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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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ich rathen? soll ich wollen? So kommen Sie in dieses Gebirge, wo auch ich
jetzo wohne. Sie finden daselvst Bekannte, die Ihre Freundinnen werden
können, und so würde ein schöneres und freieres Leben unter uns walten."
Charlotte traf dieses Schreiben wie ein Strahl des Himmels. "Aber in
Rücksicht auf Form und Bedingniß der Gewohnheit mühten sehr viele Zweifel
entsteh". Kein andrer Grund zu dieser Veränderung des Aufenthalts war zu
finden als nur sein Name! Wie Hütte dieser Eifer des Sehnens und des
Wollens, der aus seinem Brief sprach, sich immer gleich bleiben können? --
und ohne sein ernstes absolutes Wollen wäre jeder Schritt beleidigend ans
mich zurückgefallen. Ein solcher ernster, entscheidender Wille mußte durch seine
Erscheinung (in Weimar) selbst, die mich dazu persönlich aufforderte, bestimmt
werden/' "Es war ein kleines Heft, was er mir als Brief zugeschickt, und
eben ein solches erhielt er wieder, denn meines Lebens Loose waren ja darin
enthalten. Es vergingen Wochen, Monate, und ich erhielt keine Antwort.
Da schrieb ich: -- haben Sie meinen Brief erhalten, so glaube ich nach der
Zögerung kein lichtes Wort mehr von Ihnen zu vernehmen; ist dies aber
nicht der Fall, so kann ich ihn zum zweiten Mal schreiben." -- "Ich habe Ilne"
Arles erhalten, bin aber aus manche Weise behindert worden, ihn eingehend
zu beantworten. In einigen Tagen reite ich nach Franken; vielleicht kommen
Sie eines in jene Gegend u. s. w."

So stauben die Sachen. Den 12. Nov. kehrte Schiller nach Weimar
Zurück; seinen Körner, vielleicht sich selbst, glaubte er über das Vorgegangene
beruhige" zu müssen: "Mein Herz ist ganz frei, dir zum Troste. Ich habe
es redlich gehalten, was ich mir zum Gesetz machte und dir angelobte: ich
habe meine Empfindungen durch Vertheilung geschwächt." Seine Briefe an
die Schwestern sprechen anders. Frau von Kalb scheint eine bessere Haltung
bewahrt zu haben, als mau nach ihren Memoiren schließen sollte. "Heute
(27. Nov. an Caroline) habe ich sie besucht und eine recht geistvolle Unter¬
haltung bei ihr gefunden. Wie sehr wünschte ich ihrem Geiste die Welt, für
die er eigentlich geschaffen ist. Es liegt unendlich viel Eignes in ihrer Vor¬
stellungskraft und ihre Blicke sind ebenso scharf als tief." -- 25. Febr. 1789
an Körner: "Ich sehe Charlotte zwar selten, aber doch noch am meisten von allen
Menschen. Sie wird dir nächstens einmal wieder schreiben." 9. März:
"Charlotte besuche ich noch am meisten, sie ist diesen Winter gesunder und
un Ganzen auch heiterer als im vorigen, wir stehn recht gut zusammen, aber
>es habe, seitdem ich wieder hier bin, einige Principien von Freiheit und
Unabhängigkeit im Handeln und Wandeln in mir aufkommen lassen, denen sich
wein Verhältniß zu'ihr wie zu allen übrigen Menschen blindlings unterwerfen
"wß. Alle romantischen Luftschlösser fallen ein. und nur was wahr und na-
tüMch ist, bleibt stehen." -- Den 11. Mai ging Schiller als Professor nach


Grenzboten II. 1859. 42

ich rathen? soll ich wollen? So kommen Sie in dieses Gebirge, wo auch ich
jetzo wohne. Sie finden daselvst Bekannte, die Ihre Freundinnen werden
können, und so würde ein schöneres und freieres Leben unter uns walten."
Charlotte traf dieses Schreiben wie ein Strahl des Himmels. „Aber in
Rücksicht auf Form und Bedingniß der Gewohnheit mühten sehr viele Zweifel
entsteh». Kein andrer Grund zu dieser Veränderung des Aufenthalts war zu
finden als nur sein Name! Wie Hütte dieser Eifer des Sehnens und des
Wollens, der aus seinem Brief sprach, sich immer gleich bleiben können? —
und ohne sein ernstes absolutes Wollen wäre jeder Schritt beleidigend ans
mich zurückgefallen. Ein solcher ernster, entscheidender Wille mußte durch seine
Erscheinung (in Weimar) selbst, die mich dazu persönlich aufforderte, bestimmt
werden/' „Es war ein kleines Heft, was er mir als Brief zugeschickt, und
eben ein solches erhielt er wieder, denn meines Lebens Loose waren ja darin
enthalten. Es vergingen Wochen, Monate, und ich erhielt keine Antwort.
Da schrieb ich: — haben Sie meinen Brief erhalten, so glaube ich nach der
Zögerung kein lichtes Wort mehr von Ihnen zu vernehmen; ist dies aber
nicht der Fall, so kann ich ihn zum zweiten Mal schreiben." — „Ich habe Ilne»
Arles erhalten, bin aber aus manche Weise behindert worden, ihn eingehend
zu beantworten. In einigen Tagen reite ich nach Franken; vielleicht kommen
Sie eines in jene Gegend u. s. w."

So stauben die Sachen. Den 12. Nov. kehrte Schiller nach Weimar
Zurück; seinen Körner, vielleicht sich selbst, glaubte er über das Vorgegangene
beruhige» zu müssen: „Mein Herz ist ganz frei, dir zum Troste. Ich habe
es redlich gehalten, was ich mir zum Gesetz machte und dir angelobte: ich
habe meine Empfindungen durch Vertheilung geschwächt." Seine Briefe an
die Schwestern sprechen anders. Frau von Kalb scheint eine bessere Haltung
bewahrt zu haben, als mau nach ihren Memoiren schließen sollte. „Heute
(27. Nov. an Caroline) habe ich sie besucht und eine recht geistvolle Unter¬
haltung bei ihr gefunden. Wie sehr wünschte ich ihrem Geiste die Welt, für
die er eigentlich geschaffen ist. Es liegt unendlich viel Eignes in ihrer Vor¬
stellungskraft und ihre Blicke sind ebenso scharf als tief." — 25. Febr. 1789
an Körner: „Ich sehe Charlotte zwar selten, aber doch noch am meisten von allen
Menschen. Sie wird dir nächstens einmal wieder schreiben." 9. März:
»Charlotte besuche ich noch am meisten, sie ist diesen Winter gesunder und
un Ganzen auch heiterer als im vorigen, wir stehn recht gut zusammen, aber
>es habe, seitdem ich wieder hier bin, einige Principien von Freiheit und
Unabhängigkeit im Handeln und Wandeln in mir aufkommen lassen, denen sich
wein Verhältniß zu'ihr wie zu allen übrigen Menschen blindlings unterwerfen
"wß. Alle romantischen Luftschlösser fallen ein. und nur was wahr und na-
tüMch ist, bleibt stehen." — Den 11. Mai ging Schiller als Professor nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/339>, abgerufen am 23.12.2024.