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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Schlichtung der auswärtigen Politik wählte der König wieder einen Mann,
der schon vielen Regierungen als der nothwendige erschienen war. Tallev-
rand, und fand darin den Beifall seiner Minister. Talleyrand hatte als
Unterhändler zwei vorzügliche Eigenschaften, er wußte in der Lage der Re¬
gierung, welcher er diente, den Punkt, auf den es augenblicklich asikam,
scharf aufzufinden und denselben mit Hintansetzung aller übrigen Rücksichten,
so wichtig sie auch sonst sein mochten, ausschließlich geltend zu machen. Ferner
kannte er die Kunst zu gefallen aus dem Grunde, da er mit seiner Schmei¬
chelei immer die Art und Weise eines großen Herrn verband. Namentlich
für die Stelle eines Botschafters in London ist diese Verbindung eines libe¬
ralen Verständnisses mit aristokratischen Gewohnheiten von der größten Wich¬
tigkeit. Talleyrand verband die Fähigkeit eines schnellen Entschlusses mit kühler
Geduld, Kühnheit mit Unbeweglichkeit, und er verstand die seltene Kunst, auf
eine vornehme Weise zu warten.

Auf das Detail der auswärtigen Angelegenheiten gehn wir hier nicht
ein. Guizot unternimmt es, alles was damals geschah zu rechtfertigen, weil
er in dieser Beziehung grade so ein Politiker der Umstände ist, wie alle üb¬
rigen Franzosen^ '"^ es-ehr-u^-X ' -

Um die Ordnung herzustellen, kam es nun aus einige durchgreifende Ma߬
regeln an, zunächst galt es die Schließung der Clubs. So widersprechend
es scheint, unmittelbar nach dem Siege eines Volks, dessen erstes Recht doch
ist, über gemeinsame Interessen und Zwecke gemeinsam zu berathen, dieses
Recht gewaltthätig zu verkümmern, so wird doch ein unbefangenes Studium
der Geschichte aller Revolutionen zu folgenden Resultaten sichren. Sobald die
Clubs eine gewisse Dauer erlangen, herrscht in ihnen der Pöbel; denn die
ordentlichen Leute haben nicht Zeit, den ganzen Tag Politik ^u treiben und
die Schlechten haben gegen ihre Gegner Waffen in der Hand, deren sich der
Gute nicht bedienen kann. Entweder wird also die Negierung virent von den
Clubs geführt wie 1793, und damit ist der Staat den wildesten Leidenschaften
unterworfen, oder die Clubs werden geschlossen. Das Letztere ist, sobald man
nur einmal den Entschluß gefaßt, immer leichter als man glaubt, denn die
stille Meinung aller Gutgesinnten, die nur nicht den Muth hat, unabhängig
aufzutreten, ist stets gegen die Clubs, und sobald eine entschlossene Hand den
Kampf eröffnet, wird diese stille Meinung die allgemeine. Auch in Frank¬
reich wurde die große Maßregel ohne Widerstand durchgesetzt und Guizot
kommt das Verdienst zu, .in demselben die Führerschaft übernommen zu haben.
Wenn er dadurch der Menge verhaßt wurde,, so trug er diese Unpopularität
mit Anstand.

Eine zweite Schwierigkeit der neuen Regierung war der angefangene Pro¬
ceß der abgesetzten Minister. Die Menge verlangte ihr Blut, um dadurch


Schlichtung der auswärtigen Politik wählte der König wieder einen Mann,
der schon vielen Regierungen als der nothwendige erschienen war. Tallev-
rand, und fand darin den Beifall seiner Minister. Talleyrand hatte als
Unterhändler zwei vorzügliche Eigenschaften, er wußte in der Lage der Re¬
gierung, welcher er diente, den Punkt, auf den es augenblicklich asikam,
scharf aufzufinden und denselben mit Hintansetzung aller übrigen Rücksichten,
so wichtig sie auch sonst sein mochten, ausschließlich geltend zu machen. Ferner
kannte er die Kunst zu gefallen aus dem Grunde, da er mit seiner Schmei¬
chelei immer die Art und Weise eines großen Herrn verband. Namentlich
für die Stelle eines Botschafters in London ist diese Verbindung eines libe¬
ralen Verständnisses mit aristokratischen Gewohnheiten von der größten Wich¬
tigkeit. Talleyrand verband die Fähigkeit eines schnellen Entschlusses mit kühler
Geduld, Kühnheit mit Unbeweglichkeit, und er verstand die seltene Kunst, auf
eine vornehme Weise zu warten.

Auf das Detail der auswärtigen Angelegenheiten gehn wir hier nicht
ein. Guizot unternimmt es, alles was damals geschah zu rechtfertigen, weil
er in dieser Beziehung grade so ein Politiker der Umstände ist, wie alle üb¬
rigen Franzosen^ '"^ es-ehr-u^-X ' -

Um die Ordnung herzustellen, kam es nun aus einige durchgreifende Ma߬
regeln an, zunächst galt es die Schließung der Clubs. So widersprechend
es scheint, unmittelbar nach dem Siege eines Volks, dessen erstes Recht doch
ist, über gemeinsame Interessen und Zwecke gemeinsam zu berathen, dieses
Recht gewaltthätig zu verkümmern, so wird doch ein unbefangenes Studium
der Geschichte aller Revolutionen zu folgenden Resultaten sichren. Sobald die
Clubs eine gewisse Dauer erlangen, herrscht in ihnen der Pöbel; denn die
ordentlichen Leute haben nicht Zeit, den ganzen Tag Politik ^u treiben und
die Schlechten haben gegen ihre Gegner Waffen in der Hand, deren sich der
Gute nicht bedienen kann. Entweder wird also die Negierung virent von den
Clubs geführt wie 1793, und damit ist der Staat den wildesten Leidenschaften
unterworfen, oder die Clubs werden geschlossen. Das Letztere ist, sobald man
nur einmal den Entschluß gefaßt, immer leichter als man glaubt, denn die
stille Meinung aller Gutgesinnten, die nur nicht den Muth hat, unabhängig
aufzutreten, ist stets gegen die Clubs, und sobald eine entschlossene Hand den
Kampf eröffnet, wird diese stille Meinung die allgemeine. Auch in Frank¬
reich wurde die große Maßregel ohne Widerstand durchgesetzt und Guizot
kommt das Verdienst zu, .in demselben die Führerschaft übernommen zu haben.
Wenn er dadurch der Menge verhaßt wurde,, so trug er diese Unpopularität
mit Anstand.

Eine zweite Schwierigkeit der neuen Regierung war der angefangene Pro¬
ceß der abgesetzten Minister. Die Menge verlangte ihr Blut, um dadurch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/34>, abgerufen am 03.01.2025.