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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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vor, spaltete sie vorsichtig der Länge nach, schnitt äußerst behutsam den zähen
Bast heraus und drehte dann solche Schnüre, wie die Indianer sie in ihren
Haushaltungen bei mancherlei Gelegenheiten, wo wir unsern hanfenen Bind¬
faden gebrauchen, bei ihren Netzen, bei ihrem Häuserbau, beim Schiffsbau,
bei Verfertigung ihrer Säcke und Körbe, zum Zusammenschnüren voU Waaren-
bündeln u. s. w. verwenden. Es ist eine geräuschlose Arbeit und sie läßt
sich von Erzählung fast noch bequemer begleiten als unser Spinnrad. --

"Todt und verschwunden, hub meine Alte an, waren jene Schlangen
keinesweges. Sie lauerten noch immer in ihren Verstecken auf dem Grunde des
Wassers. Als sie die neugeschaffenen Inseln, die schönen frischen Wälder, Flüsse
und Prärien, Felsen und Berge gewahrten, da wurden sie selbst alsbald
zweifelhaft darüber, ob es ihnen wirklich gelungen sei, den Menaboshu zu
vernichten. Sie sprachen zu sich: Sollte dieser Unleidliche nicht doch am
Ende noch leben? Sollten diese geschmückten Fcstlandinseln nicht etwa
wieder sein Werk sein? Vielleicht wandelt und jagt er auf ihnen umher,
zu unserem Verdrusse sich seines Lebens freuend, wie ehemals, während
von unseren Leuten noch so viele um den Wunden, die ihnen seine Bos¬
heit und seine Pfeile zufügten, darniederliegen und vergebens nach Heilung
seufzen und auch des sicheren Trostes entbehren, daß Rache für sie genommen
wurde. Die Pfeile, mit denen Menaboshu nämlich damals die Schlangen
erlegt und verwundet hatte, so bemerkte nun meine Alte dazwischen, waren
keineswegs gewöhnliche Pfeile. Es waren Zauberpfeile, und die Wunden
von solchen Pfeilen heilen nicht so schnell. -- Und ich meinerseits mag hier
die weitere Bemerkung einschieben, daß man überhaupt bei den Indianern
die Wahrheit am sichersten trifft, wenn man alle Dinge in der Natur für
Zauberproducte oder für mit Wundereigenschaften begabte Dinge ansieht.

Die Schlangen hielten über diesen Punkt einen großen Rath, zu dem
auch die Häuptlinge und Könige der Schildkröten gezogen wurden. Denn
die Schildkröten stehen mit den Schlangen im Bunde und sind besonders
schlau. Nach einer langen Berathschlagung riethen sie endlich, man sollte
aus "Bois Blanc" solche Stricke machen, wie ich sie hier mache, und ein
Netz davon quer über die Erde ziehen. Das Ende des Netzes und Stricks
wolle sich eine der Schildkröten ans Bein binden. Der unruhige Menaboshu
könne ja nun einmal, wenn er überhaupt noch lebe, nicht rasten, und wenn
er auf die Jagd ginge, so würde er jedenfalls einmal mit dem Fuße an einen
dieser Stricke stoßen. Die wachthabende Schildkröte würde es alsbald an ihrem
Beine spüren und wolle dann sogleich zu den Schlangen laufen und ihnen
Nachricht bringen. Dieser Rath gefiel den Schlangen sehr wohl. Sie
machten sich daher allesammt mit den Schildkröten daran, so viele Baststricke
aus Bois Blanc zu flechten, als dazu nöthig waren, um die ganze Welt darin


vor, spaltete sie vorsichtig der Länge nach, schnitt äußerst behutsam den zähen
Bast heraus und drehte dann solche Schnüre, wie die Indianer sie in ihren
Haushaltungen bei mancherlei Gelegenheiten, wo wir unsern hanfenen Bind¬
faden gebrauchen, bei ihren Netzen, bei ihrem Häuserbau, beim Schiffsbau,
bei Verfertigung ihrer Säcke und Körbe, zum Zusammenschnüren voU Waaren-
bündeln u. s. w. verwenden. Es ist eine geräuschlose Arbeit und sie läßt
sich von Erzählung fast noch bequemer begleiten als unser Spinnrad. —

„Todt und verschwunden, hub meine Alte an, waren jene Schlangen
keinesweges. Sie lauerten noch immer in ihren Verstecken auf dem Grunde des
Wassers. Als sie die neugeschaffenen Inseln, die schönen frischen Wälder, Flüsse
und Prärien, Felsen und Berge gewahrten, da wurden sie selbst alsbald
zweifelhaft darüber, ob es ihnen wirklich gelungen sei, den Menaboshu zu
vernichten. Sie sprachen zu sich: Sollte dieser Unleidliche nicht doch am
Ende noch leben? Sollten diese geschmückten Fcstlandinseln nicht etwa
wieder sein Werk sein? Vielleicht wandelt und jagt er auf ihnen umher,
zu unserem Verdrusse sich seines Lebens freuend, wie ehemals, während
von unseren Leuten noch so viele um den Wunden, die ihnen seine Bos¬
heit und seine Pfeile zufügten, darniederliegen und vergebens nach Heilung
seufzen und auch des sicheren Trostes entbehren, daß Rache für sie genommen
wurde. Die Pfeile, mit denen Menaboshu nämlich damals die Schlangen
erlegt und verwundet hatte, so bemerkte nun meine Alte dazwischen, waren
keineswegs gewöhnliche Pfeile. Es waren Zauberpfeile, und die Wunden
von solchen Pfeilen heilen nicht so schnell. — Und ich meinerseits mag hier
die weitere Bemerkung einschieben, daß man überhaupt bei den Indianern
die Wahrheit am sichersten trifft, wenn man alle Dinge in der Natur für
Zauberproducte oder für mit Wundereigenschaften begabte Dinge ansieht.

