Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jener katholische Schriftsteller weiß auch sehr wohl, daß der Bart und
der Mantel das Abzeichen der griechischen Philosophen war, denn er erkennt
dieselben an der Figur des Bessarion und seines Lehrers Gemisthus Pletho
auf Rafaels Disputa ohne weiteres als solches an, deren letzterer, nebenbei
bemerkt, Stifter der Platonischen Akademie zu Florenz war. Wird er nun
wol auch zugeben, daß das Costüm der Apostel und der apostolischen Väter,
das natürlich auch auf die Gestalten des alten Testamentes überging, nichts
Anderes ist, als der griechische Philosophenbart und Philosophenniantel, oder
sollen wir nach Art dieser faselnden Symboliker vielleicht nur den Mantel
christlicher Liebe darin sehen?

Gleich viel! Auf die Gefahr hin schon wieder etwas Kirchenfeindliches
und Akatholisches zu begehen, ziehen wir es vor, die Frage uns selbst zu be¬
antworten. Jedenfalls sind wir dann sicher, nicht nach vorgefaßten Meinun¬
gen im Dienst der Kirche, sondern unbefangen nach der Lage der Dinge und
im Dienst der Wissenschaft die Sache zu beurtheilen.

Das Pallium der griechischen Philosophen nahm Marcus Aurelius Philo-
sophus, wie wir wissen, bereits als zwölfjähriger Knabe; den langen Philo¬
sophenbart aber trug kein römischer Kaiser vor dem gleichfalls philosophisch
gebildeten Kaiser Hadrian. Diese beiden Thatsachen, meine ich, beweisen
iur Genüge, daß diese Tracht in der römischen Kaiserzeit bereits eine ziem¬
lich verbreitete, ja, daß das Philosophenpallium vielleicht bereits eine Art
Ehrenkleid geworden war. Als solches wird es wenigstens von dem Ge¬
schichtschreiber der ravennatischen Bischöfe, Agnellus, um die Mitte des
neunten Jahrhunderts angesehen und angeführt. Derselbe berichtet: Valen-
tinian der Dritte hätte den Bischof Johannes Angeloptes von Ravenna so
hoch verehrt, daß er vor demselben niedergefallen sei und ihm außer andern
Geschenken vierzehn bischöfliche Kirchen in Flammten und Aemilien übergeben,
außerdem aber auch das Pallium, das kaiserliche Ehrenkleid zu tragen er¬
laubt habe. Wir wollen damit keineswegs gesagt haben, daß das Pallium
der Philosophen auch schon in der frühern Zeit diese hohe Stellung einge¬
nommen habe, die es erst in Byzanz erlangte; dagegen glauben wir aller¬
dings diesen Umstand, bei dem überwiegenden Einfluß des Byzantinismus
auf die bildende Kunst im Mittelalter, als den Grund ansehen zu müssen,
weshalb diese Tracht den Aposteln und den apostolischen Vätern im Abend¬
lande in einer Zeit unangefochten verblieben ist, wo die Kirche bereits eine
besondere der heidnischen Priestertracht nachgeahmte Amtskleidung eingeführt
hatte.

Als Eustathius, Bischof von Sebastia, den Philosophenmantel im Gegen¬
satz zu der zur Zeit Konstantins etwa eingeführten Priesterkleidung wieder auf¬
bringen wollte und deshalb auch andere zu solcher Demuth gleichfalls er-


52*

Jener katholische Schriftsteller weiß auch sehr wohl, daß der Bart und
der Mantel das Abzeichen der griechischen Philosophen war, denn er erkennt
dieselben an der Figur des Bessarion und seines Lehrers Gemisthus Pletho
auf Rafaels Disputa ohne weiteres als solches an, deren letzterer, nebenbei
bemerkt, Stifter der Platonischen Akademie zu Florenz war. Wird er nun
wol auch zugeben, daß das Costüm der Apostel und der apostolischen Väter,
das natürlich auch auf die Gestalten des alten Testamentes überging, nichts
Anderes ist, als der griechische Philosophenbart und Philosophenniantel, oder
sollen wir nach Art dieser faselnden Symboliker vielleicht nur den Mantel
christlicher Liebe darin sehen?

Gleich viel! Auf die Gefahr hin schon wieder etwas Kirchenfeindliches
und Akatholisches zu begehen, ziehen wir es vor, die Frage uns selbst zu be¬
antworten. Jedenfalls sind wir dann sicher, nicht nach vorgefaßten Meinun¬
gen im Dienst der Kirche, sondern unbefangen nach der Lage der Dinge und
im Dienst der Wissenschaft die Sache zu beurtheilen.

