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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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südwestwärts von Garlasco und ordnet Brückenschläge über den Po zwischen
den Mündungen des Tessin und der Sesia an, die er durch Kanonaden und
Demonstrationen weiter stromaufwärts zu maskiren für nothwendig hält. Eine
Brücke vor seinem Centrum, eine andere vor seinem linken Flügel werden
auch glücklich zu Stande gebracht. Man wird also jetzt den Feind auf der
Südseite, wo er wirklich steht, aufsuchen. Wol ist es noch Zeit. Allerdings
sind die Franzosen seit sechs Tagen in Genua, seit drei Tagen in Turin. Aber
alle sind doch sicher noch nicht da und in Alessandria oder bei Alessandria sind
sie vollends noch nicht. Es gilt also nur bei Cornale (oder Bambio) Massen
über den Fluß zu werfen, am 5. Mai können sie bei Novi, zwischen den Pie-
montesen in Alessandria und den Franzosen in Genua stehen, sie treffen mög¬
licherweise auf französische Divisionen, welche im Anzug von Genua nach
Alessandria sind. Es ist möglich, eine beträchtliche Ueberlegenheit in einzel¬
nen Gefechten zu haben, den Feind zu schlagen, so wenn auch verspätet, zu
gewinnen, was man braucht, den Sieg, den Erfolg. Gespannt schaut die
Welt in diese Gegenden, sie wartet auf Bulletins eines Sieges, die ihr über
Wien zukommen sollen. Statt dessen aber wird die Brücke von Cornale,
es scheint wirklich nur eine statt der drei oder vier, die nothwendig waren,
gewesen zu sein, lediglich dazu benutzt, ein schwaches Detachement hinüber¬
zuschieben, welches in Tortona und Sale requirirt, welches Eisenbahnschienen
auf- und Telegraphendrähte zerreißt.

Unterdessen hatte es mächtig geregnet, das Wasser im Po stieg und be¬
drohte, ja beschädigte die Brücke von Cornale. Das in Oestreich gebräuchliche
Biragosche Brückensystem hat manche Hilfsmittel, sich mit dergleichen Schwie¬
rigkeiten abzufinden. Aber freilich, wenn man nur eine Brücke hat, ist es
bös. unter solchen Umständen eine ganze Armee hinübergehn zu lassen, ins¬
besondere, wenn noch hinzukommt, daß man ganz vergessen hat, man könne
im Nothfall auch auf Piacenza am südlichen Poufer selbst weichen und müsse
nicht nothwendig über die Brücke von Cornale zurückgehn.

Eine Sache, die uns bei den Oestreichern immer aufgefallen ist, die fast
regelmäßig vorkommt, so daß Abweichungen von der Regel wirklich glänzende
Erscheinungen sind, ist diese, daß sie durchaus nicht verstehn, zeitweise etwas,
was sie einmal gepackt haben, freiwillig aufzugeben, um an einem andern
Punkte desto kräftiger positiv zuzugreifen. Eine von den glänzenden' Aus¬
nahmserscheinungen ist in unsern Augen Radetzki, namentlich in dem Moment,
da er Mailand räumte und ohne weiteres an den Mincio zurückging. Der
Feldzeugmeister Giulay. wie es scheint, hatte gar keine Neigung, die Lomellina
zu verlassen, selbst unter der Bedingung keine, daß er sich außerhalb derselben
an der schönen Mittagsseite des Po Lorbeeren holen konnte.

Wir wissen nicht, was er durch sein auf die Südseite entsendetes Recog-


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südwestwärts von Garlasco und ordnet Brückenschläge über den Po zwischen
den Mündungen des Tessin und der Sesia an, die er durch Kanonaden und
Demonstrationen weiter stromaufwärts zu maskiren für nothwendig hält. Eine
Brücke vor seinem Centrum, eine andere vor seinem linken Flügel werden
auch glücklich zu Stande gebracht. Man wird also jetzt den Feind auf der
Südseite, wo er wirklich steht, aufsuchen. Wol ist es noch Zeit. Allerdings
sind die Franzosen seit sechs Tagen in Genua, seit drei Tagen in Turin. Aber
alle sind doch sicher noch nicht da und in Alessandria oder bei Alessandria sind
sie vollends noch nicht. Es gilt also nur bei Cornale (oder Bambio) Massen
über den Fluß zu werfen, am 5. Mai können sie bei Novi, zwischen den Pie-
montesen in Alessandria und den Franzosen in Genua stehen, sie treffen mög¬
licherweise auf französische Divisionen, welche im Anzug von Genua nach
Alessandria sind. Es ist möglich, eine beträchtliche Ueberlegenheit in einzel¬
nen Gefechten zu haben, den Feind zu schlagen, so wenn auch verspätet, zu
gewinnen, was man braucht, den Sieg, den Erfolg. Gespannt schaut die
Welt in diese Gegenden, sie wartet auf Bulletins eines Sieges, die ihr über
Wien zukommen sollen. Statt dessen aber wird die Brücke von Cornale,
es scheint wirklich nur eine statt der drei oder vier, die nothwendig waren,
gewesen zu sein, lediglich dazu benutzt, ein schwaches Detachement hinüber¬
zuschieben, welches in Tortona und Sale requirirt, welches Eisenbahnschienen
auf- und Telegraphendrähte zerreißt.

