Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Lieferung Gelegenheit, auf jeder Seite die Gelehrsamkeit des Herausgebers und den Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Hering in Leipzig. Druck von C, E, Elbert in Leipzig. Lieferung Gelegenheit, auf jeder Seite die Gelehrsamkeit des Herausgebers und den Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Hering in Leipzig. Druck von C, E, Elbert in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107377"/> <p xml:id="ID_985" prev="#ID_984"> Lieferung Gelegenheit, auf jeder Seite die Gelehrsamkeit des Herausgebers und den<lb/> Reichthum der verzeichneten Wörter zu bewundern, doch noch immer thut es noth,<lb/> bei diesem größten und vollständigsten lexikographischen Werke, die wir bis setzt in<lb/> irgend einer Sprache besitzen, daran zu erinnern, daß absolute Vollständigkeit in<lb/> einem Verzeichniß der deutschen Wörter ebenso wenig zu erreichen ist, wie das Zählen<lb/> der Blätter eines Waldes, daß es auch bei verzeichneten Wörtern oft nicht möglich<lb/> bleibt, alle Nuancen der Bedeutung aus vergangener Zeit und der Gegenwart zu<lb/> fixiren. Zahlreiche Nebenbedeutungen wohlbekannter Wörter haben sich nie in der<lb/> Schriftsprache niedergeschlagen, viele liegen noch in alten Drucken verborgen; denn<lb/> wie groß die Masse der für das Lexikon gelesenen und ausgezogenen Bücher ist, so<lb/> war es doch unthunlich, auch nur den größern Theil der kleineren Druckwerke ver¬<lb/> gangener Zeit, der zahllosen Flugschriften :c. zu benutzen, in denen oft volkstüm¬<lb/> liche Wendungen und Ausdrücke von großer Originalität erscheinen. Nun ist die<lb/> Eigenthümlichkeit jeder Arbeit, daß der einzelne Leser, und sei seine Sprache noch<lb/> so arm, im Stande ist, aus dem eigenen Leben einzelne Zusätze und Berichtigungen<lb/> zu liefern, und jeder mag hier und da ihm Wohlbekanntes vermissen. Und wenn<lb/> der Umfang des Wörterbuchs dreifach so groß wäre, dieselbe Erscheinung würde<lb/> unvermeidlich sein, so lange die deutsche Sprache als ein lebender Organismus durch<lb/> mehr als vierzig Millionen Seelen dcchinflutct. Wenn aber wir, treue Verehrer des<lb/> großen Gelehrten, welcher seine Kraft wieder dem Wörterbuch gewidmet hat, einen,<lb/> bescheidenen und dringenden Wunsch aussprechen sollen, so ist es der, daß sein Wissen<lb/> nicht verschmähe, den Wörtern regelmäßig nicht nur das 'entsprechende lateinische<lb/> Wort, sondern auch eine sinnerklürende deutsche Umschreibung, oder eine Synonyme<lb/> hinzuzufügen. Das Publicum wird schon jetzt dankbar dafür sein, daß dies viel<lb/> öfter geschieht, als in den ersten Lieferungen, aber noch hat man Ursache, bei ein¬<lb/> zelnen Wörtern sich nach der Erklärung zu .sehnen; z. B., cinnesteln (iutibulare),<lb/> Einkäufe (l-eäiws), cinkrapfcn (iulldulare), einlullen (ouLulIo invöLtirs) und in vielen<lb/> andern Fällen, wo die Bedeutung für einen ehrlichen Sohn des neunzehnten Jahrh,<lb/> noch schwerer zu errathen ist. Die lateinische Erklärung allein ist uns Laien nicht<lb/> ausreichend. Das Wörterbuch soll nicht nur solchen dienen, welche Latein ver¬<lb/> stehen und ein großes lateinisches Wörterbuch zum Nachschlagen bei der Hand haben;<lb/> denn vielleicht der größte Theil derer, welche das Werk durch ihre Theilnahme tra¬<lb/> gen und möglich machen, ist des Lateinischen entweder gar nicht oder doch nicht so<lb/> mächtig, daß sie den ganzen erhaltenen Wörtervorrath dieser todten Sprache, oft<lb/> entlegene und selten vorkommende Wörter zur Hand haben. Jacob Grimm h^<lb/> sich über das Mißliche der deutschen Wörtcrcrklärungcn und Paraphrasen bereits aus¬<lb/> gesprochen, und niemand wird leugnen, daß solche Umschreibungen in einzelnen<lb/> Fällen fast unmöglich sind. Man erkläre z. B. die Wörter: Tisch, Stuhl, Vernunft,<lb/> durch kurze lcxikographischc Umschreibungen. Aber wie unhold und undankbar in<lb/> vielen Fallen diese Arbeit auch scheine, sie wird doch dem Leser und Benutzer des<lb/> Wörterbuchs durchaus angenehm sein, und ihre fortlaufende Einführung ist, wenn<lb/> wir die Stimmen des Publicums recht vernehmen, ein lebhafter Wunsch aller treuen<lb/> und dankbaren Abonnenten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Hering<lb/> in Leipzig.<lb/> Druck von C, E, Elbert in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
