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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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men. Mancher Student weiß vielleicht schon mehr Geschichte als der Herr
Professur. Indessen denke ich hier wie Sancho Pansa über meine Statthalter¬
schaft- wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand; und habe ich
nur erst die Insel, so will ich sie regieren wie ein Daus!"

Gleichzeitig dachte er an die Herausgabe historischer Memoiren: "in jedem
Band eine angenehme Mannigfaltigkeit, und jeder von einem vikeours Iri-
"toriamo in einem philosophischen Gesichtspunkt und lebhaftem Stil begleitet."
Schon zu Neujahr 1789 ist ein Verleger gefunden: "Dies Unternehmen sichert
mir bei dieser neuen Carriere meine Existenz hinlänglich, ohne mir viel Zeit
wegzunehmen." "Das Hauptgesev, ist, das Original auf drei Fünftheile we¬
nigstens in der Uebersetzung zu reduciren, reine und fließende Sprache und zu¬
weilen eine kleine Nachhilfe, wenn der Text ermattet." "Diese Woche habe
ich fast nichts gethan, als Schmidts Geschichte der Deutschen vorgenommen
und Pütters Grundriß der deutschen Staatsverfassung, welcher letztere meinen
ganzen Beifall hat. Das Ganze ist ein sehr klar auseinandergesetztes Ge¬
mälde aller allmäligen Fortschritte, welche jede politische und geistliche Macht
im Lauf der Geschichte in Deutschland gethan hat. Schmidt ist unendlich
schätzbar durch die Menge der Quellen, die er benutzt hat, und in seiner Zu¬
sammenstellung ist kritische Prüfung; aber er verliert durch seine befangene
parteiische Darstellung wieder sehr. Im Ganzen freue ich mich doch auf die¬
ses unendliche Feld, das durchzuwnudern ist, und die deutsche Geschichte be¬
sonders will ich in der Folge ganz aus ihren Quellen studiren." -- 26. Jan.
1789 an Karoline: "Ich habe in dieser Zeit die Ilistoiro 6e mon temxs
gelesen ... das ist aber auch das einzige stärkende Buch. Ich bin dazu
verdammt, mich durch die geschmacklosesten Pedanten durchzuschlagen, um Dinge
daraus zu lernen, die ich morgen wieder vergesse."

Der Contract wegen der Memoires wird Ende Februar 1789 festgesetzt
(ein Carolin pro Bogen). Grundsätze: "Alles herauszuwerfen, was in der Ge¬
schichte nichts aufklärt, was bloßes Geschwätz, oder pedantische Mikrologie
ist. Charakteristische Kleinigkeiten vorzugsweise zu erhalten. Mit Freiheit
zu übersetzen, daß die wörtliche Treue der Gefälligkeit des Stils nachgesetzt
wird." "Zum Begriff des Memoires geHort, daß der Schriftsteller gesehen
haben muß, wovon er schreibt, und particuläre Aufschlüsse liefert." Auch
diese Auszüge werden meist nach französischen Uebersetzungen angefertigt,
nicht nach den Originalen; Schiller selbst hat wenig daran gethan.

19. März 1789, an Körner: "Weil ich gern diesen Sommer so wenig
als möglich überhäuft werden wollte, und doch eilen mußte, mich in den
Besitz der Universalhistorie zu setzen, die sonst von meinem Collegen Heinrich hätte
weggefangen werden können, so habe ich eine Einleitung in die Weltgeschichte
als xublieum angeschlagen, und blos zur Form noch meine niederländische


men. Mancher Student weiß vielleicht schon mehr Geschichte als der Herr
Professur. Indessen denke ich hier wie Sancho Pansa über meine Statthalter¬
schaft- wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand; und habe ich
nur erst die Insel, so will ich sie regieren wie ein Daus!"

Gleichzeitig dachte er an die Herausgabe historischer Memoiren: „in jedem
Band eine angenehme Mannigfaltigkeit, und jeder von einem vikeours Iri-
»toriamo in einem philosophischen Gesichtspunkt und lebhaftem Stil begleitet."
Schon zu Neujahr 1789 ist ein Verleger gefunden: „Dies Unternehmen sichert
mir bei dieser neuen Carriere meine Existenz hinlänglich, ohne mir viel Zeit
wegzunehmen." „Das Hauptgesev, ist, das Original auf drei Fünftheile we¬
nigstens in der Uebersetzung zu reduciren, reine und fließende Sprache und zu¬
weilen eine kleine Nachhilfe, wenn der Text ermattet." «Diese Woche habe
ich fast nichts gethan, als Schmidts Geschichte der Deutschen vorgenommen
und Pütters Grundriß der deutschen Staatsverfassung, welcher letztere meinen
ganzen Beifall hat. Das Ganze ist ein sehr klar auseinandergesetztes Ge¬
mälde aller allmäligen Fortschritte, welche jede politische und geistliche Macht
im Lauf der Geschichte in Deutschland gethan hat. Schmidt ist unendlich
schätzbar durch die Menge der Quellen, die er benutzt hat, und in seiner Zu¬
sammenstellung ist kritische Prüfung; aber er verliert durch seine befangene
parteiische Darstellung wieder sehr. Im Ganzen freue ich mich doch auf die¬
ses unendliche Feld, das durchzuwnudern ist, und die deutsche Geschichte be¬
sonders will ich in der Folge ganz aus ihren Quellen studiren." — 26. Jan.
1789 an Karoline: „Ich habe in dieser Zeit die Ilistoiro 6e mon temxs
gelesen ... das ist aber auch das einzige stärkende Buch. Ich bin dazu
verdammt, mich durch die geschmacklosesten Pedanten durchzuschlagen, um Dinge
daraus zu lernen, die ich morgen wieder vergesse."

Der Contract wegen der Memoires wird Ende Februar 1789 festgesetzt
(ein Carolin pro Bogen). Grundsätze: „Alles herauszuwerfen, was in der Ge¬
schichte nichts aufklärt, was bloßes Geschwätz, oder pedantische Mikrologie
ist. Charakteristische Kleinigkeiten vorzugsweise zu erhalten. Mit Freiheit
zu übersetzen, daß die wörtliche Treue der Gefälligkeit des Stils nachgesetzt
wird." „Zum Begriff des Memoires geHort, daß der Schriftsteller gesehen
haben muß, wovon er schreibt, und particuläre Aufschlüsse liefert." Auch
diese Auszüge werden meist nach französischen Uebersetzungen angefertigt,
nicht nach den Originalen; Schiller selbst hat wenig daran gethan.

19. März 1789, an Körner: „Weil ich gern diesen Sommer so wenig
als möglich überhäuft werden wollte, und doch eilen mußte, mich in den
Besitz der Universalhistorie zu setzen, die sonst von meinem Collegen Heinrich hätte
weggefangen werden können, so habe ich eine Einleitung in die Weltgeschichte
als xublieum angeschlagen, und blos zur Form noch meine niederländische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/463>, abgerufen am 23.12.2024.