Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Argwohn werden jeden Schritt verfolgen, den sie in deutscher Sache thut. Argwohn werden jeden Schritt verfolgen, den sie in deutscher Sache thut. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107526"/> <p xml:id="ID_1446" prev="#ID_1445"> Argwohn werden jeden Schritt verfolgen, den sie in deutscher Sache thut.<lb/> Dein Kriegseifer der großen Menge, die sich durch die Lectüre ihrer Volks¬<lb/> blätter gewöhnt hat. den Kaiser von Frankreich als ein leicht zu beseitigendes<lb/> Scheusal zu betrachten, die einen Marsch nach Frankreich für eine militärische<lb/> Promenade halten, welcher das französische Volk selbst Blumen streuen wird,<lb/> diesen Politikern von der Kanne wird Preußen schwerlich genug thun. Und<lb/> es wäre nichts an ihrem Raisonnement gelegen, wenn das massenhafte Aus¬<lb/> strömen solcher Politik nicht die Wirkung gehabt Hütte, auch verständigen<lb/> Männern in allen Theilen Deutschlands die Unbefangenheit des Urtheils zu<lb/> beeinträchtigen. Während sie die Widerstandskraft Frankreichs unterschätzen,<lb/> taxiren sie das Unheil, welches Kaiser Napoleon durch seine persönliche Po¬<lb/> litik über Europa gebracht hat und zunächst über Deutschland zu bringen<lb/> droht, viel zu hoch. Der Kaiser ist für uns allerdings kein ungefährlicher<lb/> Nachbar, sein inneres Regierungssystem mag man mit den stärksten Aus¬<lb/> drücken verdammen. Aber hat denn er die Zustände Frankreichs geschaffen,<lb/> in denen sein System und seine Familienpolitik wurzeln? Und serner. welche<lb/> Bürgschaft haben die Kriegseiferer, daß es nach seinem Ende in Frankreich,<lb/> besser wird und sicherer für Deutschland? Wer etwas stürzen will, soll zuvor<lb/> wissen, ob er etwas Besseres an die Stelle zu setzen hat. Wird eine Wirth¬<lb/> schaft seiner Prätorianer, eine Dictatur Mac Masons, Pelissiers oder Can-<lb/> rooerts, wird eine neue Schreckensherrschaft der Socialisten, oder wird der<lb/> nationale Haß der Franzosen gegen einen aufgedrungenen Orleans dem deut¬<lb/> schen Pfahlbürger bessere Bürgschaft geben, daß er ohne Aerger-über die<lb/> Franzosen und ohne Kummer wegen der Rheingrenze seine Zeitung lesen<lb/> könne? Zuverlässig werden die politischen Verhältnisse Frankreichs, wie auch<lb/> seine Zukunft falle, noch lange Zeit die Nachbarvölker beunruhigen. Aber<lb/> wir fürchten, daß es nicht nur die Schlechtigkeit des gegenwärtigen Systems<lb/> ist, welche die deutschen Kammermitgliedcr gegenwärtig in Entrüstung gesetzt<lb/> hat. noch etwas Anderes beunruhigt die Eifriger, der Umstand, daß in des<lb/> Kaisers auswärtiger Politik allerdings ein echt französisches Moment ist.<lb/> Frankreich ist nach Außen unter, ihm nicht kleiner und schwächer geworden.<lb/> Und wir, jetzt seine Gegner, vielleicht in Kurzem seine Feinde im Felde, dür¬<lb/> fen wol aussprechen, daß grade für die Zeit eines Kampfes mit uns diese<lb/> Seite seines Wesens seiner Herrschaft in den Augen aller Franzosen eine hohe<lb/> Berechtigung geben wird. Und wenn wir so nach dem letzten Motiv des<lb/> deutschen Kriegslärms fragen, so ist dieses Motiv in vielen Seelen die heim¬<lb/> liche Furcht vor der Macht und Kraft eines Einzelnen, dem man mißtraut.<lb/> Ein Eifer, der auf solchem Grunde beruht, fragt allerdings wenig, ob zur<lb/> Zeit das Losschlagen vernünftig und berechtigt sei. Es ist den Preußen<lb/> nicht zu verdenken, wenn sie von dieser Art Eifer nichts haben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Argwohn werden jeden Schritt verfolgen, den sie in deutscher Sache thut.
