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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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durchgreifende Aushilfe dringend empfiehlt. Man vergegenwärtige sich nur
die nächsten natürlichen Folgen einer Demonetisation des Goldes in Frank¬
reich jetzt, nachdem in den letztverflossenen acht Jahren über 2000 Millionen
Franken in Gold als Landesmünze neu in Emulation gekommen, und da¬
gegen vermuthlich weit über 1500 Millionen Franken Silbermünze einge¬
schmolzen und außer Landes gegangen sind, wo sür den Silberabfluß nach
Ostasien durchschnittlich die gesammte Silbergcwinnuug. oder doch mindestens
die davon nach Europa gelangenden Quantitäten lange nicht ausreichen. Die
Demonetisation des Goldes in Frankreich würde, wenn sie eine wirklich durch¬
greifende und ganze Maßregel sein soll, es nothwendig mit sich bringen, daß
die Negierung mit aller Energie darauf Bedacht nehmen müßte, nicht allein
die fernere Ausprägung von Goldmünzen vorläufig zu fistiren. sondern auch
gleichzeitig eine Ausmünzung von grobem Silbergeld in einem kolossalen
Umfange zu bewirken. Die Nachfrage nach Gold für Frankreich, welches bis¬
her den hauptsächlichsten Abzug sür die neue Production dieses Edelmetalls
dargeboten hat, würde also aufhören und statt dessen Frankreich plötzlich
enorme Quantitäten Gold an den Markt bringen. Beim Silber aber würde
grade das umgekehrte Verhältniß mit gleicher Intensität eintreten, daß näm¬
lich Frankreich, welches in letzter Zeit aus seiner Circulation so viel Silber
hergegeben hat, plötzlich eine noch nie in dem Maße dagewesene Nachfrage
nach diesem Edelmetall schaffen würde, statt Silber auszuführen.' Soll die
alleinige Silberwährung in Frankreich wieder zur gesetzlichen und thatsächlichen
Geltung kommen, so ist die unabweisliche Vorbedingung, daß für die ver¬
schwundenen 1500 Millionen (oder vermuthlich noch beträchtlich mehr) grobe
Silbermünze sofort neues Silbergeld wieder ausgeprägt werde. Um dies
aber zu bewerkstelligen, muß das dazu erforderliche Silber angeschafft werden.
Woher soll dies aber kommen? Die Silberrimcssen aus Mexico und der ame¬
rikanischen Westküste sind, wie schon gesagt, unzureichend, um die SilberauS-
fuhr nach Indien zu decken, und hat man von England aus. so oft diese auf
einen größern Bedarf steigt, vom europäischen Continent Silber aufkaufen
müssen, was fast jedes Mal durch eine, wenn auch nur zeitweilige, merkliche
Erhöhung des Silberprcises hat bewirkt werden müssen. Der Verkehr Euro¬
pas und Nordamerikas mit Ostasien hat im Jahr 1856 circa 94 Millionen,
im Jahr 1857 circa 134 Millionen und im Jahr 1858 circa 30 Millionen
Thaler Silber in Anspruch genommen, abgesehen von dem Silberabflnß aus
Rußland über Kiächta nach China, während die gesammte Silberproduction
für jedes dieser drei Jahre nach eher zu hoher als zu niedriger Schätzung
circa 60 bis 70 Millionen Thaler geliefert und durchschnittlich nnr circa 27
Millionen Thaler Silber mit den westindischen Dampfbooten in England an¬
gekommen sind. Nachdem im vorigen Jahr der Silberabfluß nach Asien


durchgreifende Aushilfe dringend empfiehlt. Man vergegenwärtige sich nur
die nächsten natürlichen Folgen einer Demonetisation des Goldes in Frank¬
reich jetzt, nachdem in den letztverflossenen acht Jahren über 2000 Millionen
Franken in Gold als Landesmünze neu in Emulation gekommen, und da¬
gegen vermuthlich weit über 1500 Millionen Franken Silbermünze einge¬
schmolzen und außer Landes gegangen sind, wo sür den Silberabfluß nach
Ostasien durchschnittlich die gesammte Silbergcwinnuug. oder doch mindestens
die davon nach Europa gelangenden Quantitäten lange nicht ausreichen. Die
Demonetisation des Goldes in Frankreich würde, wenn sie eine wirklich durch¬
greifende und ganze Maßregel sein soll, es nothwendig mit sich bringen, daß
die Negierung mit aller Energie darauf Bedacht nehmen müßte, nicht allein
die fernere Ausprägung von Goldmünzen vorläufig zu fistiren. sondern auch
gleichzeitig eine Ausmünzung von grobem Silbergeld in einem kolossalen
Umfange zu bewirken. Die Nachfrage nach Gold für Frankreich, welches bis¬
her den hauptsächlichsten Abzug sür die neue Production dieses Edelmetalls
dargeboten hat, würde also aufhören und statt dessen Frankreich plötzlich
enorme Quantitäten Gold an den Markt bringen. Beim Silber aber würde
grade das umgekehrte Verhältniß mit gleicher Intensität eintreten, daß näm¬
lich Frankreich, welches in letzter Zeit aus seiner Circulation so viel Silber
hergegeben hat, plötzlich eine noch nie in dem Maße dagewesene Nachfrage
nach diesem Edelmetall schaffen würde, statt Silber auszuführen.' Soll die
alleinige Silberwährung in Frankreich wieder zur gesetzlichen und thatsächlichen
Geltung kommen, so ist die unabweisliche Vorbedingung, daß für die ver¬
schwundenen 1500 Millionen (oder vermuthlich noch beträchtlich mehr) grobe
Silbermünze sofort neues Silbergeld wieder ausgeprägt werde. Um dies
aber zu bewerkstelligen, muß das dazu erforderliche Silber angeschafft werden.
