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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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die Erhöhung des londoner Silbcrprcises Einfluß üben muß. Oder das
Herausziehen des Silbers aus der Hamburger Bank hat die unmittelbare
Folge, durch die Steigerung des Disconts und die Wechselcourse grobe Silber¬
münze aus dem deutschen Binncnlnnde herbeizuziehen, die dann mit Vor¬
theil in Masse eingeschmolzen, affinirt und in die Bank gebracht oder direct
nach auswärts versendet wird. Und zwar werden der Natur der Sache nach
grade die neuesten und vollhaltigen Münzen vor allem in den Tigel wan¬
dern. Bis zu einem gewissen Belaufe können allerdings Banknoten die Cir-
culation der groben Silbermünze ersetzen, allein es ist sehr die Frage, ob der
deutsche Verkehr ohne erhebliche Ungelegenheit und Gefährdung noch eine be¬
deutende Ausdehnung der Papiergeldemission vertragen kann. Dann ist auch
nicht außer Acht zu lassen, daß das Beziehen größerer Beträge zur Versendung
nach auswärts vorzugsweise die Baarvorrüthe der Banken zunächst in An¬
spruch nehmen, und daß die Verminderung dieser Edelmetallreservcn bei so¬
liden Anstalten wieder eine Einschränkung der Notencirculation nach sich
ziehen muß. Wenn für die Silberversendungen nach Indien und China
monatlich fünf bis zehn Millionen Thaler verlangt werden, während mit
den westindischen Dampfbooten durchschnittlich nur zwei bis drei Millionen
Thaler im Monat in England ankommen, so wird dies Verhältniß unab-
weislich einen wiederkehrenden, sehr bemerkbaren Eindruck auf das ganze
Geldwesen derjenigen Länder machen, welche die Silberwährung aufrecht hal¬
ten und einen ansehnlichen baaren Geldumlauf haben. Es ist freilich klar,
daß das vorgedachte Mißverhältniß in derjenigen Dimension, welche die Jahre
1856 und 1857 und der Anfang des laufenden Jahres aufweisen, nicht lange
anhalten könnte; aber selbst dann, wenn durch eine wesentliche Vertheurung
Hes Silbers die mit der Ueberlandpost zu versendenden Beträge eine entsprechende
Beschränkung erfahren und andererseits die Silberproduction gehoben wird,
und wenn demgemäß auch das aus der europäischen Circulation zur Completirung
jener Silbcrverschiffungen herauszuziehende Silberquantum beträchtlich ge¬
ringer werden sollte, als bisher, so wird die Unzuträglichreit eines solchen
Zustandes dadurch nicht beseitigt. Maßregeln, wie sie wol schon vorge¬
kommen sind und worauf man auch künftig wieder verfallen wird, um die Silber¬
ausfuhr zu hindern, daß nämlich die großen Äanken diejenigen Bankiers,
welche zu solchen Operationen die Hand bieten würden, mit der Entziehung
der sonst gewährten Facilitätcn bedrohen und sie dadurch von solchen Ge¬
schäften abhalten wollen, oder daß man die Einlösung größerer Beträge von
Banknoten, wenn die Münze zum Einschmelzen oder zur Versendung nach
auswärts verlangt zu werden scheint, durch Zahlung von Sechstelthalerstücken
oder ähnliche künstliche Erschwerungen zu verleiden sucht, -- solche Maß'
reget, das wird jeder unbefangene bei einigem Nachdenken einräumen müssen,


die Erhöhung des londoner Silbcrprcises Einfluß üben muß. Oder das
Herausziehen des Silbers aus der Hamburger Bank hat die unmittelbare
Folge, durch die Steigerung des Disconts und die Wechselcourse grobe Silber¬
münze aus dem deutschen Binncnlnnde herbeizuziehen, die dann mit Vor¬
theil in Masse eingeschmolzen, affinirt und in die Bank gebracht oder direct
nach auswärts versendet wird. Und zwar werden der Natur der Sache nach
grade die neuesten und vollhaltigen Münzen vor allem in den Tigel wan¬
dern. Bis zu einem gewissen Belaufe können allerdings Banknoten die Cir-
culation der groben Silbermünze ersetzen, allein es ist sehr die Frage, ob der
deutsche Verkehr ohne erhebliche Ungelegenheit und Gefährdung noch eine be¬
deutende Ausdehnung der Papiergeldemission vertragen kann. Dann ist auch
nicht außer Acht zu lassen, daß das Beziehen größerer Beträge zur Versendung
nach auswärts vorzugsweise die Baarvorrüthe der Banken zunächst in An¬
spruch nehmen, und daß die Verminderung dieser Edelmetallreservcn bei so¬
liden Anstalten wieder eine Einschränkung der Notencirculation nach sich
ziehen muß. Wenn für die Silberversendungen nach Indien und China
monatlich fünf bis zehn Millionen Thaler verlangt werden, während mit
den westindischen Dampfbooten durchschnittlich nur zwei bis drei Millionen
Thaler im Monat in England ankommen, so wird dies Verhältniß unab-
weislich einen wiederkehrenden, sehr bemerkbaren Eindruck auf das ganze
