Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht aus; das ganze Alphabet dreimal durch: sie werden alle aufgezählt. "Ich
werde auf den Händen getragen, die sonst andere küssen." "Die Gräfin ist
schon da (29. Oct.). sie knüpft sich mit schönem Herzen an mich." "Sie hat
sogar Logik bei Kiesewetter gehört, und hat einen durchaus philosophischen
Geist."

An Jacobi, 19. Nov. "Müde wich ich aus Weimar; hier ward ich durch
Weiber erquickt, durch männliche Trivialität ermattet, so daß ich mich fast aus
den hiesigen kleinstädtischen Gelehrten wieder zurücksehne nach echter geniali¬
scher Spitzbüberei in Jena und Weimar." "Apropos! ich habe,mich verlobt
mit der Tochter des Geh. Obertribunairaths Mayer." (Wieder eine Karoline.)
"Sie hat das, was ich bisher auf so vielen Irrwegen aufsuchte, und unter¬
scheidet sich dadurch scharf von der vorigen." Sie ist auch durch Kicsewetter
in der Philosophie unterrichtet. -- An Otto, 10. Dec.: "Erstlich hat sie alles
Gute von den Cidevcmts-Karolinen, und zweitens nicht das Schlimme, und
drittens Gesundheit ohne Gleichen, Schönheit, Aufopferung. Bescheidenheit u. s.w.
Die flammendste Liebe sür mich brennt ihr auch nicht eine Seite zu irgend
einem menschlichen andern Ton des Mitleids ab. Sie hat die wärmsten
Freundinnen unter Weibern und Mädchen, jeder des höchsten Standes . . -
Als meine Braut wurde sie auf die Feuerprobe manches Auges gesetzt, über
dessen heiße Pflugschar sie unbeschädigt wegging . . . Daß ich mich blos
sonst geirrt habe und blos jetzt nicht, und daß ich nie Schuld war, seh' ich
jetzt, weil ich seit unserer fast vierteljährigen Gegenwart nie mit ihr eine
neblige, oder gar gewitterhafte Stunde gehabt, ohne die sonst keine erotische
Woche verging . . . Ich putze sie sogar, weil sie kalt gegen Anzug ist, und
ihn jetzt meinetwegen anthut, wie ihr herrliches neues blaues Kleid beweist,
zu welchem ich noch ein weißes atlassenes a vier Louisdor gethan habe, sammt
dem Hut für ein Louisdor . . . Der Vater verehrt, die Tochter vergöttert
mich." "Die gute Gräfin hat den treuesten, wärmsten, kindlichen Charakter.
Sie kann opfern -- sogar ihren Willen -- wie keine. Sie liebte mich immer
heftiger und wollte -- mich Heirath, en; welches ich erst von ihr erfuhr, als
sie über die Nachricht meiner Verlobung krank wurde." Er verlobt in aller
Eile einen andern mit ihr. "Mein Leben mit der vorigen Karoline (2. Jan.
1801, an Jacobi) wurde mehr auf dem Schauplatz des -- Briefpapiers ge¬
spielt; wurde nun ein hölzerner vorgeschoben, so trat der Antagonismus unsrer
Naturen in jeder Minute grell aus." -- (30. März) "Karoline und die Krü-
dener sind Seelenfreundinnen; jede vergöttert die andere." "Ich will frei.und
cynisch leben, und meine gute Karoline ist überall so philosophisch wie ich
nur will." "Meine Gräfin wird in Meiningen für mich einrichten. An
meinem Geburtstag brachte sie mir mit Karoline Rosen, Hiacynthen und Mai¬
blumen." "Karoline ist eine Heilige." -- 21. Juli, an Jacobi, nach der Hoch'


nicht aus; das ganze Alphabet dreimal durch: sie werden alle aufgezählt. „Ich
werde auf den Händen getragen, die sonst andere küssen." „Die Gräfin ist
schon da (29. Oct.). sie knüpft sich mit schönem Herzen an mich." „Sie hat
sogar Logik bei Kiesewetter gehört, und hat einen durchaus philosophischen
Geist."

