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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Herkunft, der siebente endlich Kommentare und Register von dem Heraus¬
geber enthalten. Gegen diese Einteilung im Allgemeinen ist nichts einzu¬
wenden. Zwar von dem Gesichtspunkt aus, daß in der Gesammtausgabe der
Werke eines Schriftstellers dessen Geistesentwicklung sich abspiegeln solle, könnte
man einer durchaus chronologischen Anordnung das Wort reden wollen. Münch
hat bei seiner Ausgabe eine solche wenigstens im Auge gehabt. Allein das
Durcheinander von poetischen und prosaischen Schriften, von Briefen und
Werken, das ihm so entstanden ist, nimmt sich sinnverwirrend aus. Bei einem
Schriftsteller, der sich in verschiedenen Fächern und Formen, in Prosa und
Versen, Dialogen und Reden versucht hat, ist eine Sachordnung unerläßlich;
wobei dann innerhalb der einzelnen Fächer die Zeitordnung immer noch ihr
Recht behaupten kann. Die Briefe eines Autors insbesondere von dessen
übrigen Werken zu trennen, ist ein altes Herkommen von gutem Grunde. Der
Grund ist, daß sie durchschnittlich andrer Art, mehr natürliche Ergüsse als
wissenschaftliche oder Kunstwerke, in der Regel auch nicht für die Oeffentlichkeit
berechnet, und, wie sie aus bestimmten Lebenslagen entsprungen sind, so auch
in ihrer Reihenfolge die ursprünglichste Biographie des Autors bilden.

Aber es ergeben sich Grenzstreitigkeiten. Einerseits gibt es Briefe, die
nur so eingekleidete Abhandlungen oder Gedichte sind; andrerseits Werke, oder
doch Theile von solchen, die so bestimmt biographisch veranlaßt, so sehr nur
Abdrücke gewisser Lebensmomente sind, daß man versucht sein kann, die Reihe
der Briefe durch sie zu vervollständigen. Beides ist auch bei Hütten der Fall,
und mehr noch das Letztere als das Erstere. Fast alle seine Werke haben
Vorreden, Zueignungen, auch der Form nach brieflich abgefaßt, die mit seinen
eigentlichen Briefen von gleicher Art sind. Daher hat Münch diese letztern
an ihren durch die Zeitordnung gegebenen Stellen zwischen die übrigen Werke
untergesteckt. Böcking hat umgekehrt alle jene Zueignungen, Vor- und Nach¬
worte der Werke zu den Briefen herübergezogen. Sofern man bei der Zu¬
sammenstellung der Briefe auf Gewinnung einer biographischen Uebersicht aus¬
geht, gewiß mit Recht. Allein Uebelstände ergeben sich doch auch so. Denn
Vor- und Nachreden gehören doch wol zu den Werken, denen der Verfasser
sie beizugeben für gut befunden hat. Läßt also Böcking sie später bei den
Werken weg, so werden wir über Verstümmlung klagen, und uns eher noch
die Wiederholung gefallen lassen; obgleich auch diese, bei einer, ohnehin um-


jahrhundert eines sachcrklärendm Apparats, der aber, je mehr die Satire ihrer Natur nach
ins Einzelne der Persönlichkeiten und Beziehungen geht, desto schwieriger herzustellen ist. Einst¬
weilen hat Böcking uns von dem unvergleichlichen Büchlein eine neue Textausgabe:
' Lpistol^s olzseuroruru virorum. I^ixsiaö ni g-sAidus IZ. (x. Ieubueri. NVOMI^VIII.
geliefert, welche außer den zwei ursprünglichen auch den später hinzugefügten dritten Theil
enthält, und durch Correctheit und Eleganz als Taschen- und Cabinetsausgabe auch neben
zu erwartenden größern ihren Werth behalten wird,
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Herkunft, der siebente endlich Kommentare und Register von dem Heraus¬
geber enthalten. Gegen diese Einteilung im Allgemeinen ist nichts einzu¬
wenden. Zwar von dem Gesichtspunkt aus, daß in der Gesammtausgabe der
Werke eines Schriftstellers dessen Geistesentwicklung sich abspiegeln solle, könnte
man einer durchaus chronologischen Anordnung das Wort reden wollen. Münch
hat bei seiner Ausgabe eine solche wenigstens im Auge gehabt. Allein das
Durcheinander von poetischen und prosaischen Schriften, von Briefen und
Werken, das ihm so entstanden ist, nimmt sich sinnverwirrend aus. Bei einem
Schriftsteller, der sich in verschiedenen Fächern und Formen, in Prosa und
Versen, Dialogen und Reden versucht hat, ist eine Sachordnung unerläßlich;
wobei dann innerhalb der einzelnen Fächer die Zeitordnung immer noch ihr
Recht behaupten kann. Die Briefe eines Autors insbesondere von dessen
übrigen Werken zu trennen, ist ein altes Herkommen von gutem Grunde. Der
Grund ist, daß sie durchschnittlich andrer Art, mehr natürliche Ergüsse als
wissenschaftliche oder Kunstwerke, in der Regel auch nicht für die Oeffentlichkeit
berechnet, und, wie sie aus bestimmten Lebenslagen entsprungen sind, so auch
in ihrer Reihenfolge die ursprünglichste Biographie des Autors bilden.

