Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.F. H. Jacobi: "Hätte ich eine Frau, d. h. bei mir blos ein junges, ganz An Otto, Hildburghausen 24. Mai. -- "Hier sitze ich nun seit einer 47*
F. H. Jacobi: „Hätte ich eine Frau, d. h. bei mir blos ein junges, ganz An Otto, Hildburghausen 24. Mai. — „Hier sitze ich nun seit einer 47*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107428"/> <p xml:id="ID_1131" prev="#ID_1130"> F. H. Jacobi: „Hätte ich eine Frau, d. h. bei mir blos ein junges, ganz<lb/> sittlich reines, Helles weibliches Wesen, keine genialische, so fragte ich nach<lb/> dem Gelde und nach dem Abendessen etwas und nach Gesellschaften weniger<lb/> und nach dem Leben mehr, das meine poetischen Träume immer durchsichtiger<lb/> und flittcrhafter schlagen." — „Ich kenne nun das Leben, besonders das<lb/> auflösende bei genialischer Weibern, die zugleich verwirren und zersetzen und<lb/> verspäten — nein ich will ein einfaches, stilleres Herz, damit meine Kindheit<lb/> und das Leben bei meinen Eltern wiederkomme, und alles was das erinnernde<lb/> Herz ewig vormalt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1132" next="#ID_1133"> An Otto, Hildburghausen 24. Mai. — „Hier sitze ich nun seit einer<lb/> Woche und recht weich. Ich correspondirte schon mehrmal mit einer Karoline<lb/> von Feuchtersleben. die hier ist. und dieser versprach ich zu kommen. (Denke<lb/> nur nicht, daß jetzt etwas Wichtiges kommt, nämlich eine Braut!) Sie ist ein<lb/> edles, tieffühlendes, männlich festes, vom Schicksal verwundetes, ziemlich schö¬<lb/> nes Mädchen, das mir seine silhouettirte Gestalt und Taille mit einer schwar¬<lb/> zen Blumenkette schickte (letztere sollte um mich herum), woraus ich sogleich<lb/> schloß, sie müsse am Hofe gewesen sein, welches sie auch war, als Vicarin<lb/> einer Hofdame. Fatal ists — und im Grunde gar nicht — daß sie im Spre¬<lb/> chen zu spielend und leicht ist. wie im Schreiben zu ernst. Sie lebt bei ihrer'<lb/> Mutter. Schwester und ihrem Bruder, und ich sitze meistens dort, wenn ich<lb/> nicht am Hofe bin, welches häufig der Fall ist. Hier fängt es an nllmälig<lb/> wichtig zu werden. Erstlich denke dir, male dir die himmlische Herzogin, mit<lb/> schönen kindlichen Augen, das ganze Gesicht voll Liebe und Reiz und Jugend,<lb/> mit einer Nachtigallenstimmritze" u. s. w. u. s. w. — Bei einer persönlichen<lb/> Zusammenkunft, im September, unterrichtet Jean Paul seinen Freund von<lb/> dem weitern Fortgang dieses Verhältnisses; dieser schreibt, 9. Oct.: „Wie groß<lb/> auch jetzt mein Mißtrauen gegen das Erlangen der jugendlichen Wünsche<lb/> und wie gering auch meine Erwartung eines dauernden Glücks ist, so weiß<lb/> ich doch nichts, was ich dir herzlicher und wozu ich dir freudiger Glück wün¬<lb/> schen könnte, als zu diesem edlen und achtungswürdigen Wesen." Doch kann<lb/> er das Benehmen seines Freundes nicht recht loben und warnt ihn namentlich<lb/> vor einer andern, gleichzeitig gepflegten und weniger würdigen Liaison. —<lb/> Richter schreibt, 7. Oct., aus Hildburghausen: „Den Dienstag fuhr ich mit<lb/> Herder nach Ilmenau und ging die Mittwoch hierher. Die schöne Herzogin<lb/> war grade bei meinem Einflug hier, und ließ mich sogleich auf ein paar Minu¬<lb/> ten vor dem Einsteigen kommen. Außer einer Geliebten weiß ich nichts Schö¬<lb/> neres als diese süße Gestalt. — Karoline kenne ich jetzt tiefer; noch in keiner<lb/> weiblichen Seele fand ich diese hohe, strenge, unnachlassende religiöse Moralität.<lb/> Bei ihrer moralischen Zartheit fühlt man. daß man leider in Weimar lange<lb/> gewesen. Sie würde, wenn ich mit ihr verbunden wäre, mein ganzes We-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 47*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
F. H. Jacobi: „Hätte ich eine Frau, d. h. bei mir blos ein junges, ganz
sittlich reines, Helles weibliches Wesen, keine genialische, so fragte ich nach
dem Gelde und nach dem Abendessen etwas und nach Gesellschaften weniger
und nach dem Leben mehr, das meine poetischen Träume immer durchsichtiger
und flittcrhafter schlagen." — „Ich kenne nun das Leben, besonders das
auflösende bei genialischer Weibern, die zugleich verwirren und zersetzen und
verspäten — nein ich will ein einfaches, stilleres Herz, damit meine Kindheit
und das Leben bei meinen Eltern wiederkomme, und alles was das erinnernde
Herz ewig vormalt."
