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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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nischer Historiker ins Italienische übertragen werde; sonstige Unterrichtsgegen-
stände gäbe es nicht. Obwol mir dies kaum glaublich schien, bestätigte es
doch der junge Mailänder wiederholt auf mein inquisitorisches Fragen. Sein
Wissensdurst mochte wol auch mit dem, was ihm geboten wurde, gestillt sein,
wenigstens erklärte er sich mit seinem Aufenthalt im Kloster sehr zufrieden,
und hing namentlich am Padre Prcsidcnte mit großer Verehrung. So viel
ich wahrnehmen konnte, war dessen Benehmen gegen seine Untergebenen aber
auch ein äußerst liebevolles, und ich selber muß bekennen, daß ich den Padre
bei der kurzen Zeit meines Aufenthaltes wahrhaft hochachten lernte. Er er¬
zählte vjel von den Ergebnissen seiner Reise. Ein Wunder, meinte er, sei es,
daß in England überhaupt der Katholicismus sich noch halte; denn wenn
auch nicht dankbar genug anerkannt werden könne, daß die Toleranz der eng¬
lischen Negierung so groß sei, als sie eben bei einer andersgläubigen Negie¬
rung sein könne, so spreche sich doch im Volke gegen die Päpstlichen, welche
innrer in der Minderheit bleiben würden, ein entschiedener Haß ans. Sehr
habe es ihn erfreut, mit welcher Anhänglichkeit und Treue ihm als Stellver¬
treter des heiligen Vaters die Katholiken entgegengekommen wären, sehr aber
auch ihn gekränkt, wie ihn bei einem Spazicrgnng mit einem andern katho¬
lischen Geistlichen in den Straßen Londons der Pöbel insultirt, und mit Koth
beworfen habe, bis ihn ein Pvliceman befreite. Aber die Veranlassung zu
solchen Excessen läge der Hauptsache nach an den dortigen schlechten katho¬
lischen Priestern, die meist aus dem Abschaum des französischen und italieni¬
schen Klerus sich bildeten, weil nur dieser Abschaum Lust bezeige, in einem
Lande zu wirken, wo er von Feinden stets umgeben und seine Religion nur
eine tolerirte sei. Trotz dieser Verhältnisse hätten die Katholiken es gewagt/
bei seiner Ankunft wie bei seiner Abreise, damit er sie segne, bis zum Bord
des Dampfschiffes sich heranzudrängen; im letzten Moment sei noch eine hohe
Dame gekommen und hätte ihm eine Banknote von tausend Pfund ein¬
gehändigt, mit der Bitte, für sie eine Messe zu lesen; er habe den Betrag
alsbald der Missionskasse in London übersendet. Bei der ganzen Unterhaltung
fiel kein hartes Wort gegen Protestanten, und ich glaube kaum, daß der Padre
Presidcnte wußte, ich sei Protestant, daß er also etwa deshalb zurückhielt;
mehr leuchtete hier und da eine gewisse Antipathie gegen die Jesuiten durch;
es wurde erzählt, daß kürzlich einem Engländer seine einzige Tochter entführt
sei, die sich dann in einem französischen Nonnenkloster wiedergefunden habe,
und dabei angedeutet, daß man wol nicht mit Unrecht den Jesuiten Schuld
gebe, die Hände im Spiel gehabt zu haben. Ferner ließ der Padre merken,
er habe den Druck der Geschichte von S. Scolastica in Genua besorgen
lassen, um der'römischen Censur zu entgehen, die vielleicht in ihrer Strenge
diesen und jenen Makel hätte entdecken können. Auch auf München kam die


nischer Historiker ins Italienische übertragen werde; sonstige Unterrichtsgegen-
stände gäbe es nicht. Obwol mir dies kaum glaublich schien, bestätigte es
doch der junge Mailänder wiederholt auf mein inquisitorisches Fragen. Sein
Wissensdurst mochte wol auch mit dem, was ihm geboten wurde, gestillt sein,
wenigstens erklärte er sich mit seinem Aufenthalt im Kloster sehr zufrieden,
und hing namentlich am Padre Prcsidcnte mit großer Verehrung. So viel
ich wahrnehmen konnte, war dessen Benehmen gegen seine Untergebenen aber
auch ein äußerst liebevolles, und ich selber muß bekennen, daß ich den Padre
bei der kurzen Zeit meines Aufenthaltes wahrhaft hochachten lernte. Er er¬
zählte vjel von den Ergebnissen seiner Reise. Ein Wunder, meinte er, sei es,
daß in England überhaupt der Katholicismus sich noch halte; denn wenn
auch nicht dankbar genug anerkannt werden könne, daß die Toleranz der eng¬
lischen Negierung so groß sei, als sie eben bei einer andersgläubigen Negie¬
rung sein könne, so spreche sich doch im Volke gegen die Päpstlichen, welche
innrer in der Minderheit bleiben würden, ein entschiedener Haß ans. Sehr
habe es ihn erfreut, mit welcher Anhänglichkeit und Treue ihm als Stellver¬
treter des heiligen Vaters die Katholiken entgegengekommen wären, sehr aber
auch ihn gekränkt, wie ihn bei einem Spazicrgnng mit einem andern katho¬
lischen Geistlichen in den Straßen Londons der Pöbel insultirt, und mit Koth
beworfen habe, bis ihn ein Pvliceman befreite. Aber die Veranlassung zu
