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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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kannt. weil seine Medicin stärker war, als die ihrige.*) Er verblendete sie
und so konnte sie ihn nicht sehen. Sie hielt ihn für einen gewöhnlichen
Menschen. Als sie aber ihren Zaubergesang anfing und Menaboshu gleich
so geschickt und kundig mit einstimmte, da wandelte sie eine Ahnung an und
sie schöpfte Verdacht. Und vom plötzlichen Schrecken ergriffen, schrie sie:
"Wehe! Du bist doch nicht etwa der Menaboshu?" "Ja. das ist ganz recht!
erwiederte er, "ich bin Menaboshu!" nahm sein Messer, schlug die Alte todt
und zog ihr auf der Stelle die Haut ab. Diese Haut trocknete er am Feuer
und zog sie dann über, legte sich ihre alten Runzeln über Stirn und Wangen;
stülpte auch ihren struppigen Skalp oder ihre Perücke über sein Haupt, machte
einen gekrümmten Rücken, wie sie es gethan hatte, nahm ihren Krückenstab
in seine Hand, sing an zu husten und zu keuchen wie sie, schrie und jammerte
auch ebenso wie sie über ihre verwundeten Söhne und schimpfte über den
verwünschten Menaboshu. Und in dieser Vermummung ging er zum Hause
der Schlangen. Als sie dort die Alte düfteln und jammern hörten, schrien
die verwundeten Söhne alle drei schon von weitem: Ach da kömmt unsere
gute, weinende Mutter! -- Nun kommt her Kinder, ick habe auch
wieder frische Kräuter mitgebracht, Eure Wunden zu behandeln. -- Aber Du
bist gewiß hungrig, gute Mutter. Willst Du nicht erst etwas essen? Da liegt
noch eine Pfote von dem kleinen abscheulichen Wolfe von Menaboshu. Wir
liaven es noch nicht alle aufgegessen und Dir etwas Gutes übrig gelassen. --
Menaboshu wurde bei diesem Anerbieten und bei dem Anblick des zarten
Pfötchen seines Lieblings ganz wüthend und faßte sich kaum. Er knirschte mit
den Zähnen und murnielte: "Nein Kinder, erst muß ich Eure Wunden behan¬
deln." Nun hielt sich Menaboshu nicht mehr. Er fiel über sie her. Und
da er aus der obigen Unterredung mit der Alten genau wußte, wo die Pfeile
steckten, so griff er behende zu, und drückte sie, statt sie herauszuziehen, ihnen
ganz in den Leib und ins Herz und machte ihnen das Garaus. Da ent¬
stand dann Plötzlich ein großer Aufruhr im ganzen Lager der Schlangen, und
alle wußten nun, wer mis Schlangenmutter zu'ihnen gekommen war. Mena¬
boshu, indem er Abschied nahm, riß sich die Haut der Alten ab, warf sie
seinen Feinden zu, und rief: So werde ich Euch alle behandeln. Und damit
machte er sich aus dem Staube.

In dem Lager der Schlangen und Schildkröten aber entstand ein all-




") "Seine Medicin ist stärker" <8" mväioiruz <zst Ms torto) sagen die Indianer von einem
Zauberer, oder auch von einem Helden, dessen Zaubermittel, Kraft, Genius und Talente bedeu¬
tender sind, als die eines andern, und der einen andern hinters Licht zu führen versteht.
Vermummungen, Lagerbcschlcichungen und derartige geheime Ueberrumpclungen zum
niederstoßen von Feinden, kommen oft in den Kriegsgeschichten der Indianer vor.

kannt. weil seine Medicin stärker war, als die ihrige.*) Er verblendete sie
und so konnte sie ihn nicht sehen. Sie hielt ihn für einen gewöhnlichen
Menschen. Als sie aber ihren Zaubergesang anfing und Menaboshu gleich
so geschickt und kundig mit einstimmte, da wandelte sie eine Ahnung an und
sie schöpfte Verdacht. Und vom plötzlichen Schrecken ergriffen, schrie sie:
„Wehe! Du bist doch nicht etwa der Menaboshu?" „Ja. das ist ganz recht!
erwiederte er, „ich bin Menaboshu!" nahm sein Messer, schlug die Alte todt
und zog ihr auf der Stelle die Haut ab. Diese Haut trocknete er am Feuer
und zog sie dann über, legte sich ihre alten Runzeln über Stirn und Wangen;
stülpte auch ihren struppigen Skalp oder ihre Perücke über sein Haupt, machte
einen gekrümmten Rücken, wie sie es gethan hatte, nahm ihren Krückenstab
in seine Hand, sing an zu husten und zu keuchen wie sie, schrie und jammerte
auch ebenso wie sie über ihre verwundeten Söhne und schimpfte über den
verwünschten Menaboshu. Und in dieser Vermummung ging er zum Hause
der Schlangen. Als sie dort die Alte düfteln und jammern hörten, schrien
die verwundeten Söhne alle drei schon von weitem: Ach da kömmt unsere
gute, weinende Mutter! — Nun kommt her Kinder, ick habe auch
wieder frische Kräuter mitgebracht, Eure Wunden zu behandeln. — Aber Du
bist gewiß hungrig, gute Mutter. Willst Du nicht erst etwas essen? Da liegt
noch eine Pfote von dem kleinen abscheulichen Wolfe von Menaboshu. Wir
liaven es noch nicht alle aufgegessen und Dir etwas Gutes übrig gelassen. —
Menaboshu wurde bei diesem Anerbieten und bei dem Anblick des zarten
Pfötchen seines Lieblings ganz wüthend und faßte sich kaum. Er knirschte mit
den Zähnen und murnielte: „Nein Kinder, erst muß ich Eure Wunden behan¬
deln." Nun hielt sich Menaboshu nicht mehr. Er fiel über sie her. Und
da er aus der obigen Unterredung mit der Alten genau wußte, wo die Pfeile
steckten, so griff er behende zu, und drückte sie, statt sie herauszuziehen, ihnen
ganz in den Leib und ins Herz und machte ihnen das Garaus. Da ent¬
stand dann Plötzlich ein großer Aufruhr im ganzen Lager der Schlangen, und
alle wußten nun, wer mis Schlangenmutter zu'ihnen gekommen war. Mena¬
boshu, indem er Abschied nahm, riß sich die Haut der Alten ab, warf sie
seinen Feinden zu, und rief: So werde ich Euch alle behandeln. Und damit
machte er sich aus dem Staube.

In dem Lager der Schlangen und Schildkröten aber entstand ein all-




") „Seine Medicin ist stärker" <8» mväioiruz <zst Ms torto) sagen die Indianer von einem
Zauberer, oder auch von einem Helden, dessen Zaubermittel, Kraft, Genius und Talente bedeu¬
tender sind, als die eines andern, und der einen andern hinters Licht zu führen versteht.
Vermummungen, Lagerbcschlcichungen und derartige geheime Ueberrumpclungen zum
niederstoßen von Feinden, kommen oft in den Kriegsgeschichten der Indianer vor.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/360>, abgerufen am 23.12.2024.