An Jacobi, 19. Nov. „Müde wich ich aus Weimar; hier ward ich durch
Weiber erquickt, durch männliche Trivialität ermattet, so daß ich mich fast aus
den hiesigen kleinstädtischen Gelehrten wieder zurücksehne nach echter geniali¬
scher Spitzbüberei in Jena und Weimar." „Apropos! ich habe,mich verlobt
mit der Tochter des Geh. Obertribunairaths Mayer." (Wieder eine Karoline.)
„Sie hat das, was ich bisher auf so vielen Irrwegen aufsuchte, und unter¬
scheidet sich dadurch scharf von der vorigen." Sie ist auch durch Kicsewetter
in der Philosophie unterrichtet. — An Otto, 10. Dec.: „Erstlich hat sie alles
Gute von den Cidevcmts-Karolinen, und zweitens nicht das Schlimme, und
drittens Gesundheit ohne Gleichen, Schönheit, Aufopferung. Bescheidenheit u. s.w.
Die flammendste Liebe sür mich brennt ihr auch nicht eine Seite zu irgend
einem menschlichen andern Ton des Mitleids ab. Sie hat die wärmsten
Freundinnen unter Weibern und Mädchen, jeder des höchsten Standes . . -
Als meine Braut wurde sie auf die Feuerprobe manches Auges gesetzt, über
dessen heiße Pflugschar sie unbeschädigt wegging . . . Daß ich mich blos
sonst geirrt habe und blos jetzt nicht, und daß ich nie Schuld war, seh' ich
jetzt, weil ich seit unserer fast vierteljährigen Gegenwart nie mit ihr eine
neblige, oder gar gewitterhafte Stunde gehabt, ohne die sonst keine erotische
Woche verging . . . Ich putze sie sogar, weil sie kalt gegen Anzug ist, und
ihn jetzt meinetwegen anthut, wie ihr herrliches neues blaues Kleid beweist,
zu welchem ich noch ein weißes atlassenes a vier Louisdor gethan habe, sammt
dem Hut für ein Louisdor . . . Der Vater verehrt, die Tochter vergöttert
mich." „Die gute Gräfin hat den treuesten, wärmsten, kindlichen Charakter.
Sie kann opfern — sogar ihren Willen — wie keine. Sie liebte mich immer
heftiger und wollte — mich Heirath, en; welches ich erst von ihr erfuhr, als
sie über die Nachricht meiner Verlobung krank wurde." Er verlobt in aller
Eile einen andern mit ihr. „Mein Leben mit der vorigen Karoline (2. Jan.
