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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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sich nic durch gemüthliches Zureden ihm zu vertrauen, sondern die Aucrkennuna,
die durch kräftiges Handeln erzwungen wird, das sind die Sympathien, die
Werth haben. Die Regierung kann sich über die Lage des Landes nicht täuschen.
Wenn sie darauf gefaßt ist, nach den Uniständen früher oder später das Land in
ein Lager zu verwandeln, das Volk zu den Waffen zu rufen, so kann sie zur Vor¬
bereitung nicht Monate lang sich und das Volk auf das übermüthigste beleidigen
lassen; Leute, die höhnische Reden einstecken sind keine Krieger. Wir können von
jetzt ab erwarten, daß unsere Diplomatie alles Wortgeflunkcr. welches sich an unserem
Recht und an unserer Ehre vergeht, kurz und gut von sich fern zu halten verstehe;
wir wünschen jetzt das ceterum esnseo aus ihrem Munde zu wissen, daß Preußen
nicht durch Phrasen, sondern durch die Gewalt der Waffen bezwungen werde." Der
thüringer Korrespondent geht aber noch weiter, er stellt es zwar als den äußersten
Fall dar, den man aufs sorgfältigste vermeiden müsse, der aber doch in Betracht
komme: -- daß Deutschland ohne Preußen in den Kampf geht! -- Es ist wunderbar,
Wie eine unklare phantastische Stimmung auch besonnene Männer ansteckt, die doch
sonst nicht auf Redensarten, sondern aus Realitäten zu sehn gewohnt sind. Soll etwa
Oestreich mit dem übrigen Deutschland ohne Preußen auch in Paris, Moskau und Turin
zugleich einrücken? oder meint man etwa, daß Preußen zusehn darf, wenn Hannover,
Mecklenburg, Hessen-Kassel und andere Staaten Frankreich mit Krieg überziehen?
Man hat immer so viel hin und her vom rechtlichen Standpunkt über die Sou-
verainetät der einzelnen Staaten und über ihre Befugniß Krieg zu führen geredet,
daß man darüber ganz die Untersuchung der realen Mittel Krieg zu führen ver¬
gessen hat. In dieser Beziehung ist die Souveränetät eines jeden Staats begrenzt.
Wenn Anhalt-Dessau ohne Preußens Einwilligung keinen andern Staat mit Krieg
überziehen kann, weil seine Truppen preußisches Gebiet berühren müssen, so hat sich
in der neufchatcllcr Angelegenheit traurigen Angedenkens gezeigt, daß auch Preußens
Kriegsmacht seine Grenzen hat. Ohne Frankreichs Vermittelung wäre damals Preußen,
dank den östreichischen Intriguen, obgleich es das vollste Recht auf seiner Seite hatte,
schwer gedemüthigt worden. Eine solche reale Schranke der Souveränetät kann die
Würde eines Staats nicht beeinträchtigen. Die norddeutschen Staaten können ihrer
Lage nach keinen Krieg führen, ohne Preußen entweder zum Verbündeten oder zum
Feinde zu haben; wenn sie aber daraus folgern, daß Preußen in jedem Kriege, den
sie anfangen, ihr Verbündeter sein muß, so ist das eine übereilte Folgerung. Die
Sache ist so ernst-, so folgenschwer, so verhängnißvoll für Deutschlands Zukunft, daß
die frivole Art, mit welcher die modernsten Vertreter der Volkssouvcränetüt sie be¬
handeln, jeden redlichen Freund des Vaterlandes empören muß. --

So' sorgfältig in diesem Augenblick der Krisis alles zu vermeiden
ist, was die Uneinigkeit in Deutschland durch Erneuerung des alten Partcihadcrs
vermehren kann, so dürfen wir doch Symptome der Parteiung nicht unbeachtet
lassen, die eine Gefahr für den Staat verrathen. -- Ein cclatantes Beispiel gibt
eine Correspondenz, die sich die Kreuzzeitung aus Süddeutschland schreiben läßt; lei¬
der haben wir sie im Augenblick nicht vor Augen und können nicht wörtlich citiren;
doch ist der Sinn folgender: die jetzige Richtung der preußischen Regierung fd. h.
das gegenwärtige Ministeriumj habe allseitig so großen Argwohn erregt, daß zu be-


