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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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gaben den in den vorigen Tagen von uns benutzten, nun abgedankter Eseln
nichts nach; unsere Reise ging im ruhigsten fortwährenden Schritt vor sich,
auf Secunden konnte ich wol mein Thier zu einem kurzen Trotte anspornen,
alsbald aber trat der alte Schneckengang wieder ein, was auch dem Führer
das Liebste sein mußte; denn, vor dem Pferde hergehend, bezeigte er eben
keine Lust, zum Schnellläufer zu werden.

Höhen und Thäler gab es jetzt nicht mehr zu Passiren; die Straße hielt
sich ziemlich in demselben Niveau; aber die Gebirge ringsum waren nirgend
großartiger als hier; immer höher und höher starrten die Massen mit ihren
zackigen Firsten in die Bläue des Himmels hinein. Nie werde ich den Blick
auf die Städtchen Asne und Civitella, so wie auf die im Hintergrund erschei¬
nende Höhcnkette vergessen, als hinter ihr die glühende Sonnenscheibe ver¬
schwand. Bei jeder Biegung des Weges überraschte eine neue Aussicht, und
so riesig waren die Berge, daß mir, während ich zu ihren Gipfeln hinaufsah,
meine Reisedecke verloren gehen konnte, die ich vor mir auf dem Sattel trug.
Erst nach geraumer Zeit merkte ich den mir sehr unangenehmen Verlust;
einer der Führer lief auch willig ein beträchtliches Stück des Weges rückwärts,
natürlich aber ohne Erfolg; den gesenkten Kopf bedauerlich schüttelnd kehrte
er zurück, in seinen Mienen, sprach sich eine gewisse Furcht aus, als würde ich
ihn der Unvorsichtigkeit zeihen, obwol eine solche mir doch allein zur Last fiel.
Er schien auf eine Anzahl Scheltworte gefaßt, glaubte vielleicht sogar an das
Empfindlichste, was dem Italiener der niedern Classe begegnen kann, -- an
eine Entziehung oder Kürzung des Trinkgeldes, die ich meines Theils für so
wenig gerechtfertigt hielt, daß ich vielmehr den Rector bat, bei der Bezahlung
der Pferde eine Kleinigkeit dem Führer für seinen unfreiwilligen Rückweg
zuzulegen. Zu meinem Trost meinte der Abb6, wer die Decke gefunden habe,
werde mich segnen, wenn sie ihn im Winter wärme, und das werde mich für
die Zukunft glücklicher machen, als ihr Besitz mich je hätte machen können.
Mittlerweile hatten wir Civitella berührt, und drei Miglien weiter sahen wir
zuerst Subjaco: zwischen Bergen und auf einem solchen liegend erhebt es sich
wie ein nicht allzuspitzer Kegel von grauen, verwitterten Häusern mit matt-
wthen, fast bräunlichen Dächern, über denen als höchster Punkt die Kirche thront.

Im ganzen Thal des Teverone ist keine Stelle, die allgewaltiger zum
Menschenherz spräche, als die, an welcher oberhalb dem heutigen Subjaco der
Fluß von den simbruinischen Bergen in die äquicolischen ausläuft. Die^ letztern
geben seinem Bett mehr Raum, so daß dasselbe in frühern Zeiten zu einM
See sich ausbreiten konnte, unterhalb dessen das dem Plinius und Tacitus
schon bekannte Sublacum. das heutige Subjaco lag. Der simbruinische
Höhenzug preßt den Bergstrom, ehe er ihn freigibt, zu wüthendem Schäumen
zusammen; an beiden Seiten steigen die Berge steil und massenhaft in die


gaben den in den vorigen Tagen von uns benutzten, nun abgedankter Eseln
nichts nach; unsere Reise ging im ruhigsten fortwährenden Schritt vor sich,
auf Secunden konnte ich wol mein Thier zu einem kurzen Trotte anspornen,
alsbald aber trat der alte Schneckengang wieder ein, was auch dem Führer
das Liebste sein mußte; denn, vor dem Pferde hergehend, bezeigte er eben
keine Lust, zum Schnellläufer zu werden.

Höhen und Thäler gab es jetzt nicht mehr zu Passiren; die Straße hielt
sich ziemlich in demselben Niveau; aber die Gebirge ringsum waren nirgend
großartiger als hier; immer höher und höher starrten die Massen mit ihren
zackigen Firsten in die Bläue des Himmels hinein. Nie werde ich den Blick
auf die Städtchen Asne und Civitella, so wie auf die im Hintergrund erschei¬
nende Höhcnkette vergessen, als hinter ihr die glühende Sonnenscheibe ver¬
schwand. Bei jeder Biegung des Weges überraschte eine neue Aussicht, und
so riesig waren die Berge, daß mir, während ich zu ihren Gipfeln hinaufsah,
meine Reisedecke verloren gehen konnte, die ich vor mir auf dem Sattel trug.
Erst nach geraumer Zeit merkte ich den mir sehr unangenehmen Verlust;
einer der Führer lief auch willig ein beträchtliches Stück des Weges rückwärts,
natürlich aber ohne Erfolg; den gesenkten Kopf bedauerlich schüttelnd kehrte
er zurück, in seinen Mienen, sprach sich eine gewisse Furcht aus, als würde ich
ihn der Unvorsichtigkeit zeihen, obwol eine solche mir doch allein zur Last fiel.
Er schien auf eine Anzahl Scheltworte gefaßt, glaubte vielleicht sogar an das
Empfindlichste, was dem Italiener der niedern Classe begegnen kann, — an
eine Entziehung oder Kürzung des Trinkgeldes, die ich meines Theils für so
wenig gerechtfertigt hielt, daß ich vielmehr den Rector bat, bei der Bezahlung
der Pferde eine Kleinigkeit dem Führer für seinen unfreiwilligen Rückweg
zuzulegen. Zu meinem Trost meinte der Abb6, wer die Decke gefunden habe,
werde mich segnen, wenn sie ihn im Winter wärme, und das werde mich für
die Zukunft glücklicher machen, als ihr Besitz mich je hätte machen können.
Mittlerweile hatten wir Civitella berührt, und drei Miglien weiter sahen wir
zuerst Subjaco: zwischen Bergen und auf einem solchen liegend erhebt es sich
wie ein nicht allzuspitzer Kegel von grauen, verwitterten Häusern mit matt-
wthen, fast bräunlichen Dächern, über denen als höchster Punkt die Kirche thront.

