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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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selhststündig, gegen den Westen im Verein mit Oestreich und den Niederlanden
durchführte. Der Staat des großen Kurfürsten war winzig von Umfang,
seine Entwürfe reichten beinah weiter als die unserer heutigen Monarchie.
Das Welfenthum fand nun in den Hohenzollern seinen Ausdruck, und der
deutsche Dualismus, d. h. die Trennung Deutschlands in die Machtgebiete
zweier Militärstaaten, war bereits hinlänglich angebahnt, als Friedrich der
Große ihn ins Wer? zu setze" unternahm. Nach dem Hubertsburger Frieden
und vollends nach der ersten Theilung Polens konnte kein Zweifel mehr dar¬
über obwalten.

Gleichzeitig mit der preußischen Monarchie war aber auf den Trümmern
Deutschlands die östreichische Großmacht begründet, und Maria Theresia und
Joseph der Zweite haben in dieser Beziehung ebenso viel Anspruch auf die
Dankbarkeit Deutschlands als Friedrich der Große;, denn die östreichische Mon¬
archie als Erbin der alten ungarischen Krone, aber mit der vollen Macht eines
Kriegerstaates und wenigstens annäherungsweise mit deutscher Nildung aus¬
gestattet, ist ebenso eine deutsche als eine europäische Nothwendigkeit.

Daß Oestreich und Preuße" die natürlichen Erben Deutschlands seien, war
damals, wo man von Nationalität noch keinen Begriff hatte, die allgemeine
stillschweigende Voraussetzung, nur war jeder der Heiden Staaten bemüht,
dem Nebenbuhler so wenig Gewinn als möglich zukommen zu lassen. Der
Dualismus war vorhanden, aber weil er nicht constituirt war, so führte er
zu kleinlichen Eifersüchteleien, welche die Herrschaft Deutschlands den Fran¬
zosen und deu Russen in die Hände spielten.

Schon im Frieden zu Lüneville wurde Deutschland factisch wie ein geo¬
graphischer Begriff behandelt. Die östreichische Monarchie gewann trotz ein¬
zelner Einbußen unendlich durch ihre Abrundung. und auch der Verlust von Bel¬
gien und Vorderöstreich konnte, weil er die Zerspnltung der Thätigkeit hinderte,
als ein Fortschritt betrachtet werden. Den glänzendsten Gewinn trug sie in
den wiener Vertrügen davon; eine stattliche, eng zusammenhängende, gut be¬
grenzte Masse, überall der Erweiterung fähig, aber freilich auch nach allen
Seiten hin einer bedenklichen Rivalität ausgesetzt. Trotz der heiligen Allianz
war Nußland doch wegen der türkischen, zum Theil auch wegen der polnischen
Erbschaft ihr natürlicher Widersacher; in Italien, wo sie zu Gunsten ihrer
Secundogenituren und des verbündeten Papstthums jede sreie Bewegung nieder¬
halten mußte, hatte sie früher oder später Frankreich als Gegner zu erwarten:
endlich in Deutschland, von dem sie alles verlangte, ohne ihm etwas zu geben,
hatte sie sich in Preußen, das seine ganz zersplitterte geographische Lage drin¬
gend auf Erweiterungen anwies, für die Zeiten der Gefahr einen sehr
zweifelhaften Verbündeten bereitet. Daß eine russisch-französisch-preußische
Allianz gegen Oestreich, durch die scheinbaren Interessen aller drei Staaten


selhststündig, gegen den Westen im Verein mit Oestreich und den Niederlanden
durchführte. Der Staat des großen Kurfürsten war winzig von Umfang,
seine Entwürfe reichten beinah weiter als die unserer heutigen Monarchie.
Das Welfenthum fand nun in den Hohenzollern seinen Ausdruck, und der
deutsche Dualismus, d. h. die Trennung Deutschlands in die Machtgebiete
zweier Militärstaaten, war bereits hinlänglich angebahnt, als Friedrich der
Große ihn ins Wer? zu setze» unternahm. Nach dem Hubertsburger Frieden
und vollends nach der ersten Theilung Polens konnte kein Zweifel mehr dar¬
über obwalten.

Gleichzeitig mit der preußischen Monarchie war aber auf den Trümmern
Deutschlands die östreichische Großmacht begründet, und Maria Theresia und
Joseph der Zweite haben in dieser Beziehung ebenso viel Anspruch auf die
Dankbarkeit Deutschlands als Friedrich der Große;, denn die östreichische Mon¬
archie als Erbin der alten ungarischen Krone, aber mit der vollen Macht eines
Kriegerstaates und wenigstens annäherungsweise mit deutscher Nildung aus¬
gestattet, ist ebenso eine deutsche als eine europäische Nothwendigkeit.

Daß Oestreich und Preuße» die natürlichen Erben Deutschlands seien, war
damals, wo man von Nationalität noch keinen Begriff hatte, die allgemeine
stillschweigende Voraussetzung, nur war jeder der Heiden Staaten bemüht,
dem Nebenbuhler so wenig Gewinn als möglich zukommen zu lassen. Der
Dualismus war vorhanden, aber weil er nicht constituirt war, so führte er
zu kleinlichen Eifersüchteleien, welche die Herrschaft Deutschlands den Fran¬
zosen und deu Russen in die Hände spielten.

