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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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sammenhalt gewinnt. Der eine meiner Begleiter, ein Abb6 aus Bordeaux,
hatte von einem geistlichen Haus zum andern außer seinem Heimathland
Frankreich auch Spanien bereist, war dann nach Italien gegangen, und hatte
mehre Monate im Seminario francese zu Rom seinen Studien obgelegen.
Während der Sommerszeit schien es ihm angenehmer, die frische Gebirgsluft
statt der Malaria Roms zu genießen, er stattete deshalb den Benedictinern
Montecasfinos einen mehrmonatlichen Besuch ab, und strebte nun -- im
Herbst -- nach Rom zurück. Da es grade Ferienzeit war, hatte es der
Rector des Seminars zu Montecassino. mein andrer Begleiter, für eine pas¬
sende Gelegenheit gefunden, seinen langgehegten Plan einer Reise in die
Wclthauptstydt auszuführen, um, wie er angab, den Papst, die Peter- und
Paulskirche, namentlich aber die Katakomben zu sehen. Den beiden geist¬
lichen Herren, als deren Haupttugend ich den Heldenmuth nicht grade hervor¬
heben kann, mochte es nun nicht unwillkommen sein, einen Dritten zu ihrem
intendirten Marsch durch das verdächtige Abruzzenland zu finden, -- Doch
ich will meine Gefährten in nichts beschuldigen, vielmehr offen anerkennen,
daß ich ihnen, wenn nicht den interessantesten, doch jedenfalls den originellsten
Theil meiner Reise durch Italien verdanke, und daß sie mir stets liebens¬
würdige Gesellschafter waren.

Die folgenden Blätter sind bestimmt, eine Skizze unseres Weges von
Trisulti bis Rom zu liefern, insbesondere aber unsern Aufenthalt in den
Klöstern Santa Scolastica und San Benedetto bei Subjaco zu
schildern. --

Zu unserm Weitertransport von Trisulti sollte uns der Padre Procura-
tore, der Verwalter des Klosters, statt der Esel, die uns bisher in ermüdender
Langsamkeit weiter befördert hatten, vier Pferde nebst zwei Führern ver¬
schaffen; doch waren deren nur drei und ein Maulthier aufzutreiben. Letz¬
teres wählte sich der Abb" als der Kleinste unter uns; die beiden stärkern
der Pferde bestiegen der Rector und ich, dem schwächern banden wir unser
nicht eben erhebliches Gepäck auf. Morgens sechs Uhr -- es war an einem
Octobertage -- reisten wir von Trisulti ab. Wir mußten nüchtern auf¬
brechen, angeblich weil es so früh noch keinen Kasse gäbe, in Wahrheit aber
wol, wie ich nachher zu muthmaßen Grund fand, weil der Fremdendiener des
Klosters durch unser Trinkgeld nicht in die beste Laune versetzt war; denn ich
erfuhr später, daß unser gemeinsamer Kasseführer, der Rector, ihm für jeden
von uns nicht mehr als einen Carlin (etwa vier Silbergroschen) in die Hand
gedrückt hatte. Um mir das mangelnde Frühstück nach Möglichkeit zu er¬
setzen, zugleich aber um einen lebhaft nusgebrochenen Husten ein wenig zu
beschwichtigen, wußte ich nichts Besseres zu thun, als in der Klosterapothcte
mir eine Quantität Lakritzen zu erstehen, an deren Vertilgung sich bald auch
'


sammenhalt gewinnt. Der eine meiner Begleiter, ein Abb6 aus Bordeaux,
hatte von einem geistlichen Haus zum andern außer seinem Heimathland
Frankreich auch Spanien bereist, war dann nach Italien gegangen, und hatte
mehre Monate im Seminario francese zu Rom seinen Studien obgelegen.
Während der Sommerszeit schien es ihm angenehmer, die frische Gebirgsluft
statt der Malaria Roms zu genießen, er stattete deshalb den Benedictinern
Montecasfinos einen mehrmonatlichen Besuch ab, und strebte nun — im
Herbst — nach Rom zurück. Da es grade Ferienzeit war, hatte es der
Rector des Seminars zu Montecassino. mein andrer Begleiter, für eine pas¬
sende Gelegenheit gefunden, seinen langgehegten Plan einer Reise in die
Wclthauptstydt auszuführen, um, wie er angab, den Papst, die Peter- und
Paulskirche, namentlich aber die Katakomben zu sehen. Den beiden geist¬
lichen Herren, als deren Haupttugend ich den Heldenmuth nicht grade hervor¬
heben kann, mochte es nun nicht unwillkommen sein, einen Dritten zu ihrem
intendirten Marsch durch das verdächtige Abruzzenland zu finden, — Doch
ich will meine Gefährten in nichts beschuldigen, vielmehr offen anerkennen,
daß ich ihnen, wenn nicht den interessantesten, doch jedenfalls den originellsten
Theil meiner Reise durch Italien verdanke, und daß sie mir stets liebens¬
würdige Gesellschafter waren.

Die folgenden Blätter sind bestimmt, eine Skizze unseres Weges von
Trisulti bis Rom zu liefern, insbesondere aber unsern Aufenthalt in den
Klöstern Santa Scolastica und San Benedetto bei Subjaco zu
schildern. —

Zu unserm Weitertransport von Trisulti sollte uns der Padre Procura-
tore, der Verwalter des Klosters, statt der Esel, die uns bisher in ermüdender
Langsamkeit weiter befördert hatten, vier Pferde nebst zwei Führern ver¬
schaffen; doch waren deren nur drei und ein Maulthier aufzutreiben. Letz¬
teres wählte sich der Abb« als der Kleinste unter uns; die beiden stärkern
der Pferde bestiegen der Rector und ich, dem schwächern banden wir unser
nicht eben erhebliches Gepäck auf. Morgens sechs Uhr — es war an einem
Octobertage — reisten wir von Trisulti ab. Wir mußten nüchtern auf¬
brechen, angeblich weil es so früh noch keinen Kasse gäbe, in Wahrheit aber
wol, wie ich nachher zu muthmaßen Grund fand, weil der Fremdendiener des
Klosters durch unser Trinkgeld nicht in die beste Laune versetzt war; denn ich
erfuhr später, daß unser gemeinsamer Kasseführer, der Rector, ihm für jeden
von uns nicht mehr als einen Carlin (etwa vier Silbergroschen) in die Hand
gedrückt hatte. Um mir das mangelnde Frühstück nach Möglichkeit zu er¬
setzen, zugleich aber um einen lebhaft nusgebrochenen Husten ein wenig zu
beschwichtigen, wußte ich nichts Besseres zu thun, als in der Klosterapothcte
mir eine Quantität Lakritzen zu erstehen, an deren Vertilgung sich bald auch
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/292>, abgerufen am 22.12.2024.