Die Schlangen hielten über diesen Punkt einen großen Rath, zu dem
auch die Häuptlinge und Könige der Schildkröten gezogen wurden. Denn
die Schildkröten stehen mit den Schlangen im Bunde und sind besonders
schlau. Nach einer langen Berathschlagung riethen sie endlich, man sollte
aus „Bois Blanc" solche Stricke machen, wie ich sie hier mache, und ein
Netz davon quer über die Erde ziehen. Das Ende des Netzes und Stricks
wolle sich eine der Schildkröten ans Bein binden. Der unruhige Menaboshu
könne ja nun einmal, wenn er überhaupt noch lebe, nicht rasten, und wenn
er auf die Jagd ginge, so würde er jedenfalls einmal mit dem Fuße an einen
dieser Stricke stoßen. Die wachthabende Schildkröte würde es alsbald an ihrem
Beine spüren und wolle dann sogleich zu den Schlangen laufen und ihnen
Nachricht bringen. Dieser Rath gefiel den Schlangen sehr wohl. Sie
machten sich daher allesammt mit den Schildkröten daran, so viele Baststricke
aus Bois Blanc zu flechten, als dazu nöthig waren, um die ganze Welt darin


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[0358] vor, spaltete sie vorsichtig der Länge nach, schnitt äußerst behutsam den zähen Bast heraus und drehte dann solche Schnüre, wie die Indianer sie in ihren Haushaltungen bei mancherlei Gelegenheiten, wo wir unsern hanfenen Bind¬ faden gebrauchen, bei ihren Netzen, bei ihrem Häuserbau, beim Schiffsbau, bei Verfertigung ihrer Säcke und Körbe, zum Zusammenschnüren voU Waaren- bündeln u. s. w. verwenden. Es ist eine geräuschlose Arbeit und sie läßt sich von Erzählung fast noch bequemer begleiten als unser Spinnrad. — „Todt und verschwunden, hub meine Alte an, waren jene Schlangen keinesweges. Sie lauerten noch immer in ihren Verstecken auf dem Grunde des Wassers. Als sie die neugeschaffenen Inseln, die schönen frischen Wälder, Flüsse und Prärien, Felsen und Berge gewahrten, da wurden sie selbst alsbald zweifelhaft darüber, ob es ihnen wirklich gelungen sei, den Menaboshu zu vernichten. Sie sprachen zu sich: Sollte dieser Unleidliche nicht doch am Ende noch leben? Sollten diese geschmückten Fcstlandinseln nicht etwa wieder sein Werk sein? Vielleicht wandelt und jagt er auf ihnen umher, zu unserem Verdrusse sich seines Lebens freuend, wie ehemals, während von unseren Leuten noch so viele um den Wunden, die ihnen seine Bos¬ heit und seine Pfeile zufügten, darniederliegen und vergebens nach Heilung seufzen und auch des sicheren Trostes entbehren, daß Rache für sie genommen wurde. Die Pfeile, mit denen Menaboshu nämlich damals die Schlangen erlegt und verwundet hatte, so bemerkte nun meine Alte dazwischen, waren keineswegs gewöhnliche Pfeile. Es waren Zauberpfeile, und die Wunden von solchen Pfeilen heilen nicht so schnell. — Und ich meinerseits mag hier die weitere Bemerkung einschieben, daß man überhaupt bei den Indianern die Wahrheit am sichersten trifft, wenn man alle Dinge in der Natur für Zauberproducte oder für mit Wundereigenschaften begabte Dinge ansieht. Die Schlangen hielten über diesen Punkt einen großen Rath, zu dem auch die Häuptlinge und Könige der Schildkröten gezogen wurden. Denn die Schildkröten stehen mit den Schlangen im Bunde und sind besonders schlau. Nach einer langen Berathschlagung riethen sie endlich, man sollte aus „Bois Blanc" solche Stricke machen, wie ich sie hier mache, und ein Netz davon quer über die Erde ziehen. Das Ende des Netzes und Stricks wolle sich eine der Schildkröten ans Bein binden. Der unruhige Menaboshu könne ja nun einmal, wenn er überhaupt noch lebe, nicht rasten, und wenn er auf die Jagd ginge, so würde er jedenfalls einmal mit dem Fuße an einen dieser Stricke stoßen. Die wachthabende Schildkröte würde es alsbald an ihrem Beine spüren und wolle dann sogleich zu den Schlangen laufen und ihnen Nachricht bringen. Dieser Rath gefiel den Schlangen sehr wohl. Sie machten sich daher allesammt mit den Schildkröten daran, so viele Baststricke aus Bois Blanc zu flechten, als dazu nöthig waren, um die ganze Welt darin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/358>, abgerufen am 22.12.2024.