Lieferung Gelegenheit, auf jeder Seite die Gelehrsamkeit des Herausgebers und den
Reichthum der verzeichneten Wörter zu bewundern, doch noch immer thut es noth,
bei diesem größten und vollständigsten lexikographischen Werke, die wir bis setzt in
irgend einer Sprache besitzen, daran zu erinnern, daß absolute Vollständigkeit in
einem Verzeichniß der deutschen Wörter ebenso wenig zu erreichen ist, wie das Zählen
der Blätter eines Waldes, daß es auch bei verzeichneten Wörtern oft nicht möglich
bleibt, alle Nuancen der Bedeutung aus vergangener Zeit und der Gegenwart zu
fixiren. Zahlreiche Nebenbedeutungen wohlbekannter Wörter haben sich nie in der
Schriftsprache niedergeschlagen, viele liegen noch in alten Drucken verborgen; denn
wie groß die Masse der für das Lexikon gelesenen und ausgezogenen Bücher ist, so
war es doch unthunlich, auch nur den größern Theil der kleineren Druckwerke ver¬
gangener Zeit, der zahllosen Flugschriften :c. zu benutzen, in denen oft volkstüm¬
liche Wendungen und Ausdrücke von großer Originalität erscheinen. Nun ist die
Eigenthümlichkeit jeder Arbeit, daß der einzelne Leser, und sei seine Sprache noch
so arm, im Stande ist, aus dem eigenen Leben einzelne Zusätze und Berichtigungen
zu liefern, und jeder mag hier und da ihm Wohlbekanntes vermissen. Und wenn
der Umfang des Wörterbuchs dreifach so groß wäre, dieselbe Erscheinung würde
unvermeidlich sein, so lange die deutsche Sprache als ein lebender Organismus durch
mehr als vierzig Millionen Seelen dcchinflutct. Wenn aber wir, treue Verehrer des
großen Gelehrten, welcher seine Kraft wieder dem Wörterbuch gewidmet hat, einen,
bescheidenen und dringenden Wunsch aussprechen sollen, so ist es der, daß sein Wissen
nicht verschmähe, den Wörtern regelmäßig nicht nur das 'entsprechende lateinische
Wort, sondern auch eine sinnerklürende deutsche Umschreibung, oder eine Synonyme
hinzuzufügen. Das Publicum wird schon jetzt dankbar dafür sein, daß dies viel
öfter geschieht, als in den ersten Lieferungen, aber noch hat man Ursache, bei ein¬
zelnen Wörtern sich nach der Erklärung zu .sehnen; z. B., cinnesteln (iutibulare),
Einkäufe (l-eäiws), cinkrapfcn (iulldulare), einlullen (ouLulIo invöLtirs) und in vielen
andern Fällen, wo die Bedeutung für einen ehrlichen Sohn des neunzehnten Jahrh,
noch schwerer zu errathen ist. Die lateinische Erklärung allein ist uns Laien nicht
ausreichend. Das Wörterbuch soll nicht nur solchen dienen, welche Latein ver¬
stehen und ein großes lateinisches Wörterbuch zum Nachschlagen bei der Hand haben;
denn vielleicht der größte Theil derer, welche das Werk durch ihre Theilnahme tra¬
gen und möglich machen, ist des Lateinischen entweder gar nicht oder doch nicht so
mächtig, daß sie den ganzen erhaltenen Wörtervorrath dieser todten Sprache, oft
entlegene und selten vorkommende Wörter zur Hand haben. Jacob Grimm h^
sich über das Mißliche der deutschen Wörtcrcrklärungcn und Paraphrasen bereits aus¬
gesprochen, und niemand wird leugnen, daß solche Umschreibungen in einzelnen
Fällen fast unmöglich sind. Man erkläre z. B. die Wörter: Tisch, Stuhl, Vernunft,
durch kurze lcxikographischc Umschreibungen. Aber wie unhold und undankbar in
vielen Fallen diese Arbeit auch scheine, sie wird doch dem Leser und Benutzer des
Wörterbuchs durchaus angenehm sein, und ihre fortlaufende Einführung ist, wenn
wir die Stimmen des Publicums recht vernehmen, ein lebhafter Wunsch aller treuen
und dankbaren Abonnenten.
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