1801, an Jacobi) wurde mehr auf dem Schauplatz des — Briefpapiers ge¬
spielt; wurde nun ein hölzerner vorgeschoben, so trat der Antagonismus unsrer
Naturen in jeder Minute grell aus." — (30. März) „Karoline und die Krü-
dener sind Seelenfreundinnen; jede vergöttert die andere." „Ich will frei.und
cynisch leben, und meine gute Karoline ist überall so philosophisch wie ich
nur will." „Meine Gräfin wird in Meiningen für mich einrichten. An
meinem Geburtstag brachte sie mir mit Karoline Rosen, Hiacynthen und Mai¬
blumen." „Karoline ist eine Heilige." — 21. Juli, an Jacobi, nach der Hoch'


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107437"/>
          <p xml:id="ID_1152" prev="#ID_1151"> nicht aus; das ganze Alphabet dreimal durch: sie werden alle aufgezählt. &#x201E;Ich<lb/>
werde auf den Händen getragen, die sonst andere küssen." &#x201E;Die Gräfin ist<lb/>
schon da (29. Oct.). sie knüpft sich mit schönem Herzen an mich." &#x201E;Sie hat<lb/>
sogar Logik bei Kiesewetter gehört, und hat einen durchaus philosophischen<lb/>
Geist."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1153" next="#ID_1154"> An Jacobi, 19. Nov. &#x201E;Müde wich ich aus Weimar; hier ward ich durch<lb/>
Weiber erquickt, durch männliche Trivialität ermattet, so daß ich mich fast aus<lb/>
den hiesigen kleinstädtischen Gelehrten wieder zurücksehne nach echter geniali¬<lb/>
scher Spitzbüberei in Jena und Weimar." &#x201E;Apropos! ich habe,mich verlobt<lb/>
mit der Tochter des Geh. Obertribunairaths Mayer." (Wieder eine Karoline.)<lb/>
&#x201E;Sie hat das, was ich bisher auf so vielen Irrwegen aufsuchte, und unter¬<lb/>
scheidet sich dadurch scharf von der vorigen." Sie ist auch durch Kicsewetter<lb/>
in der Philosophie unterrichtet. &#x2014; An Otto, 10. Dec.: &#x201E;Erstlich hat sie alles<lb/>
Gute von den Cidevcmts-Karolinen, und zweitens nicht das Schlimme, und<lb/>
drittens Gesundheit ohne Gleichen, Schönheit, Aufopferung. Bescheidenheit u. s.w.<lb/>
Die flammendste Liebe sür mich brennt ihr auch nicht eine Seite zu irgend<lb/>
einem menschlichen andern Ton des Mitleids ab. Sie hat die wärmsten<lb/>
Freundinnen unter Weibern und Mädchen, jeder des höchsten Standes . . -<lb/>
Als meine Braut wurde sie auf die Feuerprobe manches Auges gesetzt, über<lb/>
dessen heiße Pflugschar sie unbeschädigt wegging . . . Daß ich mich blos<lb/>
sonst geirrt habe und blos jetzt nicht, und daß ich nie Schuld war, seh' ich<lb/>
jetzt, weil ich seit unserer fast vierteljährigen Gegenwart nie mit ihr eine<lb/>
neblige, oder gar gewitterhafte Stunde gehabt, ohne die sonst keine erotische<lb/>
Woche verging . . . Ich putze sie sogar, weil sie kalt gegen Anzug ist, und<lb/>
ihn jetzt meinetwegen anthut, wie ihr herrliches neues blaues Kleid beweist,<lb/>
zu welchem ich noch ein weißes atlassenes a vier Louisdor gethan habe, sammt<lb/>
dem Hut für ein Louisdor . . . Der Vater verehrt, die Tochter vergöttert<lb/>
mich." &#x201E;Die gute Gräfin hat den treuesten, wärmsten, kindlichen Charakter.<lb/>
Sie kann opfern &#x2014; sogar ihren Willen &#x2014; wie keine. Sie liebte mich immer<lb/>
heftiger und wollte &#x2014; mich Heirath, en; welches ich erst von ihr erfuhr, als<lb/>
sie über die Nachricht meiner Verlobung krank wurde." Er verlobt in aller<lb/>
Eile einen andern mit ihr. &#x201E;Mein Leben mit der vorigen Karoline (2. Jan.<lb/>
1801, an Jacobi) wurde mehr auf dem Schauplatz des &#x2014; Briefpapiers ge¬<lb/>
spielt; wurde nun ein hölzerner vorgeschoben, so trat der Antagonismus unsrer<lb/>
Naturen in jeder Minute grell aus." &#x2014; (30. März) &#x201E;Karoline und die Krü-<lb/>