Schon im Frieden zu Lüneville wurde Deutschland factisch wie ein geo¬
graphischer Begriff behandelt. Die östreichische Monarchie gewann trotz ein¬
zelner Einbußen unendlich durch ihre Abrundung. und auch der Verlust von Bel¬
gien und Vorderöstreich konnte, weil er die Zerspnltung der Thätigkeit hinderte,
als ein Fortschritt betrachtet werden. Den glänzendsten Gewinn trug sie in
den wiener Vertrügen davon; eine stattliche, eng zusammenhängende, gut be¬
grenzte Masse, überall der Erweiterung fähig, aber freilich auch nach allen
Seiten hin einer bedenklichen Rivalität ausgesetzt. Trotz der heiligen Allianz
war Nußland doch wegen der türkischen, zum Theil auch wegen der polnischen
Erbschaft ihr natürlicher Widersacher; in Italien, wo sie zu Gunsten ihrer
Secundogenituren und des verbündeten Papstthums jede sreie Bewegung nieder¬
halten mußte, hatte sie früher oder später Frankreich als Gegner zu erwarten:
endlich in Deutschland, von dem sie alles verlangte, ohne ihm etwas zu geben,
hatte sie sich in Preußen, das seine ganz zersplitterte geographische Lage drin¬
gend auf Erweiterungen anwies, für die Zeiten der Gefahr einen sehr
zweifelhaften Verbündeten bereitet. Daß eine russisch-französisch-preußische
Allianz gegen Oestreich, durch die scheinbaren Interessen aller drei Staaten


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[0316] selhststündig, gegen den Westen im Verein mit Oestreich und den Niederlanden durchführte. Der Staat des großen Kurfürsten war winzig von Umfang, seine Entwürfe reichten beinah weiter als die unserer heutigen Monarchie. Das Welfenthum fand nun in den Hohenzollern seinen Ausdruck, und der deutsche Dualismus, d. h. die Trennung Deutschlands in die Machtgebiete zweier Militärstaaten, war bereits hinlänglich angebahnt, als Friedrich der Große ihn ins Wer? zu setze» unternahm. Nach dem Hubertsburger Frieden und vollends nach der ersten Theilung Polens konnte kein Zweifel mehr dar¬ über obwalten. Gleichzeitig mit der preußischen Monarchie war aber auf den Trümmern Deutschlands die östreichische Großmacht begründet, und Maria Theresia und Joseph der Zweite haben in dieser Beziehung ebenso viel Anspruch auf die Dankbarkeit Deutschlands als Friedrich der Große;, denn die östreichische Mon¬ archie als Erbin der alten ungarischen Krone, aber mit der vollen Macht eines Kriegerstaates und wenigstens annäherungsweise mit deutscher Nildung aus¬ gestattet, ist ebenso eine deutsche als eine europäische Nothwendigkeit. Daß Oestreich und Preuße» die natürlichen Erben Deutschlands seien, war damals, wo man von Nationalität noch keinen Begriff hatte, die allgemeine stillschweigende Voraussetzung, nur war jeder der Heiden Staaten bemüht, dem Nebenbuhler so wenig Gewinn als möglich zukommen zu lassen. Der Dualismus war vorhanden, aber weil er nicht constituirt war, so führte er zu kleinlichen Eifersüchteleien, welche die Herrschaft Deutschlands den Fran¬ zosen und deu Russen in die Hände spielten. Schon im Frieden zu Lüneville wurde Deutschland factisch wie ein geo¬ graphischer Begriff behandelt. Die östreichische Monarchie gewann trotz ein¬ zelner Einbußen unendlich durch ihre Abrundung. und auch der Verlust von Bel¬ gien und Vorderöstreich konnte, weil er die Zerspnltung der Thätigkeit hinderte, als ein Fortschritt betrachtet werden. Den glänzendsten Gewinn trug sie in den wiener Vertrügen davon; eine stattliche, eng zusammenhängende, gut be¬ grenzte Masse, überall der Erweiterung fähig, aber freilich auch nach allen Seiten hin einer bedenklichen Rivalität ausgesetzt. Trotz der heiligen Allianz war Nußland doch wegen der türkischen, zum Theil auch wegen der polnischen Erbschaft ihr natürlicher Widersacher; in Italien, wo sie zu Gunsten ihrer Secundogenituren und des verbündeten Papstthums jede sreie Bewegung nieder¬ halten mußte, hatte sie früher oder später Frankreich als Gegner zu erwarten: endlich in Deutschland, von dem sie alles verlangte, ohne ihm etwas zu geben, hatte sie sich in Preußen, das seine ganz zersplitterte geographische Lage drin¬ gend auf Erweiterungen anwies, für die Zeiten der Gefahr einen sehr zweifelhaften Verbündeten bereitet. Daß eine russisch-französisch-preußische Allianz gegen Oestreich, durch die scheinbaren Interessen aller drei Staaten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/316>, abgerufen am 23.12.2024.