An Otto, Hildburghausen 24. Mai. — „Hier sitze ich nun seit einer
Woche und recht weich. Ich correspondirte schon mehrmal mit einer Karoline
von Feuchtersleben. die hier ist. und dieser versprach ich zu kommen. (Denke
nur nicht, daß jetzt etwas Wichtiges kommt, nämlich eine Braut!) Sie ist ein
edles, tieffühlendes, männlich festes, vom Schicksal verwundetes, ziemlich schö¬
nes Mädchen, das mir seine silhouettirte Gestalt und Taille mit einer schwar¬
zen Blumenkette schickte (letztere sollte um mich herum), woraus ich sogleich
schloß, sie müsse am Hofe gewesen sein, welches sie auch war, als Vicarin
einer Hofdame. Fatal ists — und im Grunde gar nicht — daß sie im Spre¬
chen zu spielend und leicht ist. wie im Schreiben zu ernst. Sie lebt bei ihrer'
Mutter. Schwester und ihrem Bruder, und ich sitze meistens dort, wenn ich
nicht am Hofe bin, welches häufig der Fall ist. Hier fängt es an nllmälig
wichtig zu werden. Erstlich denke dir, male dir die himmlische Herzogin, mit
schönen kindlichen Augen, das ganze Gesicht voll Liebe und Reiz und Jugend,
mit einer Nachtigallenstimmritze" u. s. w. u. s. w. — Bei einer persönlichen
Zusammenkunft, im September, unterrichtet Jean Paul seinen Freund von
dem weitern Fortgang dieses Verhältnisses; dieser schreibt, 9. Oct.: „Wie groß
auch jetzt mein Mißtrauen gegen das Erlangen der jugendlichen Wünsche
und wie gering auch meine Erwartung eines dauernden Glücks ist, so weiß
ich doch nichts, was ich dir herzlicher und wozu ich dir freudiger Glück wün¬
schen könnte, als zu diesem edlen und achtungswürdigen Wesen." Doch kann
er das Benehmen seines Freundes nicht recht loben und warnt ihn namentlich
vor einer andern, gleichzeitig gepflegten und weniger würdigen Liaison. —
Richter schreibt, 7. Oct., aus Hildburghausen: „Den Dienstag fuhr ich mit
Herder nach Ilmenau und ging die Mittwoch hierher. Die schöne Herzogin
war grade bei meinem Einflug hier, und ließ mich sogleich auf ein paar Minu¬
ten vor dem Einsteigen kommen. Außer einer Geliebten weiß ich nichts Schö¬
neres als diese süße Gestalt. — Karoline kenne ich jetzt tiefer; noch in keiner
weiblichen Seele fand ich diese hohe, strenge, unnachlassende religiöse Moralität.
Bei ihrer moralischen Zartheit fühlt man. daß man leider in Weimar lange
gewesen. Sie würde, wenn ich mit ihr verbunden wäre, mein ganzes We-
47*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |