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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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schnitt das Fleisch in Streifen und bukanirte es an der Sonne und über dein
Feuer, zum Herbst- und Wintervorrath. Wenn er mitunter mit Beute be¬
laden von seiner Jagd zu Hause kam, und den kleinen Siffleur fleißig beim
Graben fand, so sprang er wol in das Loch und probnte es. ob es schon
groß genug sei. "Frisch! mein Freund, frisch!" schrie er ihm dann wol zu,
..das Loch muß noch weiter werden."

Schon singen einige dicke Regentropfen an zu fallen und Menaboshu
schüttelte sich den Nacken widerwillig, da er sich noch der ersten Sündflut er¬
innerte, in der die Wässer ihn so geplagt hatten. Allein glücklicherweise war
das Murmelthier eben mit seiner Arbeit fertig geworden. Menaboshu pvobute
noch einmal den Eingang und alle Räume des unterirdischen Gemachs und
fand alles für beide groß und bequem genug. Sie packten nun schnell ihre
Wintervorrüthe hinein und verkrochen sich dann auch selbst hinter ihren Kisten
und Kasten. Sie ließen sichs wohlschmecken und schliefen die ganze Nacht
auf den Thierfellen, mit denen sie ihre Gemächer tapezirt hatten, sehr gemüth¬
lich, trotzdem, daß es vom Himmel wie mit Molken goß. -- Der Regen
lief sammt und sonders an den Abhängen des Berges, in dem ihre Hohle
ausgearbeitet war, ganz unschädlich ab, und kein Tröpfchen erreichte sie durch
den auswärtssteigenden Gang. Menaboshu trotzte den machtlosen Fluten und
sie vertrieben sich die Langeweile so gut sie konnten. Das Murmelthier machte
drollige Purzelbäume und tanzte und Menaboshu sang und musicirte dazu.
Die erboßten Wasserthiere hatten den größten Aerger darüber, und da sie
fürchteten, daß der Regen ihnen diesmal so wenig helfen würde, wie das erste
Mal, so stellten sie ihn bald ein, ließen darauf aber einen harten Winter ein¬
treten, und führten nun so viel Hagel und Schneegestöber herbei, daß bald
alle Stege und Wege verschneit waren. Der Schnee blieb auf dem Berg, und
an den Abhängen und vor dem Loch liegen, und so dachten sie denn endlich,
sie würden durch dieses Mittel den Menaboshu gänzlich bedecken, ersticken, aus¬
hungern und begraben können.

Aber das kleine Murmelthier machte jedesmal, so wie frischer Schnee
fiel, den Eingang und die Luftlöcher wieder weiter und hielt fleißig alles
vor der Wohnung frei und unbeengt, so daß sie immer frische Luft hatte"
und auch zuweilen ein Mal ins Freie hinaus konnten.

In der Mitte des Winters, einstmals an einem späten Abende, als die
beiden Höhlenbewohner sich eben an einer schönen Rehfleischsuppe recht gütlich
gethan hatten, pochte wieder jemand an ihre Pforte. "Halt" sagte Mena¬
boshu zu Siffleur, "was ist das? Das ist kein guter Besuch, mein Freund!
wir müssen auf unserer Hut sein. Ich merke, das ist der Peccan.*) Der



') Die Engländer nennen dies der Otter ähnliche Wasserthier: "elle üsker"

schnitt das Fleisch in Streifen und bukanirte es an der Sonne und über dein
Feuer, zum Herbst- und Wintervorrath. Wenn er mitunter mit Beute be¬
laden von seiner Jagd zu Hause kam, und den kleinen Siffleur fleißig beim
Graben fand, so sprang er wol in das Loch und probnte es. ob es schon
groß genug sei. „Frisch! mein Freund, frisch!" schrie er ihm dann wol zu,
..das Loch muß noch weiter werden."

Schon singen einige dicke Regentropfen an zu fallen und Menaboshu
schüttelte sich den Nacken widerwillig, da er sich noch der ersten Sündflut er¬
innerte, in der die Wässer ihn so geplagt hatten. Allein glücklicherweise war
das Murmelthier eben mit seiner Arbeit fertig geworden. Menaboshu pvobute
noch einmal den Eingang und alle Räume des unterirdischen Gemachs und
fand alles für beide groß und bequem genug. Sie packten nun schnell ihre
Wintervorrüthe hinein und verkrochen sich dann auch selbst hinter ihren Kisten
und Kasten. Sie ließen sichs wohlschmecken und schliefen die ganze Nacht
auf den Thierfellen, mit denen sie ihre Gemächer tapezirt hatten, sehr gemüth¬
lich, trotzdem, daß es vom Himmel wie mit Molken goß. — Der Regen
lief sammt und sonders an den Abhängen des Berges, in dem ihre Hohle
ausgearbeitet war, ganz unschädlich ab, und kein Tröpfchen erreichte sie durch
den auswärtssteigenden Gang. Menaboshu trotzte den machtlosen Fluten und
sie vertrieben sich die Langeweile so gut sie konnten. Das Murmelthier machte
drollige Purzelbäume und tanzte und Menaboshu sang und musicirte dazu.
Die erboßten Wasserthiere hatten den größten Aerger darüber, und da sie
fürchteten, daß der Regen ihnen diesmal so wenig helfen würde, wie das erste
Mal, so stellten sie ihn bald ein, ließen darauf aber einen harten Winter ein¬
treten, und führten nun so viel Hagel und Schneegestöber herbei, daß bald
alle Stege und Wege verschneit waren. Der Schnee blieb auf dem Berg, und
an den Abhängen und vor dem Loch liegen, und so dachten sie denn endlich,
sie würden durch dieses Mittel den Menaboshu gänzlich bedecken, ersticken, aus¬
hungern und begraben können.