Das Pallium der griechischen Philosophen nahm Marcus Aurelius Philo-
sophus, wie wir wissen, bereits als zwölfjähriger Knabe; den langen Philo¬
sophenbart aber trug kein römischer Kaiser vor dem gleichfalls philosophisch
gebildeten Kaiser Hadrian. Diese beiden Thatsachen, meine ich, beweisen
iur Genüge, daß diese Tracht in der römischen Kaiserzeit bereits eine ziem¬
lich verbreitete, ja, daß das Philosophenpallium vielleicht bereits eine Art
Ehrenkleid geworden war. Als solches wird es wenigstens von dem Ge¬
schichtschreiber der ravennatischen Bischöfe, Agnellus, um die Mitte des
neunten Jahrhunderts angesehen und angeführt. Derselbe berichtet: Valen-
tinian der Dritte hätte den Bischof Johannes Angeloptes von Ravenna so
hoch verehrt, daß er vor demselben niedergefallen sei und ihm außer andern
Geschenken vierzehn bischöfliche Kirchen in Flammten und Aemilien übergeben,
außerdem aber auch das Pallium, das kaiserliche Ehrenkleid zu tragen er¬
laubt habe. Wir wollen damit keineswegs gesagt haben, daß das Pallium
der Philosophen auch schon in der frühern Zeit diese hohe Stellung einge¬
nommen habe, die es erst in Byzanz erlangte; dagegen glauben wir aller¬
dings diesen Umstand, bei dem überwiegenden Einfluß des Byzantinismus
auf die bildende Kunst im Mittelalter, als den Grund ansehen zu müssen,
weshalb diese Tracht den Aposteln und den apostolischen Vätern im Abend¬
lande in einer Zeit unangefochten verblieben ist, wo die Kirche bereits eine
besondere der heidnischen Priestertracht nachgeahmte Amtskleidung eingeführt
hatte.

Als Eustathius, Bischof von Sebastia, den Philosophenmantel im Gegen¬
satz zu der zur Zeit Konstantins etwa eingeführten Priesterkleidung wieder auf¬
bringen wollte und deshalb auch andere zu solcher Demuth gleichfalls er-