solchen Excessen läge der Hauptsache nach an den dortigen schlechten katho¬
lischen Priestern, die meist aus dem Abschaum des französischen und italieni¬
schen Klerus sich bildeten, weil nur dieser Abschaum Lust bezeige, in einem
Lande zu wirken, wo er von Feinden stets umgeben und seine Religion nur
eine tolerirte sei. Trotz dieser Verhältnisse hätten die Katholiken es gewagt/
bei seiner Ankunft wie bei seiner Abreise, damit er sie segne, bis zum Bord
des Dampfschiffes sich heranzudrängen; im letzten Moment sei noch eine hohe
Dame gekommen und hätte ihm eine Banknote von tausend Pfund ein¬
gehändigt, mit der Bitte, für sie eine Messe zu lesen; er habe den Betrag
alsbald der Missionskasse in London übersendet. Bei der ganzen Unterhaltung
fiel kein hartes Wort gegen Protestanten, und ich glaube kaum, daß der Padre
Presidcnte wußte, ich sei Protestant, daß er also etwa deshalb zurückhielt;
mehr leuchtete hier und da eine gewisse Antipathie gegen die Jesuiten durch;
es wurde erzählt, daß kürzlich einem Engländer seine einzige Tochter entführt
sei, die sich dann in einem französischen Nonnenkloster wiedergefunden habe,
und dabei angedeutet, daß man wol nicht mit Unrecht den Jesuiten Schuld
gebe, die Hände im Spiel gehabt zu haben. Ferner ließ der Padre merken,
er habe den Druck der Geschichte von S. Scolastica in Genua besorgen
lassen, um der'römischen Censur zu entgehen, die vielleicht in ihrer Strenge
diesen und jenen Makel hätte entdecken können. Auch auf München kam die


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[0304] nischer Historiker ins Italienische übertragen werde; sonstige Unterrichtsgegen- stände gäbe es nicht. Obwol mir dies kaum glaublich schien, bestätigte es doch der junge Mailänder wiederholt auf mein inquisitorisches Fragen. Sein Wissensdurst mochte wol auch mit dem, was ihm geboten wurde, gestillt sein, wenigstens erklärte er sich mit seinem Aufenthalt im Kloster sehr zufrieden, und hing namentlich am Padre Prcsidcnte mit großer Verehrung. So viel ich wahrnehmen konnte, war dessen Benehmen gegen seine Untergebenen aber auch ein äußerst liebevolles, und ich selber muß bekennen, daß ich den Padre bei der kurzen Zeit meines Aufenthaltes wahrhaft hochachten lernte. Er er¬ zählte vjel von den Ergebnissen seiner Reise. Ein Wunder, meinte er, sei es, daß in England überhaupt der Katholicismus sich noch halte; denn wenn auch nicht dankbar genug anerkannt werden könne, daß die Toleranz der eng¬ lischen Negierung so groß sei, als sie eben bei einer andersgläubigen Negie¬ rung sein könne, so spreche sich doch im Volke gegen die Päpstlichen, welche innrer in der Minderheit bleiben würden, ein entschiedener Haß ans. Sehr habe es ihn erfreut, mit welcher Anhänglichkeit und Treue ihm als Stellver¬ treter des heiligen Vaters die Katholiken entgegengekommen wären, sehr aber auch ihn gekränkt, wie ihn bei einem Spazicrgnng mit einem andern katho¬ lischen Geistlichen in den Straßen Londons der Pöbel insultirt, und mit Koth beworfen habe, bis ihn ein Pvliceman befreite. Aber die Veranlassung zu solchen Excessen läge der Hauptsache nach an den dortigen schlechten katho¬ lischen Priestern, die meist aus dem Abschaum des französischen und italieni¬ schen Klerus sich bildeten, weil nur dieser Abschaum Lust bezeige, in einem Lande zu wirken, wo er von Feinden stets umgeben und seine Religion nur eine tolerirte sei. Trotz dieser Verhältnisse hätten die Katholiken es gewagt/ bei seiner Ankunft wie bei seiner Abreise, damit er sie segne, bis zum Bord des Dampfschiffes sich heranzudrängen; im letzten Moment sei noch eine hohe Dame gekommen und hätte ihm eine Banknote von tausend Pfund ein¬ gehändigt, mit der Bitte, für sie eine Messe zu lesen; er habe den Betrag alsbald der Missionskasse in London übersendet. Bei der ganzen Unterhaltung fiel kein hartes Wort gegen Protestanten, und ich glaube kaum, daß der Padre Presidcnte wußte, ich sei Protestant, daß er also etwa deshalb zurückhielt; mehr leuchtete hier und da eine gewisse Antipathie gegen die Jesuiten durch; es wurde erzählt, daß kürzlich einem Engländer seine einzige Tochter entführt sei, die sich dann in einem französischen Nonnenkloster wiedergefunden habe, und dabei angedeutet, daß man wol nicht mit Unrecht den Jesuiten Schuld gebe, die Hände im Spiel gehabt zu haben. Ferner ließ der Padre merken, er habe den Druck der Geschichte von S. Scolastica in Genua besorgen lassen, um der'römischen Censur zu entgehen, die vielleicht in ihrer Strenge diesen und jenen Makel hätte entdecken können. Auch auf München kam die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/304>, abgerufen am 23.12.2024.