Aber das kleine Murmelthier machte jedesmal, so wie frischer Schnee
fiel, den Eingang und die Luftlöcher wieder weiter und hielt fleißig alles
vor der Wohnung frei und unbeengt, so daß sie immer frische Luft hatte»
und auch zuweilen ein Mal ins Freie hinaus konnten.

In der Mitte des Winters, einstmals an einem späten Abende, als die
beiden Höhlenbewohner sich eben an einer schönen Rehfleischsuppe recht gütlich
gethan hatten, pochte wieder jemand an ihre Pforte. „Halt" sagte Mena¬
boshu zu Siffleur, „was ist das? Das ist kein guter Besuch, mein Freund!
wir müssen auf unserer Hut sein. Ich merke, das ist der Peccan.*) Der



') Die Engländer nennen dies der Otter ähnliche Wasserthier: „elle üsker"
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[0362] schnitt das Fleisch in Streifen und bukanirte es an der Sonne und über dein Feuer, zum Herbst- und Wintervorrath. Wenn er mitunter mit Beute be¬ laden von seiner Jagd zu Hause kam, und den kleinen Siffleur fleißig beim Graben fand, so sprang er wol in das Loch und probnte es. ob es schon groß genug sei. „Frisch! mein Freund, frisch!" schrie er ihm dann wol zu, ..das Loch muß noch weiter werden." Schon singen einige dicke Regentropfen an zu fallen und Menaboshu schüttelte sich den Nacken widerwillig, da er sich noch der ersten Sündflut er¬ innerte, in der die Wässer ihn so geplagt hatten. Allein glücklicherweise war das Murmelthier eben mit seiner Arbeit fertig geworden. Menaboshu pvobute noch einmal den Eingang und alle Räume des unterirdischen Gemachs und fand alles für beide groß und bequem genug. Sie packten nun schnell ihre Wintervorrüthe hinein und verkrochen sich dann auch selbst hinter ihren Kisten und Kasten. Sie ließen sichs wohlschmecken und schliefen die ganze Nacht auf den Thierfellen, mit denen sie ihre Gemächer tapezirt hatten, sehr gemüth¬ lich, trotzdem, daß es vom Himmel wie mit Molken goß. — Der Regen lief sammt und sonders an den Abhängen des Berges, in dem ihre Hohle ausgearbeitet war, ganz unschädlich ab, und kein Tröpfchen erreichte sie durch den auswärtssteigenden Gang. Menaboshu trotzte den machtlosen Fluten und sie vertrieben sich die Langeweile so gut sie konnten. Das Murmelthier machte drollige Purzelbäume und tanzte und Menaboshu sang und musicirte dazu. Die erboßten Wasserthiere hatten den größten Aerger darüber, und da sie fürchteten, daß der Regen ihnen diesmal so wenig helfen würde, wie das erste Mal, so stellten sie ihn bald ein, ließen darauf aber einen harten Winter ein¬ treten, und führten nun so viel Hagel und Schneegestöber herbei, daß bald alle Stege und Wege verschneit waren. Der Schnee blieb auf dem Berg, und an den Abhängen und vor dem Loch liegen, und so dachten sie denn endlich, sie würden durch dieses Mittel den Menaboshu gänzlich bedecken, ersticken, aus¬ hungern und begraben können. Aber das kleine Murmelthier machte jedesmal, so wie frischer Schnee fiel, den Eingang und die Luftlöcher wieder weiter und hielt fleißig alles vor der Wohnung frei und unbeengt, so daß sie immer frische Luft hatte» und auch zuweilen ein Mal ins Freie hinaus konnten. In der Mitte des Winters, einstmals an einem späten Abende, als die beiden Höhlenbewohner sich eben an einer schönen Rehfleischsuppe recht gütlich gethan hatten, pochte wieder jemand an ihre Pforte. „Halt" sagte Mena¬ boshu zu Siffleur, „was ist das? Das ist kein guter Besuch, mein Freund! wir müssen auf unserer Hut sein. Ich merke, das ist der Peccan.*) Der ') Die Engländer nennen dies der Otter ähnliche Wasserthier: „elle üsker"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/362>, abgerufen am 22.12.2024.