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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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einen unermeßlichen Aufschwung nehmen und die chinesischen Kaufleute werden
sich dann nur der ausländischen Schiffer und Rheder zur Einführung ihrer
Bedürfnisse an Waaren bedienen. Dazu kommen endlich andere Bestimmungen,
durch welche das Tonnengeld auf ein Fünftel, die Einfuhrzölle auf die Hälfte,
die Ausfuhrzölle auf zwei Drittel des bisherigen Betrags ermäßigt sind, und
die fernere, welche den Fremden alle nicht im Aufstand begriffenen Theile des
Landes zu bereisen gestattet. Da in Bezug auf letzteres keine Straßen oder
Entfernungen angegeben sind und ebenso wenig die Art und Menge der
Waaren festgestellt ist, welche der Reisende mit sich führen dürfe, so kann
letzterer jede beliebige Quantität Waaren an jedem ihm passend scheinenden
Orte (Peking allein ausgenommen) verkaufen oder gegen Landesproducte aus¬
tauschen. Was der Fremde durch den Ausschluß seiner Schiffe von einem
und dem andern See- oder Flußhafen verliert, kann er demnach durch seine
Züge im Binnenland ersetzen. Seine Waaren sind nur müßigen und für
immer feststehenden Abgaben unterworfen, seine Person ist unverletzlich, und
so wird er die Concurrenz der Eingebornen nicht zu scheuen haben, ja sie
Mit der Zeit von allen Hauptmärkten verdrängen. - Mit einem Wort, China
ist in den Händen der Mächte, die jene Verträge erzWangen, und die eng¬
lische und amerikanische Speculation wird nicht säumen, die ihnen gebotenen
Vortheile auszubeuten. Und auf die Eroberung durch den Handel wird eine
Eroberung durch Soldaten und Diplomaten folgen. England hat schon an
dem Besitz Indiens eme Last. Aber es muß Indien behalten, wenn es eine
Weltmacht bleiben will, und um Indien zu behalten, muß es China, wenig¬
stens Südchina erobern. Sonst füllt China und mit China Indien in die
Hände Rußlands. Der Vertrag von Tientsin ist der erste Baustein zu dem
Gebunde eiues anglochinesischen Reiches, die neuen Consuln in China werden
in kurzem sich in Prvconsuln verwandeln.

Die Ereignisse in China wirkten zurück auf Japan. Der Siogun in
Ieddo gewährte aus Furcht vor den in der Ruhe kreuzenden Geschwadern
alsbald, was der Kaiser in Peking zugestanden. Die neuen Vertrüge des¬
selben nut den Amerikanern, den Russen und Englündern gleichen in der Haupt¬
sache denen von Tientsin, ja sie verstatten dem fremden Handel sogar noch
wichtigere Vergünstigungen, und man darf mit Bestimmtheit annehmen, daß
sich hier mit der Zeit ein für die Europäer noch vortheilhafteres Verhältniß
bilden wird, als es im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert zwischen den
Portugiesen und Japanesen bestand. Da das letztere so wie das, was nach
Abbruch desselben bis auf die neueste Zeit folgte, besonders lehrreich für die
Gegenwart ist. so widmen wir ihm eine ausführliche Darstellung.

Es war im Jahre 1542, daß Japan zuerst von Europäern besucht wurde,
und zwar geschah dies dadurch, daß ein portugiesisches Schiff dorthin ver-


einen unermeßlichen Aufschwung nehmen und die chinesischen Kaufleute werden
sich dann nur der ausländischen Schiffer und Rheder zur Einführung ihrer
Bedürfnisse an Waaren bedienen. Dazu kommen endlich andere Bestimmungen,
durch welche das Tonnengeld auf ein Fünftel, die Einfuhrzölle auf die Hälfte,
die Ausfuhrzölle auf zwei Drittel des bisherigen Betrags ermäßigt sind, und
die fernere, welche den Fremden alle nicht im Aufstand begriffenen Theile des
Landes zu bereisen gestattet. Da in Bezug auf letzteres keine Straßen oder
Entfernungen angegeben sind und ebenso wenig die Art und Menge der
Waaren festgestellt ist, welche der Reisende mit sich führen dürfe, so kann
letzterer jede beliebige Quantität Waaren an jedem ihm passend scheinenden
Orte (Peking allein ausgenommen) verkaufen oder gegen Landesproducte aus¬
tauschen. Was der Fremde durch den Ausschluß seiner Schiffe von einem
und dem andern See- oder Flußhafen verliert, kann er demnach durch seine
Züge im Binnenland ersetzen. Seine Waaren sind nur müßigen und für
immer feststehenden Abgaben unterworfen, seine Person ist unverletzlich, und
so wird er die Concurrenz der Eingebornen nicht zu scheuen haben, ja sie
Mit der Zeit von allen Hauptmärkten verdrängen. - Mit einem Wort, China
ist in den Händen der Mächte, die jene Verträge erzWangen, und die eng¬
lische und amerikanische Speculation wird nicht säumen, die ihnen gebotenen
Vortheile auszubeuten. Und auf die Eroberung durch den Handel wird eine
Eroberung durch Soldaten und Diplomaten folgen. England hat schon an
dem Besitz Indiens eme Last. Aber es muß Indien behalten, wenn es eine
Weltmacht bleiben will, und um Indien zu behalten, muß es China, wenig¬
stens Südchina erobern. Sonst füllt China und mit China Indien in die
Hände Rußlands. Der Vertrag von Tientsin ist der erste Baustein zu dem
Gebunde eiues anglochinesischen Reiches, die neuen Consuln in China werden
in kurzem sich in Prvconsuln verwandeln.

Die Ereignisse in China wirkten zurück auf Japan. Der Siogun in
Ieddo gewährte aus Furcht vor den in der Ruhe kreuzenden Geschwadern
alsbald, was der Kaiser in Peking zugestanden. Die neuen Vertrüge des¬
selben nut den Amerikanern, den Russen und Englündern gleichen in der Haupt¬
sache denen von Tientsin, ja sie verstatten dem fremden Handel sogar noch
wichtigere Vergünstigungen, und man darf mit Bestimmtheit annehmen, daß
sich hier mit der Zeit ein für die Europäer noch vortheilhafteres Verhältniß
bilden wird, als es im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert zwischen den
Portugiesen und Japanesen bestand. Da das letztere so wie das, was nach
Abbruch desselben bis auf die neueste Zeit folgte, besonders lehrreich für die
Gegenwart ist. so widmen wir ihm eine ausführliche Darstellung.

Es war im Jahre 1542, daß Japan zuerst von Europäern besucht wurde,
und zwar geschah dies dadurch, daß ein portugiesisches Schiff dorthin ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/41>, abgerufen am 22.12.2024.