Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.mögliche; geht er vorüber, so ist der gegenwärtige Zustand ins Unendliche verlän¬ Wird nun Preußen den gegenwärtigen Augenblick dazu benutzen, mit seinen 1^ Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F.L. Herbiq in Leipzig. Druck vo" C. E. Elbert in Leipzig. mögliche; geht er vorüber, so ist der gegenwärtige Zustand ins Unendliche verlän¬ Wird nun Preußen den gegenwärtigen Augenblick dazu benutzen, mit seinen 1^ Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F.L. Herbiq in Leipzig. Druck vo» C. E. Elbert in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107337"/> <p xml:id="ID_858" prev="#ID_857"> mögliche; geht er vorüber, so ist der gegenwärtige Zustand ins Unendliche verlän¬<lb/> gert. Es kann in diesem Augenblick sämmtlichen Betheiligten, Oestreich, den deut¬<lb/> schen Fürsten und dem deutschen Volke nachgewiesen werden, daß sie bei der bloßen<lb/> Erhaltung des Bestehenden ihre Rechnung nicht finden. Was hat Oestreich im<lb/> Augenblick der Gefahr von seinem Bundesprüsidium für einen Nutzen? Es wäre<lb/> ihm heilsamer gewesen, wenn es statt dessen mit seinen gcscnnmten Staaten in den<lb/> Bund eingetreten wäre und dafür den engeren Bund hätte gewähren lassen. Was<lb/> es von Deutschland braucht, ist Hilfe in der Noth, was es weiter darin sucht,<lb/> wird es nicht finden, es wird sich nur versteckte Feinde machen, wo es seine na«<lb/> türlichen Bundesgenossen hätte. Die deutschen Fürsten verlangen im deutschen Bunde,<lb/> und zwar mit Recht, Sicherung gegen die äußern Feinde, Sicherung gegen innere<lb/> Unruhen; das deutsche Volk verlangt Garantie seiner Rechte: beiden thut also ein<lb/> Bundesgericht Noth, das nach beiden Seiten unabhängig sei. Am schlimmsten ist<lb/> es aber mit der freien Entwicklung unserer Nationalkrast bestellt. So lange wir<lb/> keine Flotte haben, sind wir nicht einmal Dänemark gewachsen, jeder Krieg läßt<lb/> unsere Küsten wehrlos. Preußen allein kann eine Flotte nicht halten, theils weil<lb/> die Mittel ihm dazu fehlen, theils weil es keine Häfen hat. So lange uns Han¬<lb/> nover jeden Augenblick pour Jahdevusen abschneiden kann, ist unsere Flotte nur ein<lb/> theueres Spielzeug. Deutschland kann keine Flotte halten, so lange es keine ge¬<lb/> meinsame Executive hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_859"> Wird nun Preußen den gegenwärtigen Augenblick dazu benutzen, mit seinen<lb/> Vorschlägen an seine Bundesgenossen zu treten? In diesem Fall ist allerdings noch<lb/> ein Schritt nöthig! es muß durch die Sicherheit seiner innern Verhältnisse Deutsch-<lb/> land Vertrauen einflößen. Deutschland, welches, und zwar nicht mit Unrecht, seit<lb/> .zehn Jahren mit Preußen grollte, hat die Wiederherstellung des Rechtszuständig mit<lb/> großer Sympathie begrüßt, aber es ist noch unsicher — und auch darin können wir<lb/> ihm nicht Unrecht geben — ob dieser Zustand' Dauer verspricht. In ruhigen Ver¬<lb/> hältnissen hätte sich alles von selbst entwickelt, die jetzige Krisis fordert energische<lb/> Maßregeln. Die Reaction, aus der Regierung verdrängt, hat ihren Mittelpunkt im<lb/> Herrenhause gefunden und führt gegen das Ministerium einen rücksichtslose Kampf,<lb/> der selbst durch die Noth der letzten Wochen nicht unterbrochen wird. In der Re¬<lb/> gierung besteht ein Dualismus, der jedes kräftige Auftreten Preußens fast ebenso<lb/> unmöglich machte wie die Cabinetskrisis ein kräftiges Auftreten der englischen Ne¬<lb/> gierung. Der Gutgesinnte erweckt Sympathien, aber nur der Starke beherrscht<lb/> die Situation. Preußen ist stark, sobald es will. Wagt es den entschiedenen Bruch<lb/> mit der Reaction, stellt es durch die gesetzlichen Mittel, die ihm die Verfassung bietet,<lb/> die Einheit der Regierung her und tritt dann in voller Rüstung in den Kampf¬<lb/> schauplatz, so wird es keine diplomatischen Künste nöthig haben, um alle Kräfte<lb/> um sich zu sammeln, deren gutem Willen nur die Einwirkung eines mächtigen und<lb/> zugleich guten Willens fehlte. Wagt es das nicht, dann bleibt uns nur der be¬<lb/> scheidene Wunsch, daß diese Krisis nicht mit unserm völligen Ruin endigen möge.</p><lb/> <note type="byline"> 1^</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F.L. Herbiq<lb/> in Leipzig.<lb/> Druck vo» C. E. Elbert in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