52*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0421" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107468"/>
          <p xml:id="ID_1256"> Jener katholische Schriftsteller weiß auch sehr wohl, daß der Bart und<lb/>
der Mantel das Abzeichen der griechischen Philosophen war, denn er erkennt<lb/>
dieselben an der Figur des Bessarion und seines Lehrers Gemisthus Pletho<lb/>
auf Rafaels Disputa ohne weiteres als solches an, deren letzterer, nebenbei<lb/>
bemerkt, Stifter der Platonischen Akademie zu Florenz war. Wird er nun<lb/>
wol auch zugeben, daß das Costüm der Apostel und der apostolischen Väter,<lb/>
das natürlich auch auf die Gestalten des alten Testamentes überging, nichts<lb/>
Anderes ist, als der griechische Philosophenbart und Philosophenniantel, oder<lb/>
sollen wir nach Art dieser faselnden Symboliker vielleicht nur den Mantel<lb/>
christlicher Liebe darin sehen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1257"> Gleich viel! Auf die Gefahr hin schon wieder etwas Kirchenfeindliches<lb/>
und Akatholisches zu begehen, ziehen wir es vor, die Frage uns selbst zu be¬<lb/>
antworten. Jedenfalls sind wir dann sicher, nicht nach vorgefaßten Meinun¬<lb/>
gen im Dienst der Kirche, sondern unbefangen nach der Lage der Dinge und<lb/>
im Dienst der Wissenschaft die Sache zu beurtheilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1258"> Das Pallium der griechischen Philosophen nahm Marcus Aurelius Philo-<lb/>
sophus, wie wir wissen, bereits als zwölfjähriger Knabe; den langen Philo¬<lb/>
sophenbart aber trug kein römischer Kaiser vor dem gleichfalls philosophisch<lb/>
gebildeten Kaiser Hadrian. Diese beiden Thatsachen, meine ich, beweisen<lb/>
iur Genüge, daß diese Tracht in der römischen Kaiserzeit bereits eine ziem¬<lb/>
lich verbreitete, ja, daß das Philosophenpallium vielleicht bereits eine Art<lb/>
Ehrenkleid geworden war. Als solches wird es wenigstens von dem Ge¬<lb/>
schichtschreiber der ravennatischen Bischöfe, Agnellus, um die Mitte des<lb/>
neunten Jahrhunderts angesehen und angeführt. Derselbe berichtet: Valen-<lb/>
tinian der Dritte hätte den Bischof Johannes Angeloptes von Ravenna so<lb/>
hoch verehrt, daß er vor demselben niedergefallen sei und ihm außer andern<lb/>
Geschenken vierzehn bischöfliche Kirchen in Flammten und Aemilien übergeben,<lb/>
außerdem aber auch das Pallium, das kaiserliche Ehrenkleid zu tragen er¬<lb/>
laubt habe. Wir wollen damit keineswegs gesagt haben, daß das Pallium<lb/>
der Philosophen auch schon in der frühern Zeit diese hohe Stellung einge¬<lb/>
nommen habe, die es erst in Byzanz erlangte; dagegen glauben wir aller¬<lb/>
dings diesen Umstand, bei dem überwiegenden Einfluß des Byzantinismus<lb/>
auf die bildende Kunst im Mittelalter, als den Grund ansehen zu müssen,<lb/>
weshalb diese Tracht den Aposteln und den apostolischen Vätern im Abend¬<lb/>
lande in einer Zeit unangefochten verblieben ist, wo die Kirche bereits eine<lb/>
besondere der heidnischen Priestertracht nachgeahmte Amtskleidung eingeführt<lb/>
hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1259" next="#ID_1260"> Als Eustathius, Bischof von Sebastia, den Philosophenmantel im Gegen¬<lb/>
satz zu der zur Zeit Konstantins etwa eingeführten Priesterkleidung wieder auf¬<lb/>
bringen wollte und deshalb auch andere zu solcher Demuth gleichfalls er-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 52*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0421] Jener katholische Schriftsteller weiß auch sehr wohl, daß der Bart und der Mantel das Abzeichen der griechischen Philosophen war, denn er erkennt dieselben an der Figur des Bessarion und seines Lehrers Gemisthus Pletho auf Rafaels Disputa ohne weiteres als solches an, deren letzterer, nebenbei bemerkt, Stifter der Platonischen Akademie zu Florenz war. Wird er nun wol auch zugeben, daß das Costüm der Apostel und der apostolischen Väter, das natürlich auch auf die Gestalten des alten Testamentes überging, nichts Anderes ist, als der griechische Philosophenbart und Philosophenniantel, oder sollen wir nach Art dieser faselnden Symboliker vielleicht nur den Mantel christlicher Liebe darin sehen? Gleich viel! Auf die Gefahr hin schon wieder etwas Kirchenfeindliches und Akatholisches zu begehen, ziehen wir es vor, die Frage uns selbst zu be¬ antworten. Jedenfalls sind wir dann sicher, nicht nach vorgefaßten Meinun¬ gen im Dienst der Kirche, sondern unbefangen nach der Lage der Dinge und im Dienst der Wissenschaft die Sache zu beurtheilen. Das Pallium der griechischen Philosophen nahm Marcus Aurelius Philo- sophus, wie wir wissen, bereits als zwölfjähriger Knabe; den langen Philo¬ sophenbart aber trug kein römischer Kaiser vor dem gleichfalls philosophisch gebildeten Kaiser Hadrian. Diese beiden Thatsachen, meine ich, beweisen iur Genüge, daß diese Tracht in der römischen Kaiserzeit bereits eine ziem¬ lich verbreitete, ja, daß das Philosophenpallium vielleicht bereits eine Art Ehrenkleid geworden war. Als solches wird es wenigstens von dem Ge¬ schichtschreiber der ravennatischen Bischöfe, Agnellus, um die Mitte des neunten Jahrhunderts angesehen und angeführt. Derselbe berichtet: Valen- tinian der Dritte hätte den Bischof Johannes Angeloptes von Ravenna so hoch verehrt, daß er vor demselben niedergefallen sei und ihm außer andern Geschenken vierzehn bischöfliche Kirchen in Flammten und Aemilien übergeben, außerdem aber auch das Pallium, das kaiserliche Ehrenkleid zu tragen er¬ laubt habe. Wir wollen damit keineswegs gesagt haben, daß das Pallium der Philosophen auch schon in der frühern Zeit diese hohe Stellung einge¬ nommen habe, die es erst in Byzanz erlangte; dagegen glauben wir aller¬ dings diesen Umstand, bei dem überwiegenden Einfluß des Byzantinismus auf die bildende Kunst im Mittelalter, als den Grund ansehen zu müssen, weshalb diese Tracht den Aposteln und den apostolischen Vätern im Abend¬ lande in einer Zeit unangefochten verblieben ist, wo die Kirche bereits eine besondere der heidnischen Priestertracht nachgeahmte Amtskleidung eingeführt hatte. Als Eustathius, Bischof von Sebastia, den Philosophenmantel im Gegen¬ satz zu der zur Zeit Konstantins etwa eingeführten Priesterkleidung wieder auf¬ bringen wollte und deshalb auch andere zu solcher Demuth gleichfalls er- 52*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/421
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/421>, abgerufen am 23.12.2024.