Aber es ergeben sich Grenzstreitigkeiten. Einerseits gibt es Briefe, die
nur so eingekleidete Abhandlungen oder Gedichte sind; andrerseits Werke, oder
doch Theile von solchen, die so bestimmt biographisch veranlaßt, so sehr nur
Abdrücke gewisser Lebensmomente sind, daß man versucht sein kann, die Reihe
der Briefe durch sie zu vervollständigen. Beides ist auch bei Hütten der Fall,
und mehr noch das Letztere als das Erstere. Fast alle seine Werke haben
Vorreden, Zueignungen, auch der Form nach brieflich abgefaßt, die mit seinen
eigentlichen Briefen von gleicher Art sind. Daher hat Münch diese letztern
an ihren durch die Zeitordnung gegebenen Stellen zwischen die übrigen Werke
untergesteckt. Böcking hat umgekehrt alle jene Zueignungen, Vor- und Nach¬
worte der Werke zu den Briefen herübergezogen. Sofern man bei der Zu¬
sammenstellung der Briefe auf Gewinnung einer biographischen Uebersicht aus¬
geht, gewiß mit Recht. Allein Uebelstände ergeben sich doch auch so. Denn
Vor- und Nachreden gehören doch wol zu den Werken, denen der Verfasser
sie beizugeben für gut befunden hat. Läßt also Böcking sie später bei den
Werken weg, so werden wir über Verstümmlung klagen, und uns eher noch
die Wiederholung gefallen lassen; obgleich auch diese, bei einer, ohnehin um-


jahrhundert eines sachcrklärendm Apparats, der aber, je mehr die Satire ihrer Natur nach
ins Einzelne der Persönlichkeiten und Beziehungen geht, desto schwieriger herzustellen ist. Einst¬
weilen hat Böcking uns von dem unvergleichlichen Büchlein eine neue Textausgabe:
' Lpistol^s olzseuroruru virorum. I^ixsiaö ni g-sAidus IZ. (x. Ieubueri. NVOMI^VIII.
geliefert, welche außer den zwei ursprünglichen auch den später hinzugefügten dritten Theil
enthält, und durch Correctheit und Eleganz als Taschen- und Cabinetsausgabe auch neben
zu erwartenden größern ihren Werth behalten wird,
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[0253] Herkunft, der siebente endlich Kommentare und Register von dem Heraus¬ geber enthalten. Gegen diese Einteilung im Allgemeinen ist nichts einzu¬ wenden. Zwar von dem Gesichtspunkt aus, daß in der Gesammtausgabe der Werke eines Schriftstellers dessen Geistesentwicklung sich abspiegeln solle, könnte man einer durchaus chronologischen Anordnung das Wort reden wollen. Münch hat bei seiner Ausgabe eine solche wenigstens im Auge gehabt. Allein das Durcheinander von poetischen und prosaischen Schriften, von Briefen und Werken, das ihm so entstanden ist, nimmt sich sinnverwirrend aus. Bei einem Schriftsteller, der sich in verschiedenen Fächern und Formen, in Prosa und Versen, Dialogen und Reden versucht hat, ist eine Sachordnung unerläßlich; wobei dann innerhalb der einzelnen Fächer die Zeitordnung immer noch ihr Recht behaupten kann. Die Briefe eines Autors insbesondere von dessen übrigen Werken zu trennen, ist ein altes Herkommen von gutem Grunde. Der Grund ist, daß sie durchschnittlich andrer Art, mehr natürliche Ergüsse als wissenschaftliche oder Kunstwerke, in der Regel auch nicht für die Oeffentlichkeit berechnet, und, wie sie aus bestimmten Lebenslagen entsprungen sind, so auch in ihrer Reihenfolge die ursprünglichste Biographie des Autors bilden. Aber es ergeben sich Grenzstreitigkeiten. Einerseits gibt es Briefe, die nur so eingekleidete Abhandlungen oder Gedichte sind; andrerseits Werke, oder doch Theile von solchen, die so bestimmt biographisch veranlaßt, so sehr nur Abdrücke gewisser Lebensmomente sind, daß man versucht sein kann, die Reihe der Briefe durch sie zu vervollständigen. Beides ist auch bei Hütten der Fall, und mehr noch das Letztere als das Erstere. Fast alle seine Werke haben Vorreden, Zueignungen, auch der Form nach brieflich abgefaßt, die mit seinen eigentlichen Briefen von gleicher Art sind. Daher hat Münch diese letztern an ihren durch die Zeitordnung gegebenen Stellen zwischen die übrigen Werke untergesteckt. Böcking hat umgekehrt alle jene Zueignungen, Vor- und Nach¬ worte der Werke zu den Briefen herübergezogen. Sofern man bei der Zu¬ sammenstellung der Briefe auf Gewinnung einer biographischen Uebersicht aus¬ geht, gewiß mit Recht. Allein Uebelstände ergeben sich doch auch so. Denn Vor- und Nachreden gehören doch wol zu den Werken, denen der Verfasser sie beizugeben für gut befunden hat. Läßt also Böcking sie später bei den Werken weg, so werden wir über Verstümmlung klagen, und uns eher noch die Wiederholung gefallen lassen; obgleich auch diese, bei einer, ohnehin um- jahrhundert eines sachcrklärendm Apparats, der aber, je mehr die Satire ihrer Natur nach ins Einzelne der Persönlichkeiten und Beziehungen geht, desto schwieriger herzustellen ist. Einst¬ weilen hat Böcking uns von dem unvergleichlichen Büchlein eine neue Textausgabe: ' Lpistol^s olzseuroruru virorum. I^ixsiaö ni g-sAidus IZ. (x. Ieubueri. NVOMI^VIII. geliefert, welche außer den zwei ursprünglichen auch den später hinzugefügten dritten Theil enthält, und durch Correctheit und Eleganz als Taschen- und Cabinetsausgabe auch neben zu erwartenden größern ihren Werth behalten wird, 31*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/253>, abgerufen am 23.12.2024.