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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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sind, so wäre nach dieser Seite alles zu loben, wenn der Band nur latei¬
nische Schrift enthielte. Allein da auch die in der Sache Hans Huttens ge¬
wechselten Klag- und Ablehnungsschriften-, und von den Sendschreiben Huttens
an den Kaiser, den Kurfürsten von Sachsen u. a. unter dem lateinischen Texte
die Uebersetzungen aufgenommen sind, so enthält der Band auch nicht wenig
deutsche Schrift. Dazu hat man, ohne Zweifel der Aehnlichkeit mit den alten
Drucken zulieb, eine Art Fractur gewählt. Wir können diese Wahl unmög¬
lich gut heißen. Das Deutsch des Neformationszeitalters, wenn es, wie
billig, in der ganzen Eigenheit seiner Formen und seiner Rechtschreibung
wiedergegeben wird, ist dem heutigen Leser, selbst manchem gelehrten, an
sich schon fremd genug, daß man sich wohl hüten sollte, auch noch das Auge
durch eine Schrift zu verwirren, die wir nur etwa in kurzen Ueberschriften
gewohnt sind, und die , so fein wie sie hier genommen ist, überdies auch
die Sehkraft angreifen muß. Warum nicht eine einfache Garmondschrist, zu
der man die besondern Zeichen, welche die alte Schreibweise erfordert, eben¬
so gut Hütte gießen können? Der breiten Behaglichkeit der alten Drucke sieht
dieses spitze, gekritzelte Wesen ja doch nicht gleich.

Seinen Text hat Böcking in den wenigen Fällen, wo noch Handschriften
übrig sind, nach diesen, die er entweder selbst abgeschrieben, ja durchgezeich¬
net, oder durch verlässige Mittelspersonen abschreiben lassen, sonst nach den
ältesten und besten Drucken, mit Vergleichung aller übrigen, hergestellt, und
die Varianten unter dem Texte angegeben. Daß er Unter diesen auch die
zahllosen, und, weil sie bloße Schnitzer sind, auch werthlosen Abweichungen
der Münchischen Ausgabe verzeichnet, hat wenigstens den Werth eines durch¬
geführten Beweises, welch ein dringendes, ja schreiendes Bedürfniß die
seinige war.

Für seine Anmerkungen und übrigen eignen Zuthaten hat der Heraus¬
geber die lateinische Sprache gewählt. Theils um der Gleichförmigkeit willen,
weil die von ihm zu commentirenden Schriften größtentheils lateinisch geschrie¬
ben sind; theils um den deutschen Ritter auch bei den Gelehrten anderer Na¬
tionen, wo er uns nur Ehre machen kann, desto leichter einzuführen. Auch
bewegt sich der Herausgeber in dieser Sprache so bequem wie in seinem
Hausrocke; ja so behaglich wird es ihm darin, daß er, ganz im Humor
seiner Humanisten, wol auch einen neueren deutschen Namen latinisirt. Pfarrer
Rodrich in Straßburg wird sich S. 365 zu einem ^rgLirwratensiL Ilarunäi-
news umgetauft finden. Durch dieses humoristische, mehr noch satirische Salz
werden Böckings Noten zu einem schmackhafteren Lesen, als sonst derlei kritische
Apparate zu sein Pflegen. Wie köstlich wird nur im ganzen Buche der inäo-
eins nu^g-lor NünemuL durchgezogen, der kein Griechisch lesen, das Lateinische
wenigstens nicht decimiren, nicht conjugiren noch construiren kann, und, wo


sind, so wäre nach dieser Seite alles zu loben, wenn der Band nur latei¬
nische Schrift enthielte. Allein da auch die in der Sache Hans Huttens ge¬
wechselten Klag- und Ablehnungsschriften-, und von den Sendschreiben Huttens
an den Kaiser, den Kurfürsten von Sachsen u. a. unter dem lateinischen Texte
die Uebersetzungen aufgenommen sind, so enthält der Band auch nicht wenig
deutsche Schrift. Dazu hat man, ohne Zweifel der Aehnlichkeit mit den alten
Drucken zulieb, eine Art Fractur gewählt. Wir können diese Wahl unmög¬
lich gut heißen. Das Deutsch des Neformationszeitalters, wenn es, wie
billig, in der ganzen Eigenheit seiner Formen und seiner Rechtschreibung
wiedergegeben wird, ist dem heutigen Leser, selbst manchem gelehrten, an
sich schon fremd genug, daß man sich wohl hüten sollte, auch noch das Auge
durch eine Schrift zu verwirren, die wir nur etwa in kurzen Ueberschriften
gewohnt sind, und die , so fein wie sie hier genommen ist, überdies auch
die Sehkraft angreifen muß. Warum nicht eine einfache Garmondschrist, zu
der man die besondern Zeichen, welche die alte Schreibweise erfordert, eben¬
so gut Hütte gießen können? Der breiten Behaglichkeit der alten Drucke sieht
dieses spitze, gekritzelte Wesen ja doch nicht gleich.

Seinen Text hat Böcking in den wenigen Fällen, wo noch Handschriften
übrig sind, nach diesen, die er entweder selbst abgeschrieben, ja durchgezeich¬
net, oder durch verlässige Mittelspersonen abschreiben lassen, sonst nach den
ältesten und besten Drucken, mit Vergleichung aller übrigen, hergestellt, und
die Varianten unter dem Texte angegeben. Daß er Unter diesen auch die
zahllosen, und, weil sie bloße Schnitzer sind, auch werthlosen Abweichungen
der Münchischen Ausgabe verzeichnet, hat wenigstens den Werth eines durch¬
geführten Beweises, welch ein dringendes, ja schreiendes Bedürfniß die
seinige war.

Für seine Anmerkungen und übrigen eignen Zuthaten hat der Heraus¬
geber die lateinische Sprache gewählt. Theils um der Gleichförmigkeit willen,
weil die von ihm zu commentirenden Schriften größtentheils lateinisch geschrie¬
ben sind; theils um den deutschen Ritter auch bei den Gelehrten anderer Na¬
tionen, wo er uns nur Ehre machen kann, desto leichter einzuführen. Auch
bewegt sich der Herausgeber in dieser Sprache so bequem wie in seinem
Hausrocke; ja so behaglich wird es ihm darin, daß er, ganz im Humor
seiner Humanisten, wol auch einen neueren deutschen Namen latinisirt. Pfarrer
Rodrich in Straßburg wird sich S. 365 zu einem ^rgLirwratensiL Ilarunäi-
news umgetauft finden. Durch dieses humoristische, mehr noch satirische Salz
werden Böckings Noten zu einem schmackhafteren Lesen, als sonst derlei kritische
Apparate zu sein Pflegen. Wie köstlich wird nur im ganzen Buche der inäo-
eins nu^g-lor NünemuL durchgezogen, der kein Griechisch lesen, das Lateinische
wenigstens nicht decimiren, nicht conjugiren noch construiren kann, und, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/255>, abgerufen am 23.12.2024.