Dein Kriegseifer der großen Menge, die sich durch die Lectüre ihrer Volks¬
blätter gewöhnt hat. den Kaiser von Frankreich als ein leicht zu beseitigendes
Scheusal zu betrachten, die einen Marsch nach Frankreich für eine militärische
Promenade halten, welcher das französische Volk selbst Blumen streuen wird,
diesen Politikern von der Kanne wird Preußen schwerlich genug thun. Und
es wäre nichts an ihrem Raisonnement gelegen, wenn das massenhafte Aus¬
strömen solcher Politik nicht die Wirkung gehabt Hütte, auch verständigen
Männern in allen Theilen Deutschlands die Unbefangenheit des Urtheils zu
beeinträchtigen. Während sie die Widerstandskraft Frankreichs unterschätzen,
taxiren sie das Unheil, welches Kaiser Napoleon durch seine persönliche Po¬
litik über Europa gebracht hat und zunächst über Deutschland zu bringen
droht, viel zu hoch. Der Kaiser ist für uns allerdings kein ungefährlicher
Nachbar, sein inneres Regierungssystem mag man mit den stärksten Aus¬
drücken verdammen. Aber hat denn er die Zustände Frankreichs geschaffen,
in denen sein System und seine Familienpolitik wurzeln? Und serner. welche
Bürgschaft haben die Kriegseiferer, daß es nach seinem Ende in Frankreich,
besser wird und sicherer für Deutschland? Wer etwas stürzen will, soll zuvor
wissen, ob er etwas Besseres an die Stelle zu setzen hat. Wird eine Wirth¬
schaft seiner Prätorianer, eine Dictatur Mac Masons, Pelissiers oder Can-
rooerts, wird eine neue Schreckensherrschaft der Socialisten, oder wird der
nationale Haß der Franzosen gegen einen aufgedrungenen Orleans dem deut¬
schen Pfahlbürger bessere Bürgschaft geben, daß er ohne Aerger-über die
Franzosen und ohne Kummer wegen der Rheingrenze seine Zeitung lesen
könne? Zuverlässig werden die politischen Verhältnisse Frankreichs, wie auch
seine Zukunft falle, noch lange Zeit die Nachbarvölker beunruhigen. Aber
wir fürchten, daß es nicht nur die Schlechtigkeit des gegenwärtigen Systems
ist, welche die deutschen Kammermitgliedcr gegenwärtig in Entrüstung gesetzt
hat. noch etwas Anderes beunruhigt die Eifriger, der Umstand, daß in des
Kaisers auswärtiger Politik allerdings ein echt französisches Moment ist.
Frankreich ist nach Außen unter, ihm nicht kleiner und schwächer geworden.
Und wir, jetzt seine Gegner, vielleicht in Kurzem seine Feinde im Felde, dür¬
fen wol aussprechen, daß grade für die Zeit eines Kampfes mit uns diese
Seite seines Wesens seiner Herrschaft in den Augen aller Franzosen eine hohe
Berechtigung geben wird. Und wenn wir so nach dem letzten Motiv des
deutschen Kriegslärms fragen, so ist dieses Motiv in vielen Seelen die heim¬
liche Furcht vor der Macht und Kraft eines Einzelnen, dem man mißtraut.
Ein Eifer, der auf solchem Grunde beruht, fragt allerdings wenig, ob zur
Zeit das Losschlagen vernünftig und berechtigt sei. Es ist den Preußen
nicht zu verdenken, wenn sie von dieser Art Eifer nichts haben.
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