dener sind Seelenfreundinnen; jede vergöttert die andere." &#x201E;Ich will frei.und<lb/>
cynisch leben, und meine gute Karoline ist überall so philosophisch wie ich<lb/>
nur will." &#x201E;Meine Gräfin wird in Meiningen für mich einrichten. An<lb/>
meinem Geburtstag brachte sie mir mit Karoline Rosen, Hiacynthen und Mai¬<lb/>
blumen." &#x201E;Karoline ist eine Heilige." &#x2014; 21. Juli, an Jacobi, nach der Hoch'</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0390] nicht aus; das ganze Alphabet dreimal durch: sie werden alle aufgezählt. „Ich werde auf den Händen getragen, die sonst andere küssen." „Die Gräfin ist schon da (29. Oct.). sie knüpft sich mit schönem Herzen an mich." „Sie hat sogar Logik bei Kiesewetter gehört, und hat einen durchaus philosophischen Geist." An Jacobi, 19. Nov. „Müde wich ich aus Weimar; hier ward ich durch Weiber erquickt, durch männliche Trivialität ermattet, so daß ich mich fast aus den hiesigen kleinstädtischen Gelehrten wieder zurücksehne nach echter geniali¬ scher Spitzbüberei in Jena und Weimar." „Apropos! ich habe,mich verlobt mit der Tochter des Geh. Obertribunairaths Mayer." (Wieder eine Karoline.) „Sie hat das, was ich bisher auf so vielen Irrwegen aufsuchte, und unter¬ scheidet sich dadurch scharf von der vorigen." Sie ist auch durch Kicsewetter in der Philosophie unterrichtet. — An Otto, 10. Dec.: „Erstlich hat sie alles Gute von den Cidevcmts-Karolinen, und zweitens nicht das Schlimme, und drittens Gesundheit ohne Gleichen, Schönheit, Aufopferung. Bescheidenheit u. s.w. Die flammendste Liebe sür mich brennt ihr auch nicht eine Seite zu irgend einem menschlichen andern Ton des Mitleids ab. Sie hat die wärmsten Freundinnen unter Weibern und Mädchen, jeder des höchsten Standes . . - Als meine Braut wurde sie auf die Feuerprobe manches Auges gesetzt, über dessen heiße Pflugschar sie unbeschädigt wegging . . . Daß ich mich blos sonst geirrt habe und blos jetzt nicht, und daß ich nie Schuld war, seh' ich jetzt, weil ich seit unserer fast vierteljährigen Gegenwart nie mit ihr eine neblige, oder gar gewitterhafte Stunde gehabt, ohne die sonst keine erotische Woche verging . . . Ich putze sie sogar, weil sie kalt gegen Anzug ist, und ihn jetzt meinetwegen anthut, wie ihr herrliches neues blaues Kleid beweist, zu welchem ich noch ein weißes atlassenes a vier Louisdor gethan habe, sammt dem Hut für ein Louisdor . . . Der Vater verehrt, die Tochter vergöttert mich." „Die gute Gräfin hat den treuesten, wärmsten, kindlichen Charakter. Sie kann opfern — sogar ihren Willen — wie keine. Sie liebte mich immer heftiger und wollte — mich Heirath, en; welches ich erst von ihr erfuhr, als sie über die Nachricht meiner Verlobung krank wurde." Er verlobt in aller Eile einen andern mit ihr. „Mein Leben mit der vorigen Karoline (2. Jan. 1801, an Jacobi) wurde mehr auf dem Schauplatz des — Briefpapiers ge¬ spielt; wurde nun ein hölzerner vorgeschoben, so trat der Antagonismus unsrer Naturen in jeder Minute grell aus." — (30. März) „Karoline und die Krü- dener sind Seelenfreundinnen; jede vergöttert die andere." „Ich will frei.und cynisch leben, und meine gute Karoline ist überall so philosophisch wie ich nur will." „Meine Gräfin wird in Meiningen für mich einrichten. An meinem Geburtstag brachte sie mir mit Karoline Rosen, Hiacynthen und Mai¬ blumen." „Karoline ist eine Heilige." — 21. Juli, an Jacobi, nach der Hoch'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/390
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/390>, abgerufen am 22.12.2024.