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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Es geht schon besser. Wenn Sie es anständig heißen allein zu mir zu kom
wen, so können Sie mir eine große Freude machen; ist aber daß Sie dieses unan¬
ständig finden, so wissen Sie, wie ich die Freiheit aller Menschen ehre, und wie
Sie auch immer hierin und in andern Fällen handeln mögen, nach Ihren Grund¬
sätzen oder nach Willkühr, mich finden Sie immer gut und als


Ihren Freund Beethoven.

Die Krankheit scheint nicht weiter voranzugehn, wohl aber noch zu kriechen, also
Noch kein Stillstand! dies alles was ich Ihnen darüber sagen kann. -- Sie bei
sich zu sehe", darauf muß ich Verzicht thun, vielleicht erlassen Ihnen Ihre Samo-
ttdcn heute Ihre Reise zu den Polarländern, so kommen Sie zu


Beethoven.

Dank für alles was Sie für meinen Körper sür gut finden, für das Noth¬
wendigste ist schon gesorgt -- auch scheint die Hartnäckigkeit der Krankheit nach¬
zulassen -- Herzlichen Antheil nehme ich an Ihrem Leid, welches auf Sie durch die
Krankheit Ihrer Mutter kommen muß. -- Daß Sie gewiß gern von mir gesehen werden,
wissen Sie, nur kann ich Sie nicht anders als zu Bette liegen empfangen. -- Viel¬
leicht bin ich Morgen im Stande aufzustehen. -- Leben Sie wohl liebe gute Amalie. ---


Ihr etwas schwach sich befindender Beethoven.

Auf einem Vlart ist von Am. Sebalds Hand geschrieben:

Mein Tyrann befiehlt eine Rechnung. Da ist sie.

Ein Huhn 1 si. N. N.
Die Suppe 9 kr.

Von Herzen wünsche ich, daß Sie Ihnen bekommen möge.

Beethoven hat darunter geschrieben:

Tyrannen bezahlen nicht, die Rechnung muß aber noch quittirt werden, und
das konnten Sie am besten, wenn Sie selbst kommen wollen L. mit der Rechnung
M Ihrem gedemüthigten Tyrannen.

Ich kann Ihnen noch nichts bestimmtes über mich sagen, bald scheint es mir
besser geworden, bald wieder im alten Geleise fortzugehen, oder mich in einen
längern Krankheitszustand versetzen zu können. Könnte ich meine Gedanken über
weine Krankheit durch eben so bestimmte Zeichen als meine Gedanken in der Musik
ausdrücken, so wollte ich mir bald selbst helfen -- auch heute muß ich das Bett noch
wuncr hüten. Leben Sie wohl und freuen Sie. sich Ihrer Gesundheit, liebe Amalie.


Ihr Freund Beethoven.

Die Zartheit Beethovens Frauen gegenüber, sein inniges Gefühl und seine
Laune sprechen sich in diesen Briefen so einfach und liebenswürdig aus, daß sie als
ein besonders anziehender Beitrag zu seiner Charakteristik angesehen werden dürfen.

Während dieses Aufenthaltes in Töplitz machte Beethoven auch die lange ge¬
wünschte persönliche Bekanntschaft Goethes. Dieser äußert sich darüber gegen
Zelter in einem Briefe aus Karlsbad vom 2. Sept. 1812 (Briefw. 11. S. 28):
'-Beethoven habe ich in Töplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen
Schatze, allein es ist leider eine ganz ungcbündigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht


Es geht schon besser. Wenn Sie es anständig heißen allein zu mir zu kom
wen, so können Sie mir eine große Freude machen; ist aber daß Sie dieses unan¬
ständig finden, so wissen Sie, wie ich die Freiheit aller Menschen ehre, und wie
Sie auch immer hierin und in andern Fällen handeln mögen, nach Ihren Grund¬
sätzen oder nach Willkühr, mich finden Sie immer gut und als


Ihren Freund Beethoven.

Die Krankheit scheint nicht weiter voranzugehn, wohl aber noch zu kriechen, also
Noch kein Stillstand! dies alles was ich Ihnen darüber sagen kann. — Sie bei
sich zu sehe«, darauf muß ich Verzicht thun, vielleicht erlassen Ihnen Ihre Samo-
ttdcn heute Ihre Reise zu den Polarländern, so kommen Sie zu


Beethoven.

Dank für alles was Sie für meinen Körper sür gut finden, für das Noth¬
wendigste ist schon gesorgt — auch scheint die Hartnäckigkeit der Krankheit nach¬
zulassen — Herzlichen Antheil nehme ich an Ihrem Leid, welches auf Sie durch die
Krankheit Ihrer Mutter kommen muß. — Daß Sie gewiß gern von mir gesehen werden,
wissen Sie, nur kann ich Sie nicht anders als zu Bette liegen empfangen. — Viel¬
leicht bin ich Morgen im Stande aufzustehen. — Leben Sie wohl liebe gute Amalie. —-


Ihr etwas schwach sich befindender Beethoven.

Auf einem Vlart ist von Am. Sebalds Hand geschrieben:

Mein Tyrann befiehlt eine Rechnung. Da ist sie.

Ein Huhn 1 si. N. N.
Die Suppe 9 kr.

Von Herzen wünsche ich, daß Sie Ihnen bekommen möge.

Beethoven hat darunter geschrieben:

Tyrannen bezahlen nicht, die Rechnung muß aber noch quittirt werden, und
das konnten Sie am besten, wenn Sie selbst kommen wollen L. mit der Rechnung
M Ihrem gedemüthigten Tyrannen.

Ich kann Ihnen noch nichts bestimmtes über mich sagen, bald scheint es mir
besser geworden, bald wieder im alten Geleise fortzugehen, oder mich in einen
längern Krankheitszustand versetzen zu können. Könnte ich meine Gedanken über
weine Krankheit durch eben so bestimmte Zeichen als meine Gedanken in der Musik
ausdrücken, so wollte ich mir bald selbst helfen — auch heute muß ich das Bett noch
wuncr hüten. Leben Sie wohl und freuen Sie. sich Ihrer Gesundheit, liebe Amalie.


Ihr Freund Beethoven.

Die Zartheit Beethovens Frauen gegenüber, sein inniges Gefühl und seine
Laune sprechen sich in diesen Briefen so einfach und liebenswürdig aus, daß sie als
ein besonders anziehender Beitrag zu seiner Charakteristik angesehen werden dürfen.

Während dieses Aufenthaltes in Töplitz machte Beethoven auch die lange ge¬
wünschte persönliche Bekanntschaft Goethes. Dieser äußert sich darüber gegen
Zelter in einem Briefe aus Karlsbad vom 2. Sept. 1812 (Briefw. 11. S. 28):
'-Beethoven habe ich in Töplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen
Schatze, allein es ist leider eine ganz ungcbündigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/249>, abgerufen am 22.12.2024.