Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Vierzehnten begründet und die Geschäfte der französischen Monarchie gemacht, wenn 50*
Vierzehnten begründet und die Geschäfte der französischen Monarchie gemacht, wenn 50*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107452"/> <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> Vierzehnten begründet und die Geschäfte der französischen Monarchie gemacht, wenn<lb/> er auch seinen Vortheil dabei nicht außer Augen gelassen. Antonelli hat sein Ver¬<lb/> mögen erworben zu Schaden der Nation, des Papstes und der Kirche/' — Aber<lb/> About beschränkt sich nicht auf Persönlichkeiten, er gibt in seinem Buche wie auch<lb/> in dem frühern über Griechenland sehr ernsthafte Studien über die Zustände des<lb/> Landes und der Gesellschaft. Er geht dabei von dem einzig richtigen Gesichtspunkt<lb/> aus, daß alle Mißstände im Kirchenstaat nur die logische Consequenz des Princips<lb/> der geistlichen Monarchie sind, daß alle diplomatischen Rcmonstrcttionen unnütz sind,<lb/> so lange man nicht zur Quelle des Uebels aufsteigt, die weltliche Macht des Papstes.<lb/> Derselbe Mann, der in geistlichen Dingen unfehlbar ist, kann sich in seinen welt¬<lb/> lichen Angelegenheiten nicht controliren lassen, der Kirchenstaat kann nur despotisch<lb/> regiert werden. Das Haupt des Klerus kann sein Patrimonium nicht von Laien<lb/> verwalten lassen, die Einführung der Prälatur ist eine Illusion. Die Priester haben<lb/> keine Kinder, sie denken also bei Verwaltung der. weltlichen Angelegenheiten nicht<lb/> an die Zukunft, es liegt ihnen nichts an der Verbesserung, da sie doch wahrscheinlich<lb/> wenig davon genießen würden. Dabei zeigt unser Verfasser, was sich mit dem Lande<lb/> und dem Volke machen ließe; der Boden ist vorzüglich und liefert alle Erzeugnisse<lb/> für eine reiche Industrie, aber man düngt nicht einmal und belastet die mittlern<lb/> und kleinen Eigenthümer mit unerschwinglichen Abgaben. Trotz dieser systematischen<lb/> Mißregierung ist die Mittelclasse noch tüchtig geblieben und bietet das Material für<lb/> einen politischen Neubau, der Adel hat seine Besitzungen und großen Reichthümer<lb/> erhalten, aber ihm fehlt aller Beruf, da es eine politische Aristokratie im päpstlichen<lb/> Staate nicht geben kann. Das Capitel über die Finanzen ist wesentlich auf die<lb/> berühmt gewordne Arbeit des Marquis Pcpoli aus Bologna gegründet und gibt<lb/> ein trostloses Bild materieller Zerrüttung. 1858 schließt mit einem Deficit von<lb/> 12 Mill., die Verzinsung der öffentlichen Schuld eines Staates von 3V- Mill.<lb/> Einw. erfordert 25 Mill.. das Capital beläuft sich auf 359V2 Mill. Die Stcuer-<lb/> crhcbungskostcn, welche in England 8 Proc., in Frankreich 14 Proc., sind in den römischen<lb/> Staaten 31 Proc.. ein Hauptposten des Budgets ist die päpstliche Lotterie. „Sie gehört<lb/> zur Volkserziehung, denn sie gewöhnt die Leute an Wunder zu glauben, indem sie<lb/> die Bettler wie durch Zauber bereichert erscheinen läßt. Wer gewinnt, muß Gott<lb/> für seine Freigebigkeit danken, wer verliert ist dafür bestraft, nach weltlichen Reich¬<lb/> thümern getrachtet zu haben. Vortheil für alle und namentlich für die Regierung!"<lb/> Dem entspricht es, wenn Prostitution und Bettelei in Blüte stehen, die Industrie<lb/> null ist und der Handel von solcher Lebhaftigkeit, daß alle Wochen einmal die Börse<lb/> geöffnet wird. — About schlägt zu Ende seines Buches die Säkularisation der Lega-<lb/> tionen und der Marken vor, wodurch der Papst wesentlich auf die Romagna beschränkt<lb/> würde; daß derselbe hierzu einwillige, wird man nicht glauben, indeß hängt es von<lb/> den Umständen ab, was man ihm dictiren kann. Es gibt einen Grad von Mißregie¬<lb/> rung, den in unserer Zeit kein Volk mehr erträgt und es scheint, daß diese Stufe<lb/> von der päpstlichen Regierung erreicht, wenn nicht überschritten ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 50*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
Vierzehnten begründet und die Geschäfte der französischen Monarchie gemacht, wenn
er auch seinen Vortheil dabei nicht außer Augen gelassen. Antonelli hat sein Ver¬
mögen erworben zu Schaden der Nation, des Papstes und der Kirche/' — Aber
About beschränkt sich nicht auf Persönlichkeiten, er gibt in seinem Buche wie auch
in dem frühern über Griechenland sehr ernsthafte Studien über die Zustände des
Landes und der Gesellschaft. Er geht dabei von dem einzig richtigen Gesichtspunkt
aus, daß alle Mißstände im Kirchenstaat nur die logische Consequenz des Princips
der geistlichen Monarchie sind, daß alle diplomatischen Rcmonstrcttionen unnütz sind,
so lange man nicht zur Quelle des Uebels aufsteigt, die weltliche Macht des Papstes.