Unterdessen hatte es mächtig geregnet, das Wasser im Po stieg und be¬
drohte, ja beschädigte die Brücke von Cornale. Das in Oestreich gebräuchliche
Biragosche Brückensystem hat manche Hilfsmittel, sich mit dergleichen Schwie¬
rigkeiten abzufinden. Aber freilich, wenn man nur eine Brücke hat, ist es
bös. unter solchen Umständen eine ganze Armee hinübergehn zu lassen, ins¬
besondere, wenn noch hinzukommt, daß man ganz vergessen hat, man könne
im Nothfall auch auf Piacenza am südlichen Poufer selbst weichen und müsse
nicht nothwendig über die Brücke von Cornale zurückgehn.

Eine Sache, die uns bei den Oestreichern immer aufgefallen ist, die fast
regelmäßig vorkommt, so daß Abweichungen von der Regel wirklich glänzende
Erscheinungen sind, ist diese, daß sie durchaus nicht verstehn, zeitweise etwas,
was sie einmal gepackt haben, freiwillig aufzugeben, um an einem andern
Punkte desto kräftiger positiv zuzugreifen. Eine von den glänzenden' Aus¬
nahmserscheinungen ist in unsern Augen Radetzki, namentlich in dem Moment,
da er Mailand räumte und ohne weiteres an den Mincio zurückging. Der
Feldzeugmeister Giulay. wie es scheint, hatte gar keine Neigung, die Lomellina
zu verlassen, selbst unter der Bedingung keine, daß er sich außerhalb derselben
an der schönen Mittagsseite des Po Lorbeeren holen konnte.

Wir wissen nicht, was er durch sein auf die Südseite entsendetes Recog-


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[0485] südwestwärts von Garlasco und ordnet Brückenschläge über den Po zwischen den Mündungen des Tessin und der Sesia an, die er durch Kanonaden und Demonstrationen weiter stromaufwärts zu maskiren für nothwendig hält. Eine Brücke vor seinem Centrum, eine andere vor seinem linken Flügel werden auch glücklich zu Stande gebracht. Man wird also jetzt den Feind auf der Südseite, wo er wirklich steht, aufsuchen. Wol ist es noch Zeit. Allerdings sind die Franzosen seit sechs Tagen in Genua, seit drei Tagen in Turin. Aber alle sind doch sicher noch nicht da und in Alessandria oder bei Alessandria sind sie vollends noch nicht. Es gilt also nur bei Cornale (oder Bambio) Massen über den Fluß zu werfen, am 5. Mai können sie bei Novi, zwischen den Pie- montesen in Alessandria und den Franzosen in Genua stehen, sie treffen mög¬ licherweise auf französische Divisionen, welche im Anzug von Genua nach Alessandria sind. Es ist möglich, eine beträchtliche Ueberlegenheit in einzel¬ nen Gefechten zu haben, den Feind zu schlagen, so wenn auch verspätet, zu gewinnen, was man braucht, den Sieg, den Erfolg. Gespannt schaut die Welt in diese Gegenden, sie wartet auf Bulletins eines Sieges, die ihr über Wien zukommen sollen. Statt dessen aber wird die Brücke von Cornale, es scheint wirklich nur eine statt der drei oder vier, die nothwendig waren, gewesen zu sein, lediglich dazu benutzt, ein schwaches Detachement hinüber¬ zuschieben, welches in Tortona und Sale requirirt, welches Eisenbahnschienen auf- und Telegraphendrähte zerreißt. Unterdessen hatte es mächtig geregnet, das Wasser im Po stieg und be¬ drohte, ja beschädigte die Brücke von Cornale. Das in Oestreich gebräuchliche Biragosche Brückensystem hat manche Hilfsmittel, sich mit dergleichen Schwie¬ rigkeiten abzufinden. Aber freilich, wenn man nur eine Brücke hat, ist es bös. unter solchen Umständen eine ganze Armee hinübergehn zu lassen, ins¬ besondere, wenn noch hinzukommt, daß man ganz vergessen hat, man könne im Nothfall auch auf Piacenza am südlichen Poufer selbst weichen und müsse nicht nothwendig über die Brücke von Cornale zurückgehn. Eine Sache, die uns bei den Oestreichern immer aufgefallen ist, die fast regelmäßig vorkommt, so daß Abweichungen von der Regel wirklich glänzende Erscheinungen sind, ist diese, daß sie durchaus nicht verstehn, zeitweise etwas, was sie einmal gepackt haben, freiwillig aufzugeben, um an einem andern Punkte desto kräftiger positiv zuzugreifen. Eine von den glänzenden' Aus¬ nahmserscheinungen ist in unsern Augen Radetzki, namentlich in dem Moment, da er Mailand räumte und ohne weiteres an den Mincio zurückging. Der Feldzeugmeister Giulay. wie es scheint, hatte gar keine Neigung, die Lomellina zu verlassen, selbst unter der Bedingung keine, daß er sich außerhalb derselben an der schönen Mittagsseite des Po Lorbeeren holen konnte. Wir wissen nicht, was er durch sein auf die Südseite entsendetes Recog- 60*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/485>, abgerufen am 22.12.2024.