mögliche; geht er vorüber, so ist der gegenwärtige Zustand ins Unendliche verlän¬
gert. Es kann in diesem Augenblick sämmtlichen Betheiligten, Oestreich, den deut¬
schen Fürsten und dem deutschen Volke nachgewiesen werden, daß sie bei der bloßen
Erhaltung des Bestehenden ihre Rechnung nicht finden. Was hat Oestreich im
Augenblick der Gefahr von seinem Bundesprüsidium für einen Nutzen? Es wäre
ihm heilsamer gewesen, wenn es statt dessen mit seinen gcscnnmten Staaten in den
Bund eingetreten wäre und dafür den engeren Bund hätte gewähren lassen. Was
es von Deutschland braucht, ist Hilfe in der Noth, was es weiter darin sucht,
wird es nicht finden, es wird sich nur versteckte Feinde machen, wo es seine na«
türlichen Bundesgenossen hätte. Die deutschen Fürsten verlangen im deutschen Bunde,
und zwar mit Recht, Sicherung gegen die äußern Feinde, Sicherung gegen innere
Unruhen; das deutsche Volk verlangt Garantie seiner Rechte: beiden thut also ein
Bundesgericht Noth, das nach beiden Seiten unabhängig sei. Am schlimmsten ist
es aber mit der freien Entwicklung unserer Nationalkrast bestellt. So lange wir
keine Flotte haben, sind wir nicht einmal Dänemark gewachsen, jeder Krieg läßt
unsere Küsten wehrlos. Preußen allein kann eine Flotte nicht halten, theils weil
die Mittel ihm dazu fehlen, theils weil es keine Häfen hat. So lange uns Han¬
nover jeden Augenblick pour Jahdevusen abschneiden kann, ist unsere Flotte nur ein
theueres Spielzeug. Deutschland kann keine Flotte halten, so lange es keine ge¬
meinsame Executive hat.
Wird nun Preußen den gegenwärtigen Augenblick dazu benutzen, mit seinen
Vorschlägen an seine Bundesgenossen zu treten? In diesem Fall ist allerdings noch
ein Schritt nöthig! es muß durch die Sicherheit seiner innern Verhältnisse Deutsch-
land Vertrauen einflößen. Deutschland, welches, und zwar nicht mit Unrecht, seit
.zehn Jahren mit Preußen grollte, hat die Wiederherstellung des Rechtszuständig mit
großer Sympathie begrüßt, aber es ist noch unsicher — und auch darin können wir
ihm nicht Unrecht geben — ob dieser Zustand' Dauer verspricht. In ruhigen Ver¬
hältnissen hätte sich alles von selbst entwickelt, die jetzige Krisis fordert energische
Maßregeln. Die Reaction, aus der Regierung verdrängt, hat ihren Mittelpunkt im
Herrenhause gefunden und führt gegen das Ministerium einen rücksichtslose Kampf,
der selbst durch die Noth der letzten Wochen nicht unterbrochen wird. In der Re¬
gierung besteht ein Dualismus, der jedes kräftige Auftreten Preußens fast ebenso
unmöglich machte wie die Cabinetskrisis ein kräftiges Auftreten der englischen Ne¬
gierung. Der Gutgesinnte erweckt Sympathien, aber nur der Starke beherrscht
die Situation. Preußen ist stark, sobald es will. Wagt es den entschiedenen Bruch
mit der Reaction, stellt es durch die gesetzlichen Mittel, die ihm die Verfassung bietet,
die Einheit der Regierung her und tritt dann in voller Rüstung in den Kampf¬
schauplatz, so wird es keine diplomatischen Künste nöthig haben, um alle Kräfte
um sich zu sammeln, deren gutem Willen nur die Einwirkung eines mächtigen und
zugleich guten Willens fehlte. Wagt es das nicht, dann bleibt uns nur der be¬
scheidene Wunsch, daß diese Krisis nicht mit unserm völligen Ruin endigen möge.
1^
Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F.L. Herbiq
in Leipzig.
Druck vo» C. E. Elbert in Leipzig.
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