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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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eine harte Predigt vor Karoline, zwar mit Bescheidenheit, aber leider mit
der Beredsamkeit seiner rührenden Stimme, wodurch Karoline in Krämpfe ver¬
fiel; er rieth und fragte, aber entschied nicht. Die Herder ihrerseits stellte
mich mit Heftigkeit zur Rede. Sollte ein Mann dieses dulden? Ich wurde
auch wild, aber gewiß nicht zu sehr. Später nahm man zurück, lenkte ein.
Mein erster Brief nach diesen räuberischen Griffen zwischen zwei entblößten
Herzen, an Karoline, stellte ihrem Entscheiden alles anheim, zeigte aber auch
die Kraft meines Entsagens. Nach ihrer Antwort aus Hildburghausen, die
hier folgt, wurde ich zum entschiedenen Nein bestimmt. Herder schrieb mir
auf diese Veranlassung nach Berlin, für Karoline und für die Verbindung;
allein der Schlag ist geschehen, das Schicksal hat mich in meinem tiefsten
Herznerven gemißhandelt, es schenkt mir alles, über und um mein Herz,
aber das Innerste zerschneidet es." -- Das Letzte eine Redensart; er ist in Ber¬
lin, wird von allen Damen bis zur Königin hinauf auf Händen getragen und
schwimmt in Glückseligkeit.

Hören wir nun die andere Seite.

Jean Paul an Herder. 16. Mai. ..Ehe Ihr Brief kam, war der
meinige an Karoline schon halb geschrieben, und zwar mit jener Stille und
Helle, die Sie begehrten. Die Wirkung von meinem muß -- vielleicht gegen
Ihre Erwartung -- die vollendete Auflösung meines Bundes mit Karoline
sein. Sie haben durch eine Wendung des Verhängnisses ebenso für mich ge¬
arbeitet als für Karoline." ,.Jn Ilmenau widerfuhr mir in wenig Tagen
mehr schmerzliches Unrecht als in vielen Jahren überall. Aber Ihre edle
Seele konnte nie eine Minute lang von der meinigen verkannt oder mißver¬
standen werden. Sie könnten mir leichter mein ganzes Glück und Ihre Freund¬
schaft nehmen, als nur das Geringste von meinem liebenden Glauben und
meiner Verehrung für Sie." "Jetzt treib' Ich mich wieder mit ausgeleerten
dürftigen Herzen in das weite Weltmeer hinein und ruhe nnr auf den Wogen."

Frau Herder an Knebel, 22. Mai. ..Warum Ihre Apologie für
Richter gegen uns? Seit Jahr und Tag, seit der Abwesenheit der Frau v.
Kalb lebt Richter nur mit uns hier ... Er hatte sich nach und nach von
jenen ihn .verachtenden und versöhnenden Menschen losgemacht, fühlte sich
ganz mit uns, konnte nicht mehr ohne uns leben und wir nicht ohne ihn
. . . In Ilmenau wendete sich das Blatt eines andern Verhältnisses. Was
Mein Mann und ich den ersten Abend tief fühlten und ahnten, war bei
Richter und Karoline schon vorbereitet. Sie hatten sich schon gegenseitig Opfer
gebracht und sahen sich jetzt mit hellen Augen, und der Mutter Wille und
Auftrag brachte das Verhältniß noch mehr ins Klare. Wer, der nur zwei
Begriffe verbinden kann, wird nicht bei genauer Kenntniß dieser beiden Per¬
sonen sogleich sehn, daß sie nicht füreinander zur Ehe passen, so vortrefflich


eine harte Predigt vor Karoline, zwar mit Bescheidenheit, aber leider mit
der Beredsamkeit seiner rührenden Stimme, wodurch Karoline in Krämpfe ver¬
fiel; er rieth und fragte, aber entschied nicht. Die Herder ihrerseits stellte
mich mit Heftigkeit zur Rede. Sollte ein Mann dieses dulden? Ich wurde
auch wild, aber gewiß nicht zu sehr. Später nahm man zurück, lenkte ein.
Mein erster Brief nach diesen räuberischen Griffen zwischen zwei entblößten
Herzen, an Karoline, stellte ihrem Entscheiden alles anheim, zeigte aber auch
die Kraft meines Entsagens. Nach ihrer Antwort aus Hildburghausen, die
hier folgt, wurde ich zum entschiedenen Nein bestimmt. Herder schrieb mir
auf diese Veranlassung nach Berlin, für Karoline und für die Verbindung;
allein der Schlag ist geschehen, das Schicksal hat mich in meinem tiefsten
Herznerven gemißhandelt, es schenkt mir alles, über und um mein Herz,
aber das Innerste zerschneidet es." — Das Letzte eine Redensart; er ist in Ber¬
lin, wird von allen Damen bis zur Königin hinauf auf Händen getragen und
schwimmt in Glückseligkeit.

Hören wir nun die andere Seite.

