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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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durch aus, daß es an und-zwischen die Felsen gebaut ist. in denen einst Be-
nedict lebte. An ihn erinnern vielfach auf die Mauer geschriebene Sprüche,
und die Mönche sind voll des Ruhms, ihren Aufenthalt an so heiliger Stätte
zu haben; sie erzählen von den sechshundert Brüdern, welche Benedict bei
seinem Abzüge nach Montccassino um sich versammelt hatte, und von den
zwölf Klöstern, in welche er dieselben vertheilte. Jetzt faßt Sacro Speco,
alles in allem, achtunddreißig Personen; der Padre Prcsidcnte hat hier
sein Nachtquartier; Morgens steigt er herunter nach S. Scolastica und Abends
herauf. Für die Fremden ist regelmäßig oben kein Aufenthalt, doch existiren
zwei Zimmer für deren Aufnahme; in dem einen wird ein Bett gezeigt, das
vier Päpste beherbergte. In das Kloster selbst, wo siltiutium xerMurmi
herrscht, erhält niemand Einlaß mit Ausnahme des heiligen Vaters. Den
Führer durch die übrigen Räumlichkeiten gab der Novizenmeister ab, welchen
ich in Gesellschaft von meinen beiden Reisegefährten in der Kirche traf. Diese
macht einen wundersam ergreifenden Eindruck durch das magische Licht in
ihrem Innern; der matte Tagesschein mischt sich mit dem matten Schimmer
von Lampen. Das Schiff ist klein und ungetheilt, es wird überwölbt von
einer Krcuzbvgendccke, deren vorderer Theil mit Fresken aus der heiligen
Geschichte, angeblich von Giotto, bemalt ist; zum Altar im Chor steigt man
einige Stufen herab; hier lagen Männer und Frauen aus dem Lnndvolte
auf den Knien, die Hostie erwartend, welche der Priester vor ihnen weihete.
Den Abschluß des Chores bildet eine gerade in die Höhe ragende Felswand,
und die Kapellen zur Seite der Kirche sind wie unterirdische Grotten in die
Felsen gehauen; in einzelne fällt das Sonnenlicht von oben durch eine Spalte,
andere sind ganz dunkel und müssen mit Kerzen erleuchtet werden. Die Be¬
nutzung des Berges und seiner Steinmassen in ihrer natürlichen Form zu
Wänden gibt dem ganzen Bau der Kirche etwas Irreguläres, aber zugleich
etwas Wunderbares und Ueberraschendes. Am Schiffe links vom Eintretenden
ist eine Kapelle mit einem großen Bilde Giottos, die Versuchung Benedicts
durch eine Schar von Teufeln darstellend, welche ihm das Brod rauben
wollen, das der heilige Romano ihm in einem Körbchen von der Höhe des
Felsen herabläßt, als er unterhalb desselben im Schutze einer Engelschar
betet. Im rechten Querschiff sind nebeneinander zwei Kapellen, die eine
enthält Fresken von Giotino: der Tod Scolasticas und gegenüber der des
Placidus, die andern zwei Oelgemälde in Goldgrund von Overbeck, Placidus
und Naurus, die Schüler Benedicts. zwei jugendliche schwarze Benedictiner
nut Krummstäben, beide Kniestück. Der Name des Malers mußte mir mehr¬
fach wiederholt werden, ehe ich verstand, daß es Overbeck sein sollte Ich
führe dies an zum Beweise, daß selbst die bekanntesten Worte der eignen
Muttersprache im Munde des Jtalieners einen so ungewohnten Klang an-
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durch aus, daß es an und-zwischen die Felsen gebaut ist. in denen einst Be-
nedict lebte. An ihn erinnern vielfach auf die Mauer geschriebene Sprüche,
und die Mönche sind voll des Ruhms, ihren Aufenthalt an so heiliger Stätte
zu haben; sie erzählen von den sechshundert Brüdern, welche Benedict bei
seinem Abzüge nach Montccassino um sich versammelt hatte, und von den
zwölf Klöstern, in welche er dieselben vertheilte. Jetzt faßt Sacro Speco,
alles in allem, achtunddreißig Personen; der Padre Prcsidcnte hat hier
sein Nachtquartier; Morgens steigt er herunter nach S. Scolastica und Abends
herauf. Für die Fremden ist regelmäßig oben kein Aufenthalt, doch existiren
zwei Zimmer für deren Aufnahme; in dem einen wird ein Bett gezeigt, das
vier Päpste beherbergte. In das Kloster selbst, wo siltiutium xerMurmi
herrscht, erhält niemand Einlaß mit Ausnahme des heiligen Vaters. Den
Führer durch die übrigen Räumlichkeiten gab der Novizenmeister ab, welchen
ich in Gesellschaft von meinen beiden Reisegefährten in der Kirche traf. Diese
macht einen wundersam ergreifenden Eindruck durch das magische Licht in
ihrem Innern; der matte Tagesschein mischt sich mit dem matten Schimmer
von Lampen. Das Schiff ist klein und ungetheilt, es wird überwölbt von
einer Krcuzbvgendccke, deren vorderer Theil mit Fresken aus der heiligen
Geschichte, angeblich von Giotto, bemalt ist; zum Altar im Chor steigt man
einige Stufen herab; hier lagen Männer und Frauen aus dem Lnndvolte
auf den Knien, die Hostie erwartend, welche der Priester vor ihnen weihete.
Den Abschluß des Chores bildet eine gerade in die Höhe ragende Felswand,
und die Kapellen zur Seite der Kirche sind wie unterirdische Grotten in die
Felsen gehauen; in einzelne fällt das Sonnenlicht von oben durch eine Spalte,
andere sind ganz dunkel und müssen mit Kerzen erleuchtet werden. Die Be¬
nutzung des Berges und seiner Steinmassen in ihrer natürlichen Form zu
Wänden gibt dem ganzen Bau der Kirche etwas Irreguläres, aber zugleich
etwas Wunderbares und Ueberraschendes. Am Schiffe links vom Eintretenden
ist eine Kapelle mit einem großen Bilde Giottos, die Versuchung Benedicts
durch eine Schar von Teufeln darstellend, welche ihm das Brod rauben
wollen, das der heilige Romano ihm in einem Körbchen von der Höhe des
Felsen herabläßt, als er unterhalb desselben im Schutze einer Engelschar
betet. Im rechten Querschiff sind nebeneinander zwei Kapellen, die eine
enthält Fresken von Giotino: der Tod Scolasticas und gegenüber der des
Placidus, die andern zwei Oelgemälde in Goldgrund von Overbeck, Placidus
und Naurus, die Schüler Benedicts. zwei jugendliche schwarze Benedictiner
nut Krummstäben, beide Kniestück. Der Name des Malers mußte mir mehr¬
fach wiederholt werden, ehe ich verstand, daß es Overbeck sein sollte Ich
führe dies an zum Beweise, daß selbst die bekanntesten Worte der eignen
Muttersprache im Munde des Jtalieners einen so ungewohnten Klang an-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/301>, abgerufen am 23.12.2024.