Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Tages erwartet, an welchem der Einzug in Paris einem verehrungswürdigen Pu- Die Rede des Freiherrn v. Beust erinnert in mancher Beziehung an die Rede In der That scheint sich mehr und mehr die Ueberzeugung herauszustellen, daß Tages erwartet, an welchem der Einzug in Paris einem verehrungswürdigen Pu- Die Rede des Freiherrn v. Beust erinnert in mancher Beziehung an die Rede In der That scheint sich mehr und mehr die Ueberzeugung herauszustellen, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107491"/> <p xml:id="ID_1347" prev="#ID_1346"> Tages erwartet, an welchem der Einzug in Paris einem verehrungswürdigen Pu-<lb/> blicum vorgeführt werden sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1348"> Die Rede des Freiherrn v. Beust erinnert in mancher Beziehung an die Rede<lb/> des Freiherrn von Schlcinitz. Beide polcmisircn gegen die Presse, der eine gegen<lb/> die preußische, der andere gegen die süddeutsche. Wenn der sächsische Minister es<lb/> für nothwendig hielt, die Meinung zu widerlegen, daß Sachsen keine eigne politische<lb/> Ueberzeugung, kein Recht und keine Pflicht Halle, für die deutsche Sache nach dieser<lb/> Ueberzeugung einzutreten, so wissen wir nicht, wer diese unsinnige Meinung aus¬<lb/> gesprochen haben mag: nur aus der Einstimmigkeit aller deutschen Stämme kann<lb/> ein allgemeiner deutscher Aufschwung hervorgehn. Aber wenn wir uns mit dem<lb/> Zweck einverstanden erklären, so erscheint uns die Wahl der Mittel zweifelhaft. Es<lb/> gab nur ein Mittel, die Einigkeit Deutschlands wirklich hervorzubringen, das herz¬<lb/> liche, offene und redliche Einvernehmen mit Preußen. Statt dessen hat mau mit<lb/> Oestreich und den andern Mittelstaatcn verhandelt und man hat nicht einen einzigen<lb/> Schritt gethan, den gerechten Ansprüchen, die Preuße» machen mußte, wenn der<lb/> furchtbare Krieg mit einiger Hoffnung auf Erfolg aufgenommen werden sollte, ent¬<lb/> gegenzukommen. Zwar sind uns die diplomatischen Verhandlungen vollkommen un¬<lb/> bekannt und auch die preußische Negierung hat leider das Volk vollständig im Un¬<lb/> klaren darüber gelassen, was sie eigentlich begehrt, aber die Thatsachen schreien laut<lb/> genug. Die Miltclstaaten mußten nicht erst abwarten, daß Preußen für diese Zeit<lb/> der Noth die Leitung der deutschen Angelegenheit begehrte, sondern sie mußten sie<lb/> auf das dringendste von ihm fordern. Es ist Raserei, die Sache so darzustellen,<lb/> als sei Preußen der am meisten gefährdete Theil.</p><lb/> <p xml:id="ID_1349" next="#ID_1350"> In der That scheint sich mehr und mehr die Ueberzeugung herauszustellen, daß<lb/> der bisher eingeschlagene Weg ein unrichtiger war. So schlägt z. B. der gut unter¬<lb/> richtete Correspondent der Leipziger Zeitung aus Thüringen am 3. Juni einen ganz<lb/> andern Ton an; er gesteht zu, daß die preußische Armee am frühesten gerüstet war,<lb/> während andere Kontingente noch sehr im Rückstand sind, er bezeichnet den Antrag<lb/> Hannovers als ein Vertrauensvotum, er sagt: „man kann es begreifen und sich da¬<lb/> bei beruhigen, daß Preußen die übrigen Regierungen gerüstet (hört!), den Kampf be¬<lb/> gonnen sehn und die Wendung desselben abwarten wollte." Er setzt hinzu: „die<lb/> Stimmung Deutschlands mag der Zeit nach zu früh den Grad, den wir sahen, ge¬<lb/> funden, man mag ihr statt einer zwei Richtungen, die zweite zum Nachtheil der<lb/> ersten gegeben haben." — Ja wol! man hat ihr zwei Richtungen gegeben<lb/> und es ist möglich, daß die Richtung gegen Preußen die Richtung gegen Frank¬<lb/> reich nicht fördert! Wenn er aber dann hinzusetzt: „genug sie ist da!" und mit<lb/> dieser Bemerkung die Sache erledigt zu haben glaubt, so erlauben wir uns dieser<lb/> ultradcmvkratischen Idee, diesem fanatischen Aberglauben an die Volkssouveränetät<lb/> die Worte der Nationalzcitung entgegenzuhalten, die man wenigstens nicht einer<lb/> antidemokratischen Richtung beschuldigen wird: „Eine sich selbst unklare Deutsch-<lb/> thümelei hat die verwirrende Lehre verbreitet, daß Preußen stets nach „Sympathien"<lb/> trachten müsse; dieser Satz ist, wenn er falsch verstanden und thöricht angewendet<lb/> wird, der Nagel zum Sarge Preußens. Jeder Vernünftige muß einsehen, daß wir<lb/> so gut einen Mohren weiß zu waschen wie der östreichischen Partei der deutschen<lb/> Höfe Sympathien abzugewinnen im Stande sind; überhaupt aber fördert ein Staat</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
Tages erwartet, an welchem der Einzug in Paris einem verehrungswürdigen Pu-
blicum vorgeführt werden sollte.