Geldwesen derjenigen Länder machen, welche die Silberwährung aufrecht hal¬
ten und einen ansehnlichen baaren Geldumlauf haben. Es ist freilich klar,
daß das vorgedachte Mißverhältniß in derjenigen Dimension, welche die Jahre
1856 und 1857 und der Anfang des laufenden Jahres aufweisen, nicht lange
anhalten könnte; aber selbst dann, wenn durch eine wesentliche Vertheurung
Hes Silbers die mit der Ueberlandpost zu versendenden Beträge eine entsprechende
Beschränkung erfahren und andererseits die Silberproduction gehoben wird,
und wenn demgemäß auch das aus der europäischen Circulation zur Completirung
jener Silbcrverschiffungen herauszuziehende Silberquantum beträchtlich ge¬
ringer werden sollte, als bisher, so wird die Unzuträglichreit eines solchen
Zustandes dadurch nicht beseitigt. Maßregeln, wie sie wol schon vorge¬
kommen sind und worauf man auch künftig wieder verfallen wird, um die Silber¬
ausfuhr zu hindern, daß nämlich die großen Äanken diejenigen Bankiers,
welche zu solchen Operationen die Hand bieten würden, mit der Entziehung
der sonst gewährten Facilitätcn bedrohen und sie dadurch von solchen Ge¬
schäften abhalten wollen, oder daß man die Einlösung größerer Beträge von
Banknoten, wenn die Münze zum Einschmelzen oder zur Versendung nach
auswärts verlangt zu werden scheint, durch Zahlung von Sechstelthalerstücken
oder ähnliche künstliche Erschwerungen zu verleiden sucht, — solche Maß'
reget, das wird jeder unbefangene bei einigem Nachdenken einräumen müssen,


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[0242] die Erhöhung des londoner Silbcrprcises Einfluß üben muß. Oder das Herausziehen des Silbers aus der Hamburger Bank hat die unmittelbare Folge, durch die Steigerung des Disconts und die Wechselcourse grobe Silber¬ münze aus dem deutschen Binncnlnnde herbeizuziehen, die dann mit Vor¬ theil in Masse eingeschmolzen, affinirt und in die Bank gebracht oder direct nach auswärts versendet wird. Und zwar werden der Natur der Sache nach grade die neuesten und vollhaltigen Münzen vor allem in den Tigel wan¬ dern. Bis zu einem gewissen Belaufe können allerdings Banknoten die Cir- culation der groben Silbermünze ersetzen, allein es ist sehr die Frage, ob der deutsche Verkehr ohne erhebliche Ungelegenheit und Gefährdung noch eine be¬ deutende Ausdehnung der Papiergeldemission vertragen kann. Dann ist auch nicht außer Acht zu lassen, daß das Beziehen größerer Beträge zur Versendung nach auswärts vorzugsweise die Baarvorrüthe der Banken zunächst in An¬ spruch nehmen, und daß die Verminderung dieser Edelmetallreservcn bei so¬ liden Anstalten wieder eine Einschränkung der Notencirculation nach sich ziehen muß. Wenn für die Silberversendungen nach Indien und China monatlich fünf bis zehn Millionen Thaler verlangt werden, während mit den westindischen Dampfbooten durchschnittlich nur zwei bis drei Millionen Thaler im Monat in England ankommen, so wird dies Verhältniß unab- weislich einen wiederkehrenden, sehr bemerkbaren Eindruck auf das ganze Geldwesen derjenigen Länder machen, welche die Silberwährung aufrecht hal¬ ten und einen ansehnlichen baaren Geldumlauf haben. Es ist freilich klar, daß das vorgedachte Mißverhältniß in derjenigen Dimension, welche die Jahre 1856 und 1857 und der Anfang des laufenden Jahres aufweisen, nicht lange anhalten könnte; aber selbst dann, wenn durch eine wesentliche Vertheurung Hes Silbers die mit der Ueberlandpost zu versendenden Beträge eine entsprechende Beschränkung erfahren und andererseits die Silberproduction gehoben wird, und wenn demgemäß auch das aus der europäischen Circulation zur Completirung jener Silbcrverschiffungen herauszuziehende Silberquantum beträchtlich ge¬ ringer werden sollte, als bisher, so wird die Unzuträglichreit eines solchen Zustandes dadurch nicht beseitigt. Maßregeln, wie sie wol schon vorge¬ kommen sind und worauf man auch künftig wieder verfallen wird, um die Silber¬ ausfuhr zu hindern, daß nämlich die großen Äanken diejenigen Bankiers, welche zu solchen Operationen die Hand bieten würden, mit der Entziehung der sonst gewährten Facilitätcn bedrohen und sie dadurch von solchen Ge¬ schäften abhalten wollen, oder daß man die Einlösung größerer Beträge von Banknoten, wenn die Münze zum Einschmelzen oder zur Versendung nach auswärts verlangt zu werden scheint, durch Zahlung von Sechstelthalerstücken oder ähnliche künstliche Erschwerungen zu verleiden sucht, — solche Maß' reget, das wird jeder unbefangene bei einigem Nachdenken einräumen müssen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/242>, abgerufen am 22.12.2024.