Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Was die innern Verhältnisse Preußens betrifft, so hat man sich im Publicum Was die innern Verhältnisse Preußens betrifft, so hat man sich im Publicum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107096"/> <p xml:id="ID_120"> Was die innern Verhältnisse Preußens betrifft, so hat man sich im Publicum<lb/> jetzt wol davon überzeugt, daß die gegenwärtige „Rechte" (die Bezeichnung will<lb/> uns noch immer nicht in die Feder) nicht eine einseitige Partei, sondern die Wünsche<lb/> des Volkes überhaupt vertritt, die aus Recht und Freiheit gehen, daß sie die wahre<lb/> „Volkspartei" ist. — In dieser Beziehung möchten wir über die Broschüre: die<lb/> Grundsätze der preußischen Demokratie. Zwei Reden des I)r. Johann<lb/> Jacoby (Berlin, Franz Duncker) einige Bemerkungen machen. Ueber die locale<lb/> Bedeutung jener Reden enthalten wir uns jedes Urtheils > wir sassen nur ihre all¬<lb/> gemeine, schon im Titel ausgesprochene Bedeutung ins Auge. Die „preußische De¬<lb/> mokratie" wird in derselben als eine Partei bezeichnet, die von der „Rechten" des<lb/> gegenwärtigen Abgeordnetenhauses wesentlich verschieden sei: sie wird (S. 14) „den<lb/> Gothacrn" gegenübergestellt, „die das Sonderinteresse der Geldaristokratie<lb/> vertreten, für Standesvorrechte, Wahlcensus, Stcuerungleichhcit und<lb/> andere künstliche Unterscheidungen schwärmen;" wenn diese Gothaer im<lb/> Monde leben sollen, so ist gegen diese Unterscheidung nichts zu sagen; soll aber<lb/> unter Gothacrn (in Königsberg hauptsächlich durch Simson vertreten) die jetzige<lb/> „Rechte" verstanden werden, so darf man wol kaum hinzusetzen, daß jene Defini¬<lb/> tion in allen Punkten eine arge Unwahrheit enthält. — Der theoretische Unter¬<lb/> schied, ob man das allgemeine Wahlrecht auf das Dogma eines angebornen Mcn-<lb/> schenrcchts stützt, oder auf die nüchterne Erwägung , in welcher Art die Vernunft<lb/> der Nation am besten zum Ausdruck kommt, kann für die letztere Meinung gewiß<lb/> nicht den Ausdruck „Schwärmerei" rechtfertigen. — Wenn im Uebrigen die Ideen jener<lb/> Broschüre wirklich die Ansichten der preußischen Demokratie ausdrücken, d. h. der¬<lb/> jenigen Männer, die vom 18. März 1848 bis April 1849 in Preußen sich Demo¬<lb/> kraten nannten, so freuen wir uns herzlich; wir wollen nicht daran erinnern, daß<lb/> am 18. März und in der Sitzung April 1849, wo die gesammte Linke infolge<lb/> .eines scharfen Tadels des 18. März den Saal verließ, das Programm dieser Par¬<lb/> tei schwerlich mit den Worten anfing: „Ehrerbietung dem Könige! Achtung der<lb/> Landesverfassung!" — denn jeder Bürger hat das Recht, sich in seinen politischen<lb/> Ueberzeugungen durch die Erfahrung erziehn zu lassen; nur möchten wir fragen,<lb/> was den or. Johann Jacoby berechtigt, nicht in seinem und seiner Bekannten<lb/> Namen zu sprechen, sondern im Namen jener ehemaligen Partei, die doch als solche,<lb/> so viel wir wissen, keine Versammlung gehalten hat? — Sollte es nicht zweck¬<lb/> mäßiger sein, mit den alten Streitfragen auch den Namen fahren zu lassen? Sollten<lb/> diejenigen, die für das Programm: „Ehrerbietung dem Könige! Achtung der Landes¬<lb/> verfassung! den Gemeinden Selbstverwaltung! allen Bürgern gleiche Pflichten, gleiche<lb/> Rechte!" eintreten — und das thun wir ebenso wie Dr. Jacoby — nicht<lb/> die alten Spitznamen in alle vier Winde werfen? Wir lassen gern die Gothaer fah¬<lb/> ren; ist denn, was 1848 Demokratie genannt wurde, durchweg 1859 noch prak¬<lb/> tisch so empfehlenswert!), daß man mit diesem Namen mehr Umstände macht? Es<lb/> ist nicht gleichgiltig, denn Namen trennen, wo die Sache vereinigt; und in das<lb/><note type="byline"> 1' f</note> Stadium der binos und bull's wollen wir uns doch »icht herausschrauben. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Was die innern Verhältnisse Preußens betrifft, so hat man sich im Publicum