Jean Paul an Herder. 16. Mai. ..Ehe Ihr Brief kam, war der
meinige an Karoline schon halb geschrieben, und zwar mit jener Stille und
Helle, die Sie begehrten. Die Wirkung von meinem muß — vielleicht gegen
Ihre Erwartung — die vollendete Auflösung meines Bundes mit Karoline
sein. Sie haben durch eine Wendung des Verhängnisses ebenso für mich ge¬
arbeitet als für Karoline." ,.Jn Ilmenau widerfuhr mir in wenig Tagen
mehr schmerzliches Unrecht als in vielen Jahren überall. Aber Ihre edle
Seele konnte nie eine Minute lang von der meinigen verkannt oder mißver¬
standen werden. Sie könnten mir leichter mein ganzes Glück und Ihre Freund¬
schaft nehmen, als nur das Geringste von meinem liebenden Glauben und
meiner Verehrung für Sie." „Jetzt treib' Ich mich wieder mit ausgeleerten
dürftigen Herzen in das weite Weltmeer hinein und ruhe nnr auf den Wogen."

Frau Herder an Knebel, 22. Mai. ..Warum Ihre Apologie für
Richter gegen uns? Seit Jahr und Tag, seit der Abwesenheit der Frau v.
Kalb lebt Richter nur mit uns hier ... Er hatte sich nach und nach von
jenen ihn .verachtenden und versöhnenden Menschen losgemacht, fühlte sich
ganz mit uns, konnte nicht mehr ohne uns leben und wir nicht ohne ihn
. . . In Ilmenau wendete sich das Blatt eines andern Verhältnisses. Was
Mein Mann und ich den ersten Abend tief fühlten und ahnten, war bei
Richter und Karoline schon vorbereitet. Sie hatten sich schon gegenseitig Opfer
gebracht und sahen sich jetzt mit hellen Augen, und der Mutter Wille und
Auftrag brachte das Verhältniß noch mehr ins Klare. Wer, der nur zwei
Begriffe verbinden kann, wird nicht bei genauer Kenntniß dieser beiden Per¬
sonen sogleich sehn, daß sie nicht füreinander zur Ehe passen, so vortrefflich


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[0385] eine harte Predigt vor Karoline, zwar mit Bescheidenheit, aber leider mit der Beredsamkeit seiner rührenden Stimme, wodurch Karoline in Krämpfe ver¬ fiel; er rieth und fragte, aber entschied nicht. Die Herder ihrerseits stellte mich mit Heftigkeit zur Rede. Sollte ein Mann dieses dulden? Ich wurde auch wild, aber gewiß nicht zu sehr. Später nahm man zurück, lenkte ein. Mein erster Brief nach diesen räuberischen Griffen zwischen zwei entblößten Herzen, an Karoline, stellte ihrem Entscheiden alles anheim, zeigte aber auch die Kraft meines Entsagens. Nach ihrer Antwort aus Hildburghausen, die hier folgt, wurde ich zum entschiedenen Nein bestimmt. Herder schrieb mir auf diese Veranlassung nach Berlin, für Karoline und für die Verbindung; allein der Schlag ist geschehen, das Schicksal hat mich in meinem tiefsten Herznerven gemißhandelt, es schenkt mir alles, über und um mein Herz, aber das Innerste zerschneidet es." — Das Letzte eine Redensart; er ist in Ber¬ lin, wird von allen Damen bis zur Königin hinauf auf Händen getragen und schwimmt in Glückseligkeit. Hören wir nun die andere Seite. Jean Paul an Herder. 16. Mai. ..Ehe Ihr Brief kam, war der meinige an Karoline schon halb geschrieben, und zwar mit jener Stille und Helle, die Sie begehrten. Die Wirkung von meinem muß — vielleicht gegen Ihre Erwartung — die vollendete Auflösung meines Bundes mit Karoline sein. Sie haben durch eine Wendung des Verhängnisses ebenso für mich ge¬ arbeitet als für Karoline." ,.Jn Ilmenau widerfuhr mir in wenig Tagen mehr schmerzliches Unrecht als in vielen Jahren überall. Aber Ihre edle Seele konnte nie eine Minute lang von der meinigen verkannt oder mißver¬ standen werden. Sie könnten mir leichter mein ganzes Glück und Ihre Freund¬ schaft nehmen, als nur das Geringste von meinem liebenden Glauben und meiner Verehrung für Sie." „Jetzt treib' Ich mich wieder mit ausgeleerten dürftigen Herzen in das weite Weltmeer hinein und ruhe nnr auf den Wogen." Frau Herder an Knebel, 22. Mai. ..Warum Ihre Apologie für Richter gegen uns? Seit Jahr und Tag, seit der Abwesenheit der Frau v. Kalb lebt Richter nur mit uns hier ... Er hatte sich nach und nach von jenen ihn .verachtenden und versöhnenden Menschen losgemacht, fühlte sich ganz mit uns, konnte nicht mehr ohne uns leben und wir nicht ohne ihn . . . In Ilmenau wendete sich das Blatt eines andern Verhältnisses. Was Mein Mann und ich den ersten Abend tief fühlten und ahnten, war bei Richter und Karoline schon vorbereitet. Sie hatten sich schon gegenseitig Opfer gebracht und sahen sich jetzt mit hellen Augen, und der Mutter Wille und Auftrag brachte das Verhältniß noch mehr ins Klare. Wer, der nur zwei Begriffe verbinden kann, wird nicht bei genauer Kenntniß dieser beiden Per¬ sonen sogleich sehn, daß sie nicht füreinander zur Ehe passen, so vortrefflich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/385>, abgerufen am 23.12.2024.