Woher soll dies aber kommen? Die Silberrimcssen aus Mexico und der ame¬
rikanischen Westküste sind, wie schon gesagt, unzureichend, um die SilberauS-
fuhr nach Indien zu decken, und hat man von England aus. so oft diese auf
einen größern Bedarf steigt, vom europäischen Continent Silber aufkaufen
müssen, was fast jedes Mal durch eine, wenn auch nur zeitweilige, merkliche
Erhöhung des Silberprcises hat bewirkt werden müssen. Der Verkehr Euro¬
pas und Nordamerikas mit Ostasien hat im Jahr 1856 circa 94 Millionen,
im Jahr 1857 circa 134 Millionen und im Jahr 1858 circa 30 Millionen
Thaler Silber in Anspruch genommen, abgesehen von dem Silberabflnß aus
Rußland über Kiächta nach China, während die gesammte Silberproduction
für jedes dieser drei Jahre nach eher zu hoher als zu niedriger Schätzung
circa 60 bis 70 Millionen Thaler geliefert und durchschnittlich nnr circa 27
Millionen Thaler Silber mit den westindischen Dampfbooten in England an¬
gekommen sind. Nachdem im vorigen Jahr der Silberabfluß nach Asien


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[0238] durchgreifende Aushilfe dringend empfiehlt. Man vergegenwärtige sich nur die nächsten natürlichen Folgen einer Demonetisation des Goldes in Frank¬ reich jetzt, nachdem in den letztverflossenen acht Jahren über 2000 Millionen Franken in Gold als Landesmünze neu in Emulation gekommen, und da¬ gegen vermuthlich weit über 1500 Millionen Franken Silbermünze einge¬ schmolzen und außer Landes gegangen sind, wo sür den Silberabfluß nach Ostasien durchschnittlich die gesammte Silbergcwinnuug. oder doch mindestens die davon nach Europa gelangenden Quantitäten lange nicht ausreichen. Die Demonetisation des Goldes in Frankreich würde, wenn sie eine wirklich durch¬ greifende und ganze Maßregel sein soll, es nothwendig mit sich bringen, daß die Negierung mit aller Energie darauf Bedacht nehmen müßte, nicht allein die fernere Ausprägung von Goldmünzen vorläufig zu fistiren. sondern auch gleichzeitig eine Ausmünzung von grobem Silbergeld in einem kolossalen Umfange zu bewirken. Die Nachfrage nach Gold für Frankreich, welches bis¬ her den hauptsächlichsten Abzug sür die neue Production dieses Edelmetalls dargeboten hat, würde also aufhören und statt dessen Frankreich plötzlich enorme Quantitäten Gold an den Markt bringen. Beim Silber aber würde grade das umgekehrte Verhältniß mit gleicher Intensität eintreten, daß näm¬ lich Frankreich, welches in letzter Zeit aus seiner Circulation so viel Silber hergegeben hat, plötzlich eine noch nie in dem Maße dagewesene Nachfrage nach diesem Edelmetall schaffen würde, statt Silber auszuführen.' Soll die alleinige Silberwährung in Frankreich wieder zur gesetzlichen und thatsächlichen Geltung kommen, so ist die unabweisliche Vorbedingung, daß für die ver¬ schwundenen 1500 Millionen (oder vermuthlich noch beträchtlich mehr) grobe Silbermünze sofort neues Silbergeld wieder ausgeprägt werde. Um dies aber zu bewerkstelligen, muß das dazu erforderliche Silber angeschafft werden. Woher soll dies aber kommen? Die Silberrimcssen aus Mexico und der ame¬ rikanischen Westküste sind, wie schon gesagt, unzureichend, um die SilberauS- fuhr nach Indien zu decken, und hat man von England aus. so oft diese auf einen größern Bedarf steigt, vom europäischen Continent Silber aufkaufen müssen, was fast jedes Mal durch eine, wenn auch nur zeitweilige, merkliche Erhöhung des Silberprcises hat bewirkt werden müssen. Der Verkehr Euro¬ pas und Nordamerikas mit Ostasien hat im Jahr 1856 circa 94 Millionen, im Jahr 1857 circa 134 Millionen und im Jahr 1858 circa 30 Millionen Thaler Silber in Anspruch genommen, abgesehen von dem Silberabflnß aus Rußland über Kiächta nach China, während die gesammte Silberproduction für jedes dieser drei Jahre nach eher zu hoher als zu niedriger Schätzung circa 60 bis 70 Millionen Thaler geliefert und durchschnittlich nnr circa 27 Millionen Thaler Silber mit den westindischen Dampfbooten in England an¬ gekommen sind. Nachdem im vorigen Jahr der Silberabfluß nach Asien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/238>, abgerufen am 23.12.2024.