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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Zwischen dessen Vetter Hans und dem Herzog von Würtemberg. die Böcking aus
dem Ausschreiben der Huttcnschen Familie in Holz hat nachstechen lassen (S. 60).
Von diesem Bilde hat Res. in seiner Biographie Ulrich Huttens (I, S. 135 Anm. 1.)
behauptet, es stelle, gleich dem in der Steckelberger Ausgabe von dessen Schrif¬
ten gegen den Herzog, nicht den Mord selbst, sondern das unmittelbar darauf
Geschehene vor, wie der Herzog das Schwert in den Boden stößt, und an
dasselbe einen um den Hals des Ermordeten geschlungenen Gürtel befestigt.
Diese Behauptung hat Böcking in seiner Anzeige jener Biographie ihrem
Verf. als Ungenauigkeit vorgeworfen, und auch jetzt noch bezeichnet er das
Bild als üZurs. cweis (5o.) Lutteuum oeeiÄontis (S. 53. Note). Dagegen
beharrt der damalige Verf. und dermalige Ren. auf seiner frühern Behauptung,
und nimmt jetzt die Abbildung in Böckings Ausgabe selbst zum Zeugen gegen
ihn. . Denn so unähnlich sie auch in ihrer Feinheit dem rohen Originale ist,
so darf man sie doch nur recht ansehen, um zu finden, daß der übergebeugte
Herzog das Schwert nicht, wie Böcking voraussetzt, dem Liegenden in den
Leib, sondern jenseit seines Leibes in den Boden stößt. Das zwar, daß er
dies mit der linken Hand und auf der rechten Seite des Liegenden thut, ist
wol nur Ungeschick des Stechers. der die Umkehrung des Bildes beim Ab¬
druck nicht in Rechnung nahm. Aber was jenseit des eingebohrten Schwertes
erscheint, ist nicht ein Theil von Hans Huttens Leibe, sondern'der Riemen,
den der Mörder bemüht ist. nachdem er ihn um den Hals der Leiche gebun¬
den, an dem Schwerte zu befestigen. Freilich ist an diesem Riemen in dem
Nachstich nächst der Hand des Herzogs ein Ding wie ein Knopf zu sehen, so
daß man denselben für eine Waffe halten könnte; im Original kann höchstens
etwa eine Schnalle an jener Stelle angedeutet sein. Ganz ohne Belang zur
Kenntniß der Denkart jener Unterwelt ist die Sache nicht: als das Aergste
und Unleidliche an des Herzogs That erschien ihnen nicht sowol der Mord
an sich, als die in dem sinnbildlichen Henken dazugefügte Schmach.

Treten wir jetzt von der Arbeit Böckings zurück, um sie, wie einen ge¬
waltigen Bau, noch einmal zu überblicken, so sehen wir die wenigen kleinen
Mängel, die wir an derselben zu bemerken glaubten, in den großen Verhält¬
nissen des festbegründeten und wohlgegliederten Ganzen bis zur Unsichtbarkeit
verschwinden. Wo es auf so unendlich viel Einzelnes ankommt, da ist es
ebenso leicht. Ein und Anderes richtiger zu treffen, als schwer, es im Ganzen
auch nur annähernd ebenso gut zu machen. Möge nur den Herausgeber Ge¬
sundheit und Kraft, und mit beiden vereint die rege Theilnahme des deutschen
Volkes in den Stand setzen, das begonnene Werk zu seiner Freude und des
Baterlandes Ehre bis zum glücklichen Ende hinauszuführen.


D. F. Strauß.


Zwischen dessen Vetter Hans und dem Herzog von Würtemberg. die Böcking aus
dem Ausschreiben der Huttcnschen Familie in Holz hat nachstechen lassen (S. 60).
Von diesem Bilde hat Res. in seiner Biographie Ulrich Huttens (I, S. 135 Anm. 1.)
behauptet, es stelle, gleich dem in der Steckelberger Ausgabe von dessen Schrif¬
ten gegen den Herzog, nicht den Mord selbst, sondern das unmittelbar darauf
Geschehene vor, wie der Herzog das Schwert in den Boden stößt, und an
dasselbe einen um den Hals des Ermordeten geschlungenen Gürtel befestigt.
Diese Behauptung hat Böcking in seiner Anzeige jener Biographie ihrem
Verf. als Ungenauigkeit vorgeworfen, und auch jetzt noch bezeichnet er das
Bild als üZurs. cweis (5o.) Lutteuum oeeiÄontis (S. 53. Note). Dagegen
beharrt der damalige Verf. und dermalige Ren. auf seiner frühern Behauptung,
und nimmt jetzt die Abbildung in Böckings Ausgabe selbst zum Zeugen gegen
ihn. . Denn so unähnlich sie auch in ihrer Feinheit dem rohen Originale ist,
so darf man sie doch nur recht ansehen, um zu finden, daß der übergebeugte
Herzog das Schwert nicht, wie Böcking voraussetzt, dem Liegenden in den
Leib, sondern jenseit seines Leibes in den Boden stößt. Das zwar, daß er
dies mit der linken Hand und auf der rechten Seite des Liegenden thut, ist
wol nur Ungeschick des Stechers. der die Umkehrung des Bildes beim Ab¬
druck nicht in Rechnung nahm. Aber was jenseit des eingebohrten Schwertes
erscheint, ist nicht ein Theil von Hans Huttens Leibe, sondern'der Riemen,
den der Mörder bemüht ist. nachdem er ihn um den Hals der Leiche gebun¬
den, an dem Schwerte zu befestigen. Freilich ist an diesem Riemen in dem
Nachstich nächst der Hand des Herzogs ein Ding wie ein Knopf zu sehen, so
daß man denselben für eine Waffe halten könnte; im Original kann höchstens
etwa eine Schnalle an jener Stelle angedeutet sein. Ganz ohne Belang zur
Kenntniß der Denkart jener Unterwelt ist die Sache nicht: als das Aergste
und Unleidliche an des Herzogs That erschien ihnen nicht sowol der Mord
an sich, als die in dem sinnbildlichen Henken dazugefügte Schmach.