Derselbe Mann, der in geistlichen Dingen unfehlbar ist, kann sich in seinen welt¬
lichen Angelegenheiten nicht controliren lassen, der Kirchenstaat kann nur despotisch
regiert werden. Das Haupt des Klerus kann sein Patrimonium nicht von Laien
verwalten lassen, die Einführung der Prälatur ist eine Illusion. Die Priester haben
keine Kinder, sie denken also bei Verwaltung der. weltlichen Angelegenheiten nicht
an die Zukunft, es liegt ihnen nichts an der Verbesserung, da sie doch wahrscheinlich
wenig davon genießen würden. Dabei zeigt unser Verfasser, was sich mit dem Lande
und dem Volke machen ließe; der Boden ist vorzüglich und liefert alle Erzeugnisse
für eine reiche Industrie, aber man düngt nicht einmal und belastet die mittlern
und kleinen Eigenthümer mit unerschwinglichen Abgaben. Trotz dieser systematischen
Mißregierung ist die Mittelclasse noch tüchtig geblieben und bietet das Material für
einen politischen Neubau, der Adel hat seine Besitzungen und großen Reichthümer
erhalten, aber ihm fehlt aller Beruf, da es eine politische Aristokratie im päpstlichen
Staate nicht geben kann. Das Capitel über die Finanzen ist wesentlich auf die
berühmt gewordne Arbeit des Marquis Pcpoli aus Bologna gegründet und gibt
ein trostloses Bild materieller Zerrüttung. 1858 schließt mit einem Deficit von
12 Mill., die Verzinsung der öffentlichen Schuld eines Staates von 3V- Mill.
Einw. erfordert 25 Mill.. das Capital beläuft sich auf 359V2 Mill. Die Stcuer-
crhcbungskostcn, welche in England 8 Proc., in Frankreich 14 Proc., sind in den römischen
Staaten 31 Proc.. ein Hauptposten des Budgets ist die päpstliche Lotterie. „Sie gehört
zur Volkserziehung, denn sie gewöhnt die Leute an Wunder zu glauben, indem sie
die Bettler wie durch Zauber bereichert erscheinen läßt. Wer gewinnt, muß Gott
für seine Freigebigkeit danken, wer verliert ist dafür bestraft, nach weltlichen Reich¬
thümern getrachtet zu haben. Vortheil für alle und namentlich für die Regierung!"
Dem entspricht es, wenn Prostitution und Bettelei in Blüte stehen, die Industrie
null ist und der Handel von solcher Lebhaftigkeit, daß alle Wochen einmal die Börse
geöffnet wird. — About schlägt zu Ende seines Buches die Säkularisation der Lega-
tionen und der Marken vor, wodurch der Papst wesentlich auf die Romagna beschränkt
würde; daß derselbe hierzu einwillige, wird man nicht glauben, indeß hängt es von
den Umständen ab, was man ihm dictiren kann. Es gibt einen Grad von Mißregie¬
rung, den in unserer Zeit kein Volk mehr erträgt und es scheint, daß diese Stufe
von der päpstlichen Regierung erreicht, wenn nicht überschritten ist.
50*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |