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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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oft das Steckenpferd des Stern'schen ist; desto besser wird sich Strenge und
Nachgiebigkeit ausgleichen; bei der zartesten Weichheit der Empfindung die
kühnste Festigkeit des Entschlusses und allen Stolz der weiblichen Ehre. Ge¬
gen die verwandten, die uns zertheilen wollten, kämpfte sie. und wo sie sich
zum Doppclopfer der Liebe für jene und mich machte, schonend, sest und siegend
an. Ihr sind alle künftigen Schicksale mit mir gleichgiltig, sie treibt jetzt
ebenso eifrig die Haushaltkunde als sonst Botanik und Astronomie. Sie war
die Liebliugin und Schülerin eines vortrefflichen Vaters, und doch liebt und
schont sie -- was ich bei solchen Mädchen selten sand -- ihre zarte Mutter
unendlich. Herder sehnt sich nach ihr wie nach einer Geliebten." "Ich werde
mich neben Karoline heiligen; ich finde -- wie in allem, womit ich zögerte
-- die Vorsicht, in dem gewundenen, hart neben Abgründen vorbeistreichen¬
den Gang zu ihr."

Leider sollte diese Zuversicht nicht lange währen; den 19. Mai 1800
schreibt Jean Paul an Otto:*) "Herder fand in Ilmenau (2. Mai) Karoline
über alle meine Schilderungen, und fast über alle Frauen erhaben, und betete
sie an. wie sie ihn anbetete. Es waren die blauesten Maitage. Sie hat et¬
was Hohes. Ungemeines, was die Weltleute ergriff, und die Herderin über¬
raschte. Aber! seit dieser Reise ist mein Bund mit ihr -- aufgelöst, und
nach einem Brief, in dem ich ihr alles auseinandergesetzt, muß ich von ihr
das ewige Trennungswort erwarten. Ich kann dir unmöglich dies lange
Räthsel, worin nur Ungleichheiten äußerer Verhältnisse und daraus entspringende
Forderungen spielen, heute auflösen. Nun treibt und stürmt es mich
wieder in ein unbestimmtes wüstes Leben, in einer innern Verfassung, worüber
es keine Worte gibt. Meine Gesundheit ist fest, obwol sie in Ilmenau
in einer Vormittagscene wankte." -- 3. Juli "Ich war nicht lange unter den
Wolken. Lauter moralische kleine Ecken, die aber das ganze Glück der Ehe
nehmen, trieben mich anfangs in Ilmenau in mein altes trotziges Fieber.
Ein gewisses Absprechen, UnNachgiebigkeit und eine Partiale Liebe, die nicht
zugleich die kosmopolitischeist, erduld' ich schwer. Herder und seine Frau beteten
Karoline an, die B. hatte von der bis dahin mir ganz abgeneigten Mutter
den Auftrag, alles dem Herderschen Ausspruch zu überlassen. In diesen Auf¬
trag fiel mein liebendes Zürnen, dem die Herder die übertriebenste Ausdeh¬
nung gab, durch den Auftrag ratisicirt. Am dritten Tage hielt mir Herder



') In demselben Brief finden sich Andeutungen über die Annäherung zu einem Frauen¬
zimmer, vor der ihn Otto gewarnt, der er seinen Bruch mit Karoline mittheilt, und Aeuße¬
rungen wie diese: "In Bezug auf die Sinnlichkeit bin ich deiner theologischen orthodoxen
Meinung längst nicht mehr. Schon im Hesperus sagt' ich von Clotildcu ahnend, aber ver¬
deckt: in der höchsten Liebe sind die besten Mädchen nie die guten; jetzt weiß ichs gewiß."
"Ach wie meine Seele sonst so heilig war! der Teufel hole das erste zerrüttende Wort, das man
mir sagte!"

oft das Steckenpferd des Stern'schen ist; desto besser wird sich Strenge und
Nachgiebigkeit ausgleichen; bei der zartesten Weichheit der Empfindung die
kühnste Festigkeit des Entschlusses und allen Stolz der weiblichen Ehre. Ge¬
gen die verwandten, die uns zertheilen wollten, kämpfte sie. und wo sie sich
zum Doppclopfer der Liebe für jene und mich machte, schonend, sest und siegend
an. Ihr sind alle künftigen Schicksale mit mir gleichgiltig, sie treibt jetzt
ebenso eifrig die Haushaltkunde als sonst Botanik und Astronomie. Sie war
die Liebliugin und Schülerin eines vortrefflichen Vaters, und doch liebt und
schont sie — was ich bei solchen Mädchen selten sand — ihre zarte Mutter
unendlich. Herder sehnt sich nach ihr wie nach einer Geliebten." „Ich werde
mich neben Karoline heiligen; ich finde — wie in allem, womit ich zögerte
— die Vorsicht, in dem gewundenen, hart neben Abgründen vorbeistreichen¬
den Gang zu ihr."

Leider sollte diese Zuversicht nicht lange währen; den 19. Mai 1800
schreibt Jean Paul an Otto:*) „Herder fand in Ilmenau (2. Mai) Karoline
über alle meine Schilderungen, und fast über alle Frauen erhaben, und betete
sie an. wie sie ihn anbetete. Es waren die blauesten Maitage. Sie hat et¬
was Hohes. Ungemeines, was die Weltleute ergriff, und die Herderin über¬
raschte. Aber! seit dieser Reise ist mein Bund mit ihr — aufgelöst, und
nach einem Brief, in dem ich ihr alles auseinandergesetzt, muß ich von ihr
das ewige Trennungswort erwarten. Ich kann dir unmöglich dies lange
Räthsel, worin nur Ungleichheiten äußerer Verhältnisse und daraus entspringende
Forderungen spielen, heute auflösen. Nun treibt und stürmt es mich
wieder in ein unbestimmtes wüstes Leben, in einer innern Verfassung, worüber
es keine Worte gibt. Meine Gesundheit ist fest, obwol sie in Ilmenau
in einer Vormittagscene wankte." — 3. Juli „Ich war nicht lange unter den
Wolken. Lauter moralische kleine Ecken, die aber das ganze Glück der Ehe
nehmen, trieben mich anfangs in Ilmenau in mein altes trotziges Fieber.
Ein gewisses Absprechen, UnNachgiebigkeit und eine Partiale Liebe, die nicht
zugleich die kosmopolitischeist, erduld' ich schwer. Herder und seine Frau beteten
Karoline an, die B. hatte von der bis dahin mir ganz abgeneigten Mutter
den Auftrag, alles dem Herderschen Ausspruch zu überlassen. In diesen Auf¬
trag fiel mein liebendes Zürnen, dem die Herder die übertriebenste Ausdeh¬
nung gab, durch den Auftrag ratisicirt. Am dritten Tage hielt mir Herder



') In demselben Brief finden sich Andeutungen über die Annäherung zu einem Frauen¬
zimmer, vor der ihn Otto gewarnt, der er seinen Bruch mit Karoline mittheilt, und Aeuße¬
rungen wie diese: „In Bezug auf die Sinnlichkeit bin ich deiner theologischen orthodoxen
Meinung längst nicht mehr. Schon im Hesperus sagt' ich von Clotildcu ahnend, aber ver¬
deckt: in der höchsten Liebe sind die besten Mädchen nie die guten; jetzt weiß ichs gewiß."
„Ach wie meine Seele sonst so heilig war! der Teufel hole das erste zerrüttende Wort, das man
mir sagte!"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/384>, abgerufen am 23.12.2024.