt verwickelten, daß der Ausbruch des Krieges fast unzweifelhaft geworden war, ward auch sein Name in inniger Verbindung mit ihnen vielfach genannt. Garibaldi formirte jenes Corps der Alpenjäger, welches sich aus ganz Italien rekrutirte und dessen Auflösung die Oestreicher in allen Verhandlungen in erster Linie verlangten. Die drei Regimenter dieses Corps nebst einer Ab¬ theilung Scharfschützen und einem kleinen Corps Ordonanzreiterei wurden um die Mitte Mai zu etwa 5000 Mann angeschlagen. Garibaldi hatte sie un¬ ter dem Schutz der piemontesischen Regierung und mit dem Titel eines sar¬ dinischen Generals, den er annahm, gebildet. Ueberzeugt, daß Italien vor allem einer starken und wohlorganisirten Heeresmacht bedürfe, um die Herr¬ schaft der Oestreich« abzuwehren, ging er den für ihn etwas sonderbaren Bund mit der piemontesischen Dynastie und Ludwig Napoleon ein, immer je¬ doch mit dem stillen Vorbehalt, sich wo irgend möglich zu emancipiren, aus eigne Faust zu handeln, möglicherweise mit dem weiteren seine Stunde gegen die gleichen Leute wahrzunehmen, an deren Seite er vorerst kämpfte, die weder seine Erinnerungen im Herzen trugen noch mit seiner Uneigennützig- keit für die Befreiung Italiens auftraten. Alpenjäger hatte er seine Streiter getauft und an den Fuß der Alpen führte er sie, sobald der Krieg ausbrach. Biella war der Punkt, von wel¬ chem seine Operationen ausgingen. In den Tagen der unbedeutenden ersten Kämpfe an den Ufern der un¬ tern Sesia zwischen den Piemontesen und den Oestreichern brach Garibaldi von Biella auf; sich stets an den Fuß der Alpen haltend erreichte er über Gattinara und Borgomanero, wo er an das linke User der Sesia überging, welches sich damals noch in festem, wenn auch bestrittenen Besitz der Oest¬ reicher befand, am 23. Mai Sesto Calende, am Ausfluß des Tessin aus dem großen Reservoir des Langensees (Lago maggiore) und bereits aus lombar¬ dischem, östreichischen Boden weiter abwärts vorschreitend schien er zuerst direct nach Mailand ziehen zu wollen, doch auf die Nachricht vom Anzug öst¬ reichischer Abtheilungen schlug er sich alsbald aus der Gegend von Gallarate auf Varese und gegen die Berge zurück. Am 24. stand er in Varese, welche Stadt sich sogleich für Victor Emanuel und Piemont erklärte. Am 25. und 26. hatte er hier Kämpfe mit einzelnen, zusammen etwa 3000 Mann starken östreichischen Abtheilungen zu bestehen, welche aus den lombardischen Garni¬ sonen gegen ihn entsendet waren. Er ging siegreich aus diesen Kämpfen her¬ vor und drang unter mehrfachen Gefechten nach Como, in welche Stadt er am 27. einzog, von wo aus er seine Vorposten auf die Straße nach Mai- 61*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/493>, abgerufen am 23.12.2024.