Die Rede des Freiherrn v. Beust erinnert in mancher Beziehung an die Rede
des Freiherrn von Schlcinitz. Beide polcmisircn gegen die Presse, der eine gegen
die preußische, der andere gegen die süddeutsche. Wenn der sächsische Minister es
für nothwendig hielt, die Meinung zu widerlegen, daß Sachsen keine eigne politische
Ueberzeugung, kein Recht und keine Pflicht Halle, für die deutsche Sache nach dieser
Ueberzeugung einzutreten, so wissen wir nicht, wer diese unsinnige Meinung aus¬
gesprochen haben mag: nur aus der Einstimmigkeit aller deutschen Stämme kann
ein allgemeiner deutscher Aufschwung hervorgehn. Aber wenn wir uns mit dem
Zweck einverstanden erklären, so erscheint uns die Wahl der Mittel zweifelhaft. Es
gab nur ein Mittel, die Einigkeit Deutschlands wirklich hervorzubringen, das herz¬
liche, offene und redliche Einvernehmen mit Preußen. Statt dessen hat mau mit
Oestreich und den andern Mittelstaatcn verhandelt und man hat nicht einen einzigen
Schritt gethan, den gerechten Ansprüchen, die Preuße» machen mußte, wenn der
furchtbare Krieg mit einiger Hoffnung auf Erfolg aufgenommen werden sollte, ent¬
gegenzukommen. Zwar sind uns die diplomatischen Verhandlungen vollkommen un¬
bekannt und auch die preußische Negierung hat leider das Volk vollständig im Un¬
klaren darüber gelassen, was sie eigentlich begehrt, aber die Thatsachen schreien laut
genug. Die Miltclstaaten mußten nicht erst abwarten, daß Preußen für diese Zeit
der Noth die Leitung der deutschen Angelegenheit begehrte, sondern sie mußten sie
auf das dringendste von ihm fordern. Es ist Raserei, die Sache so darzustellen,
als sei Preußen der am meisten gefährdete Theil.
In der That scheint sich mehr und mehr die Ueberzeugung herauszustellen, daß
der bisher eingeschlagene Weg ein unrichtiger war. So schlägt z. B. der gut unter¬
richtete Correspondent der Leipziger Zeitung aus Thüringen am 3. Juni einen ganz
andern Ton an; er gesteht zu, daß die preußische Armee am frühesten gerüstet war,
während andere Kontingente noch sehr im Rückstand sind, er bezeichnet den Antrag
Hannovers als ein Vertrauensvotum, er sagt: „man kann es begreifen und sich da¬
bei beruhigen, daß Preußen die übrigen Regierungen gerüstet (hört!), den Kampf be¬
gonnen sehn und die Wendung desselben abwarten wollte." Er setzt hinzu: „die
Stimmung Deutschlands mag der Zeit nach zu früh den Grad, den wir sahen, ge¬
funden, man mag ihr statt einer zwei Richtungen, die zweite zum Nachtheil der
ersten gegeben haben." — Ja wol! man hat ihr zwei Richtungen gegeben
und es ist möglich, daß die Richtung gegen Preußen die Richtung gegen Frank¬
reich nicht fördert! Wenn er aber dann hinzusetzt: „genug sie ist da!" und mit
dieser Bemerkung die Sache erledigt zu haben glaubt, so erlauben wir uns dieser
ultradcmvkratischen Idee, diesem fanatischen Aberglauben an die Volkssouveränetät
die Worte der Nationalzcitung entgegenzuhalten, die man wenigstens nicht einer
antidemokratischen Richtung beschuldigen wird: „Eine sich selbst unklare Deutsch-
thümelei hat die verwirrende Lehre verbreitet, daß Preußen stets nach „Sympathien"
trachten müsse; dieser Satz ist, wenn er falsch verstanden und thöricht angewendet
wird, der Nagel zum Sarge Preußens. Jeder Vernünftige muß einsehen, daß wir
so gut einen Mohren weiß zu waschen wie der östreichischen Partei der deutschen
Höfe Sympathien abzugewinnen im Stande sind; überhaupt aber fördert ein Staat
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