Treten wir jetzt von der Arbeit Böckings zurück, um sie, wie einen ge¬
waltigen Bau, noch einmal zu überblicken, so sehen wir die wenigen kleinen
Mängel, die wir an derselben zu bemerken glaubten, in den großen Verhält¬
nissen des festbegründeten und wohlgegliederten Ganzen bis zur Unsichtbarkeit
verschwinden. Wo es auf so unendlich viel Einzelnes ankommt, da ist es
ebenso leicht. Ein und Anderes richtiger zu treffen, als schwer, es im Ganzen
auch nur annähernd ebenso gut zu machen. Möge nur den Herausgeber Ge¬
sundheit und Kraft, und mit beiden vereint die rege Theilnahme des deutschen
Volkes in den Stand setzen, das begonnene Werk zu seiner Freude und des
Baterlandes Ehre bis zum glücklichen Ende hinauszuführen.


D. F. Strauß.


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[0263] Zwischen dessen Vetter Hans und dem Herzog von Würtemberg. die Böcking aus dem Ausschreiben der Huttcnschen Familie in Holz hat nachstechen lassen (S. 60). Von diesem Bilde hat Res. in seiner Biographie Ulrich Huttens (I, S. 135 Anm. 1.) behauptet, es stelle, gleich dem in der Steckelberger Ausgabe von dessen Schrif¬ ten gegen den Herzog, nicht den Mord selbst, sondern das unmittelbar darauf Geschehene vor, wie der Herzog das Schwert in den Boden stößt, und an dasselbe einen um den Hals des Ermordeten geschlungenen Gürtel befestigt. Diese Behauptung hat Böcking in seiner Anzeige jener Biographie ihrem Verf. als Ungenauigkeit vorgeworfen, und auch jetzt noch bezeichnet er das Bild als üZurs. cweis (5o.) Lutteuum oeeiÄontis (S. 53. Note). Dagegen beharrt der damalige Verf. und dermalige Ren. auf seiner frühern Behauptung, und nimmt jetzt die Abbildung in Böckings Ausgabe selbst zum Zeugen gegen ihn. . Denn so unähnlich sie auch in ihrer Feinheit dem rohen Originale ist, so darf man sie doch nur recht ansehen, um zu finden, daß der übergebeugte Herzog das Schwert nicht, wie Böcking voraussetzt, dem Liegenden in den Leib, sondern jenseit seines Leibes in den Boden stößt. Das zwar, daß er dies mit der linken Hand und auf der rechten Seite des Liegenden thut, ist wol nur Ungeschick des Stechers. der die Umkehrung des Bildes beim Ab¬ druck nicht in Rechnung nahm. Aber was jenseit des eingebohrten Schwertes erscheint, ist nicht ein Theil von Hans Huttens Leibe, sondern'der Riemen, den der Mörder bemüht ist. nachdem er ihn um den Hals der Leiche gebun¬ den, an dem Schwerte zu befestigen. Freilich ist an diesem Riemen in dem Nachstich nächst der Hand des Herzogs ein Ding wie ein Knopf zu sehen, so daß man denselben für eine Waffe halten könnte; im Original kann höchstens etwa eine Schnalle an jener Stelle angedeutet sein. Ganz ohne Belang zur Kenntniß der Denkart jener Unterwelt ist die Sache nicht: als das Aergste und Unleidliche an des Herzogs That erschien ihnen nicht sowol der Mord an sich, als die in dem sinnbildlichen Henken dazugefügte Schmach. Treten wir jetzt von der Arbeit Böckings zurück, um sie, wie einen ge¬ waltigen Bau, noch einmal zu überblicken, so sehen wir die wenigen kleinen Mängel, die wir an derselben zu bemerken glaubten, in den großen Verhält¬ nissen des festbegründeten und wohlgegliederten Ganzen bis zur Unsichtbarkeit verschwinden. Wo es auf so unendlich viel Einzelnes ankommt, da ist es ebenso leicht. Ein und Anderes richtiger zu treffen, als schwer, es im Ganzen auch nur annähernd ebenso gut zu machen. Möge nur den Herausgeber Ge¬ sundheit und Kraft, und mit beiden vereint die rege Theilnahme des deutschen Volkes in den Stand setzen, das begonnene Werk zu seiner Freude und des Baterlandes Ehre bis zum glücklichen Ende hinauszuführen. D. F. Strauß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/263>, abgerufen am 22.12.2024.