Im ganzen Thal des Teverone ist keine Stelle, die allgewaltiger zum
Menschenherz spräche, als die, an welcher oberhalb dem heutigen Subjaco der
Fluß von den simbruinischen Bergen in die äquicolischen ausläuft. Die^ letztern
geben seinem Bett mehr Raum, so daß dasselbe in frühern Zeiten zu einM
See sich ausbreiten konnte, unterhalb dessen das dem Plinius und Tacitus
schon bekannte Sublacum. das heutige Subjaco lag. Der simbruinische
Höhenzug preßt den Bergstrom, ehe er ihn freigibt, zu wüthendem Schäumen
zusammen; an beiden Seiten steigen die Berge steil und massenhaft in die


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[0295] gaben den in den vorigen Tagen von uns benutzten, nun abgedankter Eseln nichts nach; unsere Reise ging im ruhigsten fortwährenden Schritt vor sich, auf Secunden konnte ich wol mein Thier zu einem kurzen Trotte anspornen, alsbald aber trat der alte Schneckengang wieder ein, was auch dem Führer das Liebste sein mußte; denn, vor dem Pferde hergehend, bezeigte er eben keine Lust, zum Schnellläufer zu werden. Höhen und Thäler gab es jetzt nicht mehr zu Passiren; die Straße hielt sich ziemlich in demselben Niveau; aber die Gebirge ringsum waren nirgend großartiger als hier; immer höher und höher starrten die Massen mit ihren zackigen Firsten in die Bläue des Himmels hinein. Nie werde ich den Blick auf die Städtchen Asne und Civitella, so wie auf die im Hintergrund erschei¬ nende Höhcnkette vergessen, als hinter ihr die glühende Sonnenscheibe ver¬ schwand. Bei jeder Biegung des Weges überraschte eine neue Aussicht, und so riesig waren die Berge, daß mir, während ich zu ihren Gipfeln hinaufsah, meine Reisedecke verloren gehen konnte, die ich vor mir auf dem Sattel trug. Erst nach geraumer Zeit merkte ich den mir sehr unangenehmen Verlust; einer der Führer lief auch willig ein beträchtliches Stück des Weges rückwärts, natürlich aber ohne Erfolg; den gesenkten Kopf bedauerlich schüttelnd kehrte er zurück, in seinen Mienen, sprach sich eine gewisse Furcht aus, als würde ich ihn der Unvorsichtigkeit zeihen, obwol eine solche mir doch allein zur Last fiel. Er schien auf eine Anzahl Scheltworte gefaßt, glaubte vielleicht sogar an das Empfindlichste, was dem Italiener der niedern Classe begegnen kann, — an eine Entziehung oder Kürzung des Trinkgeldes, die ich meines Theils für so wenig gerechtfertigt hielt, daß ich vielmehr den Rector bat, bei der Bezahlung der Pferde eine Kleinigkeit dem Führer für seinen unfreiwilligen Rückweg zuzulegen. Zu meinem Trost meinte der Abb6, wer die Decke gefunden habe, werde mich segnen, wenn sie ihn im Winter wärme, und das werde mich für die Zukunft glücklicher machen, als ihr Besitz mich je hätte machen können. Mittlerweile hatten wir Civitella berührt, und drei Miglien weiter sahen wir zuerst Subjaco: zwischen Bergen und auf einem solchen liegend erhebt es sich wie ein nicht allzuspitzer Kegel von grauen, verwitterten Häusern mit matt- wthen, fast bräunlichen Dächern, über denen als höchster Punkt die Kirche thront. Im ganzen Thal des Teverone ist keine Stelle, die allgewaltiger zum Menschenherz spräche, als die, an welcher oberhalb dem heutigen Subjaco der Fluß von den simbruinischen Bergen in die äquicolischen ausläuft. Die^ letztern geben seinem Bett mehr Raum, so daß dasselbe in frühern Zeiten zu einM See sich ausbreiten konnte, unterhalb dessen das dem Plinius und Tacitus schon bekannte Sublacum. das heutige Subjaco lag. Der simbruinische Höhenzug preßt den Bergstrom, ehe er ihn freigibt, zu wüthendem Schäumen zusammen; an beiden Seiten steigen die Berge steil und massenhaft in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/295>, abgerufen am 23.12.2024.