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sich nic durch gemüthliches Zureden ihm zu vertrauen, sondern die Aucrkennuna,
die durch kräftiges Handeln erzwungen wird, das sind die Sympathien, die
Werth haben. Die Regierung kann sich über die Lage des Landes nicht täuschen.
Wenn sie darauf gefaßt ist, nach den Uniständen früher oder später das Land in
ein Lager zu verwandeln, das Volk zu den Waffen zu rufen, so kann sie zur Vor¬
bereitung nicht Monate lang sich und das Volk auf das übermüthigste beleidigen
lassen; Leute, die höhnische Reden einstecken sind keine Krieger. Wir können von
jetzt ab erwarten, daß unsere Diplomatie alles Wortgeflunkcr. welches sich an unserem
Recht und an unserer Ehre vergeht, kurz und gut von sich fern zu halten verstehe;
wir wünschen jetzt das ceterum esnseo aus ihrem Munde zu wissen, daß Preußen
nicht durch Phrasen, sondern durch die Gewalt der Waffen bezwungen werde." Der
thüringer Korrespondent geht aber noch weiter, er stellt es zwar als den äußersten
Fall dar, den man aufs sorgfältigste vermeiden müsse, der aber doch in Betracht
komme: — daß Deutschland ohne Preußen in den Kampf geht! — Es ist wunderbar,
Wie eine unklare phantastische Stimmung auch besonnene Männer ansteckt, die doch
sonst nicht auf Redensarten, sondern aus Realitäten zu sehn gewohnt sind. Soll etwa
Oestreich mit dem übrigen Deutschland ohne Preußen auch in Paris, Moskau und Turin
zugleich einrücken? oder meint man etwa, daß Preußen zusehn darf, wenn Hannover,
Mecklenburg, Hessen-Kassel und andere Staaten Frankreich mit Krieg überziehen?
Man hat immer so viel hin und her vom rechtlichen Standpunkt über die Sou-
verainetät der einzelnen Staaten und über ihre Befugniß Krieg zu führen geredet,
daß man darüber ganz die Untersuchung der realen Mittel Krieg zu führen ver¬
gessen hat. In dieser Beziehung ist die Souveränetät eines jeden Staats begrenzt.
Wenn Anhalt-Dessau ohne Preußens Einwilligung keinen andern Staat mit Krieg
überziehen kann, weil seine Truppen preußisches Gebiet berühren müssen, so hat sich
in der neufchatcllcr Angelegenheit traurigen Angedenkens gezeigt, daß auch Preußens
Kriegsmacht seine Grenzen hat. Ohne Frankreichs Vermittelung wäre damals Preußen,
dank den östreichischen Intriguen, obgleich es das vollste Recht auf seiner Seite hatte,
schwer gedemüthigt worden. Eine solche reale Schranke der Souveränetät kann die
Würde eines Staats nicht beeinträchtigen. Die norddeutschen Staaten können ihrer
Lage nach keinen Krieg führen, ohne Preußen entweder zum Verbündeten oder zum
Feinde zu haben; wenn sie aber daraus folgern, daß Preußen in jedem Kriege, den
sie anfangen, ihr Verbündeter sein muß, so ist das eine übereilte Folgerung. Die
Sache ist so ernst-, so folgenschwer, so verhängnißvoll für Deutschlands Zukunft, daß
die frivole Art, mit welcher die modernsten Vertreter der Volkssouvcränetüt sie be¬
handeln, jeden redlichen Freund des Vaterlandes empören muß. —

So' sorgfältig in diesem Augenblick der Krisis alles zu vermeiden
ist, was die Uneinigkeit in Deutschland durch Erneuerung des alten Partcihadcrs
vermehren kann, so dürfen wir doch Symptome der Parteiung nicht unbeachtet
lassen, die eine Gefahr für den Staat verrathen. — Ein cclatantes Beispiel gibt
eine Correspondenz, die sich die Kreuzzeitung aus Süddeutschland schreiben läßt; lei¬
der haben wir sie im Augenblick nicht vor Augen und können nicht wörtlich citiren;
doch ist der Sinn folgender: die jetzige Richtung der preußischen Regierung fd. h.
das gegenwärtige Ministeriumj habe allseitig so großen Argwohn erregt, daß zu be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/445>, abgerufen am 23.12.2024.