jetzt wol davon überzeugt, daß die gegenwärtige „Rechte" (die Bezeichnung will
uns noch immer nicht in die Feder) nicht eine einseitige Partei, sondern die Wünsche
des Volkes überhaupt vertritt, die aus Recht und Freiheit gehen, daß sie die wahre
„Volkspartei" ist. — In dieser Beziehung möchten wir über die Broschüre: die
Grundsätze der preußischen Demokratie. Zwei Reden des I)r. Johann
Jacoby (Berlin, Franz Duncker) einige Bemerkungen machen. Ueber die locale
Bedeutung jener Reden enthalten wir uns jedes Urtheils > wir sassen nur ihre all¬
gemeine, schon im Titel ausgesprochene Bedeutung ins Auge. Die „preußische De¬
mokratie" wird in derselben als eine Partei bezeichnet, die von der „Rechten" des
gegenwärtigen Abgeordnetenhauses wesentlich verschieden sei: sie wird (S. 14) „den
Gothacrn" gegenübergestellt, „die das Sonderinteresse der Geldaristokratie
vertreten, für Standesvorrechte, Wahlcensus, Stcuerungleichhcit und
andere künstliche Unterscheidungen schwärmen;" wenn diese Gothaer im
Monde leben sollen, so ist gegen diese Unterscheidung nichts zu sagen; soll aber
unter Gothacrn (in Königsberg hauptsächlich durch Simson vertreten) die jetzige
„Rechte" verstanden werden, so darf man wol kaum hinzusetzen, daß jene Defini¬
tion in allen Punkten eine arge Unwahrheit enthält. — Der theoretische Unter¬
schied, ob man das allgemeine Wahlrecht auf das Dogma eines angebornen Mcn-
schenrcchts stützt, oder auf die nüchterne Erwägung , in welcher Art die Vernunft
der Nation am besten zum Ausdruck kommt, kann für die letztere Meinung gewiß
nicht den Ausdruck „Schwärmerei" rechtfertigen. — Wenn im Uebrigen die Ideen jener
Broschüre wirklich die Ansichten der preußischen Demokratie ausdrücken, d. h. der¬
jenigen Männer, die vom 18. März 1848 bis April 1849 in Preußen sich Demo¬
kraten nannten, so freuen wir uns herzlich; wir wollen nicht daran erinnern, daß
am 18. März und in der Sitzung April 1849, wo die gesammte Linke infolge
.eines scharfen Tadels des 18. März den Saal verließ, das Programm dieser Par¬
tei schwerlich mit den Worten anfing: „Ehrerbietung dem Könige! Achtung der
Landesverfassung!" — denn jeder Bürger hat das Recht, sich in seinen politischen
Ueberzeugungen durch die Erfahrung erziehn zu lassen; nur möchten wir fragen,
was den or. Johann Jacoby berechtigt, nicht in seinem und seiner Bekannten
Namen zu sprechen, sondern im Namen jener ehemaligen Partei, die doch als solche,
so viel wir wissen, keine Versammlung gehalten hat? — Sollte es nicht zweck¬
mäßiger sein, mit den alten Streitfragen auch den Namen fahren zu lassen? Sollten
diejenigen, die für das Programm: „Ehrerbietung dem Könige! Achtung der Landes¬
verfassung! den Gemeinden Selbstverwaltung! allen Bürgern gleiche Pflichten, gleiche
Rechte!" eintreten — und das thun wir ebenso wie Dr. Jacoby — nicht
die alten Spitznamen in alle vier Winde werfen? Wir lassen gern die Gothaer fah¬
ren; ist denn, was 1848 Demokratie genannt wurde, durchweg 1859 noch prak¬
tisch so empfehlenswert!), daß man mit diesem Namen mehr Umstände macht? Es
ist nicht gleichgiltig, denn Namen trennen, wo die Sache vereinigt; und in das
1' f Stadium der binos und bull's wollen wir uns doch »icht herausschrauben.
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